Die Afghanistan-Reihe des Kito ist gestern mit einem mäßig besuchten Wohltätigkeitsbasar für das Schulprojekt der "Iawa", der Independent Afghan Women Association, zu Ende gegangen.
Vegesack. Insgesamt war das Publikumsecho auf die sechs Kito-Beiträge zur Afghanistan-Reihe zurückhaltend. Trotzdem ist für den Kito-Vereinsvorsitzenden Thomas Pörschke ein guter Anfang gemacht, dem weitere Informationsveranstaltungen zum Land am Hindukusch und ein afghanischer Weihnachtsbasar folgen sollen. Laila Noor, Modedesignerin und Vorsitzende der Iawa ist am Sonntagnachmittag nicht enttäuscht, sondern stellt neu gewonnene Kontakte in den Vordergrund: "Von den 40000 Euro, die wir für den nächsten Schulbau sammeln wollten, sind wir noch weit, weit weg. Aber durch unsere Veranstaltungen werden sich vielleicht mehr und mehr Leute in Vegesack für Afghanistan und unser Schulprojekt interessieren."
Für Thomas Pörschke hat sich einmal mehr das Problem gezeigt, mit dem Kito-Programm auch politisch Interessierte außerhalb Bremen-Nords zu erreichen. Tatsächlich hatte die Afghanistan-Reihe hochkarätige Gäste nach Vegesack gebracht, die tiefe Einblicke in die aktuelle Lage in am Hindukusch geben konnten. So saß mit Oberstleutnant Markus Nurischad am Freitagabend ein Mann in der Diskussionsrunde, der die Pressearbeit der Bundeswehr direkt vor Ort in Kundus in fünf jeweils halbjährigen Einsätzen bis zum vergangenen Herbst mit gesteuert hat. Der Entwicklungshelfer Holger Munsch an seiner Seite kommt für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und Nichtregierungsorganisationen (NGO) sogar auf noch mehr Zeit in Afghanistan. Beide sprechen offen über Fehler, die gemacht worden sind und überraschen mit Detailschilderungen aus ihrer Arbeit.
Auf Nachfrage von Moderator Jörg Helge-Wagner vom Weser-Kurier gesteht Oberstleutnant Nurischad ein, dass in der Zeit eines Verteidigungsministers Franz Josef Jung viel über die wahre Situation im Land verschwiegen und praktisch vier Jahre nichts gemacht worden sei. Munsch kommentiert beinahe spöttisch, die Bundeswehr sei damals nicht einmal in der Lage gewesen, sich selbst zu verteidigen – bis sechs Kettenfahrzeuge und zwei Haubitzen gekommen seien.
Hört man Nurischad über die Anfänge der Bundeswehrpräsenz 2001 zu, ahnt man, welche Chancen vertan worden sind: Man verteilte Notizblöcke und kleine Präsente an die Afghanen, ging im Basar einkaufen, die Stimmung war prächtig. "Aber die Amerikaner erfanden überhaupt erst 2004 construction teams für den Wiederaufbau. Das war viel zu spät."
Die Taliban bombten die Deutschen aus dem Basar. Nurischad: "Danach sind wir nur noch mit den Fahrzeugen herumgefahren. Ein Bild, das die Taliban genau so von uns vermitteln wollten. Diese Leute sind nicht dumm." Massiven Angriffen des Gegners folgten Vergeltungsschläge der Amerikaner mit vielen zivilen Opfern. Laila Noor war in Afghanistan, als ein US-Panzer ein Auto voller Zivilisten überrollte und überforderte US-Soldaten viele herbeieilende Afghanen mit den Maschinenpistolen niederschossen: "Man kann sich nicht vorstellen, was dort los war. Nach meinem Gefühl ist das Land von den USA okkupiert worden. Wo Amerikaner sind, ist man in seiner Freizügigkeit komplett eingeschränkt."
Holger Munsch erzählt, dass die Hilfsorganisationen über zwei Handynetzanbieter jeweils ihre Mitarbeiter alarmieren, wenn auf Straßen Bundeswehr- oder Militärkonvois unterwegs sind: "Das ist die goldene Regel. Nie raus, wenn die fahren." In den Dörfern könnten die Menschen schlicht nicht unterscheiden, ob da die eher angesehenen Deutschen kämen oder die Amerikaner, die "ausländischen Teufel". Nichtsdestotrotz sei alle Arbeit der NGO ohne solche Schutzkontingente nur schwer möglich. Munsch wie Nurischad sind dennoch am Ende der Diskussion begrenzt optimistisch, dass der Krieg in Afghanistan im Abzugsjahr nicht weiter eskaliert. Ein Angebot, jetzt wieder dort zu arbeiten, hat Munsch aber ausgeschlagen.