Der Betonberg wächst. Am Montag war er ein Haufen, am Dienstag ein Hügel und am Mittwoch fast zwölf Meter hoch und 50 Meter breit. Und er wird immer größer und schwerer. Jede Stunde kommen 200 Tonnen hinzu. Heiko Warner und seine Kollegen sorgen dafür. Erst haben die Baggerfahrer das frühere Einkaufszentrum am Vegesacker Hafen abgerissen, jetzt machen sie die Brocken klein, die von ihm übrig sind. Das Haven Höövt verschwindet, wenn man so will, in einer Brechanlage – und kommt am Ende in Staub- und Steinchenform wieder raus.
Alles verläuft wie nach einer genau einstudierten Choreografie: Ein Bagger bringt den Beton, ein zweiter lässt ihn in den Trichter des Brechers fallen, ein dritter schiebt Staub und Steine auf den Berg, ein vierter steht oben und verteilt alles. Warner ist der, der die Anlage befüllt. Zack, zack geht das. Für eine neue Ladung braucht er zehn bis 15 Sekunden. Sein Chef nennt ihn den Brechmeister. Es ist ein erfundener Titel. Warner, 49, rote Warnweste, roter Helm, roter Bart, ist Baumaschinist wie die anderen auch. Mit dem Unterschied, dass er sich besser mit der 15 Meter langen Anlage auskennt als alle anderen, weil er und die Maschine ein Gespann bilden. Warner wird dort eingesetzt, wo sie gebraucht wird.
Er ist mit ihr auf Baustellen überall in der Republik. Zuletzt war er in Wolfsburg, Göttingen und Dresden – alles Großprojekte. Auch das Haven Höövt ist eines. Warner sagt, dass der Berg mit dem gebrochenen Beton, auf ungefähr 30.000 Tonnen kommen wird. Drei bis vier Wochen soll es dauern, bis die Anlage auf dem Gelände des früheren Einkaufszentrums alles zerkleinert hat, was zuvor von Baggern zertrümmert wurde. Dabei arbeiten die Männer, an diesem Morgen sind sechs Bagger im Einsatz, in Zehn-Stunden-Schichten. Und ist die Brechanlage nicht das kleinste Modell, sondern das zweitgrößte des Herstellers. Das Förderband kommt auf eine Breite von 1,10 Meter. Bei der Top-Variante sind es 20 Zentimeter mehr.
Warner hat gerade Zwangspause: Sein Bagger muss getankt werden. Der Maschinist steht deshalb am Bedienfeld des Brechers und kontrolliert, ob es Fehlermeldungen gibt. Alles läuft, wie es laufen soll. Das ist nicht immer so. Die Betonbrocken, die er mit seinem Fahrzeug in den Trichter fallen lässt, sind zwar vorsortiert, aber manchmal rutschen auch Gegenstände aufs Förderband, die dort nichts zu suchen haben: Styropor, Schrauben, Kabel, Plastikfolien. Was weniger als der gebrochene Beton wiegt, bläst die Anlage durch ein Rohr nach draußen. Was aus Metall ist, spürt ein Magnet auf. Und trotzdem kommt es manchmal vor, dass sich der Betonbrecher verschluckt. Dass etwas stecken bleibt, was manuell herausgeholt werden muss.
Bisher, sagt Warner, ist alles glattgelaufen. Der Maschinist zeigt auf den Boden, wo der Abfall liegt, den der Brecher herausgepustet hat – und auf ein Förderband an der Seite der Anlage, auf dem Metallreste liegen: zerfetzte Bleche, verbogene Rohre, zerschrammte Bolzen. Den rotierenden Betonmessern, die alles kleinmachen, was sie zu fassen kriegen, kann so gut wie nichts anhaben. Warner, seit 20 Jahren im Job, fällt jedenfalls kein Gegenstand ein, der sie zum Stoppen bringen kann. Momentan hat er die Rotorklingen so eingestellt, dass sie den Beton in Stücke brechen, die zwischen einem Millimeter und vier Zentimetern groß sind. Der Maschinist spricht von einer idealen Körnung, um aus dem Beton wieder einen Baustoff zu machen.
Im Fall des Haven-Höövt-Geländes soll er zum Füllstoff werden. Warner geht um zwei Betonberge, die noch gebrochen werden müssen. An ihren Ausläufern geht es stellenweise senkrecht in die Tiefe. Der Maschinist sagt, dass das die Keller des Einkaufszentrums waren – und dass sie entweder komplett oder zum Teil zugeschüttet werden sollen. Genauer kann er das im Moment nicht sagen, weil auf eine endgültige Entscheidung des Investors, der auf dem Fundament des Haven Höövt ein neues Stadtquartier bauen will, noch gewartet wird. Warner weiß nur, dass die Sohle des Gebäudes bleiben soll und demnächst weitere Pfähle in den Boden gerammt werden, um das Baugrundstück zusätzlich zu stützen.
Und dass eine Entscheidung des Projektentwicklers für ihn immer wichtiger wird. Warner würde gerne damit beginnen, den wachsenden Betonberg hinterm Brecher kleiner werden zu lassen – in dem er eben mit dem Verfüllen der Keller beginnt. Der Maschinist sagt, dass der Platz, den er für die gebrochenen Steine zur Verfügung hat, irgendwann knapp wird. Er kann nämlich mit der Anlage nur noch zwei Meter zurück, weil dann ein Abschnitt beginnt, der nicht so tragfähig ist wie der vordere. Der Brecher wiegt fast 60, Warners Bagger 25 Tonnen.