Vegesack. Die Vegesacker Schonerjacht „Esprit“ sieht nach 25 Wochen auf der Winkler-Bootswerft wieder aus wie neu. Das 22 Jahre alte Vorzeigeboot des Vereins Jugendkutterwerk Bremen hat ein komplett neues Teakdeck bekommen. Allerdings wurde aus dem Deckprojekt am Ende fast ein Komplett-Refit. Die Kosten liegen bei 250 000 Euro. Und das, obwohl die Vereinsmitglieder ehrenamtlich selbst 2000 Arbeitsstunden in das Schiff investiert haben.
„Selbst kurz vor dem Ablegen krabbelten noch zwei aus der Achterpiek raus, die dort Verkleidungen angebracht hatten.“ Werftchef Hans Stützle ist voll des Lobes für den Arbeitseinsatz der „Esprit“-Stammcrew: „Wenn wir Hilfe brauchten, konnten wir immer jemanden ansprechen. Das haben die prima gemacht und auch die Organisation dieser Riesenbaustelle hat für einen Verein einfach super geklappt.“ Der Bootsbaumeister kommt selbst ins Schwärmen, wenn man ihn auf die neue Optik des Zweimasters anspricht.
Hans Stützle kann auch aufzählen, was an der „Esprit“ alles gemacht werden musste: Das lecke alte Oregon-Holzdeck musste aufgemacht werden, die Lage Sperrholz darunter weg und auch der Schaumkern aus dem Sandwichbau kam raus. Die massiven Hölzer um die Winschpodeste sind jetzt repariert. Ein alter Außenhautschaden durch ein Ramming, der ursprünglich nur notgeflickt worden war, ist jetzt komplett behoben. Die Püttinge haben nach unten neue Stützbleche. Die Stammcrew sorgte dafür, dass alle Decksbeschläge vom Schiff entfernt wurden.
Die Werftleute kümmerten sich ihrerseits um das Strahlen beider Masten und die Instandsetzung von Schoner- und Großbaum. Alle Luken und Fenster sind grundüberholt. Jetzt hat die „Esprit“ einen neuen Kern aus hochfestem geschlossenporigem Schaum, im Infusionsverfahren vollkommen luftdicht verklebt. Und auf dem frischen Marinesperrholz liegt ein Teakdeck wie aus dem Werbeprospekt.
Zur Werftliste hat der Schifferrat der 20-Meter-Jacht weitere Details ausgelistet: Die komplette Schiffsbeleuchtung und die Positionslampen wurden auf LED umgerüstet. Das Schiff hat neue Lenzpumpen, neue Polster und Matratzen, ein aktives AIS-System zur automatischen Meldung der eigenen Schiffsdaten an andere Schiffe auf dem Wasser. Die undichte Rumpf-Deck-Kante ist jetzt pottendicht. Die Scheuerliste ist neu. Der ganze obere Bugbereich musste praktisch neu gebaut werden, weil er anfing zu rotten.
Wobei die lange Liste an notwendigen Arbeiten, wie auch die im Stevenbereich, aus Stützles Sicht kein Hinweis auf eine schlechte Bauqualität des Zweimasters ist: „Für das, was das Schiff geleistet hat und jetzt wieder weiter leistet, ist das ganz normaler Verschleiß. Solche Schäden treten auf, wenn du mit einem Schiff praktisch ständig unterwegs bist.“ Dass man immer erst hinterher weiß, wie schlimm es ist, sei bei der Öffnung des Decks bei einem Holzschiff ebenfalls ziemlich normal, so Stützle: „Da wurde kurz diskutiert, ob man die Reparatur des Cockpitbodens erst einmal außen vor lassen sollte für später. Da habe ich nur gesagt: Bloß nicht.“
Das sei jetzt eben der Moment gewesen, wieder richtig Grund in die Struktur des Schiffes hineinzubekommen. Stützle: „Klar ist das erst einmal auch so, dass man am Ende mehr als anderthalb Mal so viel gemacht hat wie ursprünglich geplant. Aber beeindruckender war, dass alle wirklich zusammen gekämpft haben, um den geplanten Termin für das zu Wasser lassen auch wirklich halten zu können.“ Sonnabends, an den Sonntagen, sogar am Maifeiertag – immer war rund um die „Esprit“ Betrieb.
Sommertörns nach Helgoland
Die 250 000 Euro Kosten hat der Verein zum Teil auch durch eine riesige Spendenbereitschaft in seinen Reihen stemmen können, zum Teil durch Eigenkapital, aber auch Darlehen. Nun muss der Zweimaster, der jedem zum Mitsegeln offensteht, seit dem 10. Mai auch wieder Geld verdienen. Stationen der Reisen sind Bremerhaven, Helgoland, Sunderland (Großbritannien), Esbjerg (Dänemark), Stavanger (Norwegen), es geht nach Göteborg (Schweden) bis Eckernförde.
Das Schiff hat einen Motor, aber der ist auf seinen Reisen selten zu hören: Hier geht es um die Erfahrung Hochseesegeln auch für Mitsegler ohne jegliche Vorkenntnisse – aber mit Spaß am Mittun. Stewards gibt es nicht an Bord, aber aufdecken und kochen darf jeder mal. Höhepunkt dieser Saison ist für die „Esprit“-Crews die Teilnahme an den diesjährigen „Tall Ships Races“ der Jugendsegelorganisation Sail Training International vom 5. bis 29. Juli von Sunderland über Esbjerg nach Stavanger mit Regattasegeln Tag und Nacht. Dabei treffen sich teilweise zusammengerechnet bis zu 3000 Mitsegler von 100 Segelschiffen aus der ganzen Welt. Die Plätze für die 15- bis 26-jährigen Teilnehmer sind gefördert.
Der Bergen-Törn für die Crew jeden Alters danach ist da im Vergleich immer noch atemberaubend, aber nicht ganz so partyintensiv. Vom 29. August bis zum 3. Oktober geht es in die schwedischen Westschären und weiter in die dänische Südsee für sonniges Daysailing. Weitere Details zum Törnplan der „Esprit“ gibt es unter www.sailtraining-esprit.de.