Vegesack. Der zehnjährige Can flitzt mit seinen geliehenen Schlittschuhen über das Eis. Seine jüngere Schwester ist auf den Kufen noch nicht ganz so sicher, hält sich lieber an einem Kunststoff-Pinguin fest, den die Achtjährige vor sich herschiebt. Von der Bande aus schaut Vater Hasan Gökce mit Tochter Nalan (6) in der Eislaufhalle auf dem Sedanplatz zu. „Wir sind fast jeden zweiten Tag hier. Die Kinder wollen unbedingt Schlittschuhlaufen“, erzählt der Aumunder. Drei Euro Eintritt plus drei Euro Leihgebühr für die Kufen – bei insgesamt vier Kindern kommt da für den Winterspaß schon einiges zusammen. „Als Papa kann man doch nicht Nein sagen“, meint Hasan Gökce.
Auf der Eisfläche tummeln sich um 17 Uhr große und kleine Schlittschuhläufer: Gruppen von Jugendlichen kurven über das Eis, an der Hand von Mama oder Papa gleiten Kleinkinder vorsichtig durch die Halle. Tina Härtel und ihr Sohn Fiete (8) aus Osterholz-Scharmbeck schauen am Rand dem Treiben zu und lassen sich dabei Schmalzkuchen aus der Tüte schmecken. „Wir hatten heute einen Termin in Vegesack und sind durch Zufall auf die Eislaufhalle aufmerksam geworden“, erzählt die Mutter. Zum Laufen sei heute die Zeit zu knapp. „Wir haben uns aber fest vorgenommen, noch einmal wiederzukommen.“
Im abgesperrten Bereich vor der Eisfläche zieht Timon seine Schlittschuhe aus. Für heute hat er genügend Runden gedreht, morgen will er wieder aufs Eis. „Ich bin fünf Mal in der Woche hier“, sagt der 13-Jährige, der mit vier Schulfreunden aus Aumund gekommen ist. Das ganze Jahr spare er für den Winterspaß. Drei Euro Eintritt sei nicht zu viel, findet die Gruppe. Und mit der Zehnerkarte für 25 Euro sei es noch billiger.
Draußen vor der Halle im kleinen Budendorf unter den Lichterbäumen stehen Weihnachtsmarkt-Besucher für Schmalzkuchen Schlange. „Morgen Kinder wird's was geben“ tönt es nebenan beim Kinderkarussell, das gerade Fahrt aufnimmt. In der fliegenden Untertasse saust die sechsjährige Marie an ihrer Mutter vorüber. „Sie hat gerade Ohrringe bekommen, jetzt darf sie eine Runde im Karussell fahren“, erzählt Kathrin Forke. Kein Wunder, dass die Kleine über das ganze Gesicht strahlt. Der Weihnachtsmarkt lockt Kathrin Forke weniger. „Früher war der Markt viel schöner“, findet sie. Mehr Buden in der Fußgängerzone würde sie sich wünschen, auch Stände mit Kerzen, Deko und handwerklichen Angeboten.
Andere werden von den Heißgetränk- und Futterbuden angezogen. In den geschmückten Holzhütten auf dem Ellipsenplatz in der Gerhard-Rohlfs-Straße lassen sich Besucher die Bratwurst im Schein von Teelichtern schmecken. Im Tannenwald sind die runden Tische am frühen Abend schon gut belegt. Die Arbeitskolleginnen Margit Spartz (47) und Caroline Jurczyk (40) lassen sich nach Feierabend einen Winzer-Glühwein schmecken und planen dabei gleichzeitig ihren Sommerurlaub. Nach Korfu soll es gehen.
„Wir lassen auf dem Vegesacker Weihnachtsmarkt gerne mal nach Büroschluss den Feierabend ausklingen“, erzählen sie. „Hier ist die Atmosphäre entspannt. Anders als auf dem Weihnachtsmarkt in der Stadt, wo man sich im engen Gedränge einen Platz am Glühweinstand suchen muss“, meint Spartz. Am Stand von Jabhar Bhatti an der Ellipse fühlen sich die beiden besonders wohl. Seinen Winzer-Glühwein mit oder ohne „Schuss“ kredenzt der Wirt in hohen schmalen Gläsern mit der Aufschrift „Frohe Weihnacht“ in verschiedenen Sprachen.
Ein paar Meter weiter an der Ecke Gerhard-Rohlfs-Straße/Breite Straße geht es in einer Holzbude unter der erleuchteten Kastanie fröhlich zu. Am Glühweinstand von Jennifer Burgdorf hebt eine lustige Truppe die Becher. Thomas Peltz, Ehefrau Katja, ihre Mutter Ingrid Specketer und Karin Braunschweiger als Freundin der Familie lassen sich das Heißgetränk schmecken. „Mit einem Schuss Orangenlikör. Diese Spezialmischung ist auf unseren Wunsch am Stand eingeführt worden“, verrät Thomas Peltz. Stimmt, bestätigt Burgdorf, die von dem munteren Quartett nur „Jenny“ genannt wird. Für die Wirtin ist es die siebte Saison, so lange kehrt auch Familie Peltz in der Vorweihnachtszeit schon bei ihr ein. „Wir kommen drei bis vier Mal in der Woche, sonntags auch zum Frühschoppen. Die Atmosphäre ist gemütlich, man trifft viele Bekannte. Wir sind hier wie eine große Familie“, meint Thomas Peltz.
Weiter geht's in die Reeder-Bischoff-Straße. An den Stehtischen vor der Almhütte auf dem Kleinen Markt hält sich kein Mensch auf. Wer steht auch schon freiwillig draußen in der Kälte, wo es doch drinnen so mollig warm ist. „Unsere Hütte wird extra beheizt“, sagt Wirtin Claudia Hörenkuhl. Das und die Gemütlichkeit wüssten die Gäste zu schätzen. „Ab 17 Uhr füllt sich bei uns die Hütte.“ Ein Blick in die Runde bestätigt ihre Worte: An den Tischen sind freie Plätze rar.
Das Ambiente in der Almhütte vereint bayerisches Flair mit Weihnachtsseligkeit: mit Kugeln geschmückte Tannengirlanden an der Decke, rot-weiß karierte Decken auf den Tischen, auf der Theke flackern Teelichter neben Brezeln und Spekulatius. Es gibt Flammkuchen und Leberkäse, Alpenschnaps und Nusslikör. An einem Tisch hält eine Gruppe es eher traditionell mit Glühwein. Sieben Arbeitskollegen sind hier versammelt. „Für uns ist es ein Ritual, ein Mal gemeinsam auf den Weihnachtsmarkt zu gehen“, sagt eine junge Frau. Ziel ist alle Jahre wieder die Almhütte. „Das ist die schönste Hütte auf dem Weihnachtsmarkt“, findet Sören Plewinski. Jeden Freitag und Sonnabend ab 18 Uhr ist Hüttengaudi auf dem Kleinen Markt, mit DJ. „Da räumen wir die Tische beiseite und dann wird bis 23 Uhr getanzt“, erzählt Hüttenwirtin Hörenkuhl.