Bremen-Nord. Bremen-Nords erstes E-Auto für „Carsharer“ steht gleich gegenüber dem neuen Gesundheitszentrum Lesum – zur Ausleihe auf dem Parkplatz. Der Nissan Leaf des Bremer Anbieters „Move About“ hat eine Reichweite von bis zu 250 Kilometern und entspricht von der Größe her einem VW-Golf. Wie das Ausleihsystem funktioniert und wie der Nissan fährt, haben wir ausprobiert.
Ist er nun an oder leuchtet nur das Armaturenbrett schön bunt auf? Die Bremse war doch durchgedrückt. Es ist ein bisschen wie in der Fahrschule und Markus Funke von „Move About“ ist der Fahrlehrer: „Wenn Sie schon einmal Automatikautos gefahren sind, dann kennen Sie das hier im Prinzip.“ Beim zweiten Startversuch erscheint ein kleines grünes Autosymbol im Display.
Man hört immer noch absolut nichts. Eine Handbewegung am Controller nach links und hoch auf „R“ und schon geht es rückwärts aus der Parkbox. Ein älteres Paar ist quer über den Platz auf dem Weg zur Apotheke und bemerkt die Annäherung des E-Serienautos gar nicht. Gas heulen lassen hilft nicht, nur Geduld. Ein Tippen auf das Gaspedal, rechts rum und nach einer Minute beschleunigt der Wagen die Rampe zur Autobahn hinunter.
Es ist immer noch ein lautloses Schweben bei einer ruckfreien Beschleunigung. Man sollte auf den Tachometer gucken, wenn einem der Führerschein lieb ist. Tempo 96 – ohne es zu merken. Markus Funke schaltet am Lenkrad die „Eco“-Funktion ein und die Fahrt geht weniger rasant und stromsparender weiter. Bis hierhin ist das alles schon eine Überraschung: Dieses „E-Carsharing“ ist nicht nur grün und vernünftig, sondern macht schlicht Spaß. Es braucht nur etwas Übung.
Eine halbe Stunde zuvor auf dem Parkplatz an der Charlotte-Wolff-Allee: Markus Funke zeigt auf das Display seines Smartphones, wo seine Autobuchung von der „Move About“-Zentrale bestätigt worden ist – mit Angabe des Kennzeichens des Wagens, der ihm zugeteilt worden ist. Schon im neuen Jahr soll ein weiterer Nissan Leaf an der zweiten Stromzapfsäule gegenüber stationiert werden. Seit 2009 hat „Move About“ 15 Autos an zehn Stationen über ganz Bremen verteilt. Wer sich hier ein Auto leiht, bringt es in diesem System nach seiner Nutzung wieder zurück an die Ausleihstation.
Markus Funke öffnet mit einem Chip aus der Brieftasche an einem Lesegerät hinter der Windschutzscheibe den Wagen. Im Handschuhfach liegt der eigentliche Autoschlüssel, bis zur Chipfreischaltung gesichert durch eine zusätzliche Wegfahrsperre. Ein Auto-Aufbruch ist zwecklos. Funke dazu: „Ohne diese Extraabsicherungen hätten wir gar keinen Versicherungsschutz für unsere Autos bekommen.“
Der Leiter der Kundenbetreuung holt ein dickes Stromkabel aus dem Kofferraum des Wagens und geht einmal um das Auto bis zur Front, wo er mit dem Schlüssel eine Klappe öffnet. „AC/DC“ bekommt hier als Vokabel seine wirkliche Bedeutung wieder: Der Nissan hat zwei Steckdosen – eine für DC, Gleichstrom, wenn es schnell gehen soll und eine für AC, Wechselstrom im Normalladeverfahren. Die Stromsäule will dann auch noch seinen Chip sehen, bevor sie in Aktion tritt. Eine blaue LED-Kette vorne im Auto zeigt schnell an, wie der Wagen Strom saugt.
„Think City“ hieß einmal die Vertriebsformel des norwegischen „Move About“-Inhabers und Mitbegründers Jan-Olaf Willums. Wieder so ein Begriff ganz nah dran an einem Song der legendären Rockband AC/DC. Der hieß „Sin City“. Das kann doch kein Zufall sein. Markus Funke lächelt dazu: „Wir E-Mobilitäts-Leute sind doch schließlich alle AC/DC-Fans, ist doch klar.“
Die Rockmusiker sind Millionäre geworden, davon sind die Betreiber von „Move About“ aber noch meilenweit entfernt. Hier geht es um die Idee und kleines Geld: Die Wohnungsbaugesellschaften in Lesum haben gegenüber der Stadt den Bau zusätzlicher Parkplätze mit Geld abgelöst. Das dient jetzt als Anschub des neuen E-Mobilitätskonzeptes. Umsonst ist trotzdem nichts: Im Basis-Tarif wird der Nissan fünf Euro Grundgebühr im Monat kosten, dazu 1,90 Euro pro Stunde und 29 Cent pro Kilometer. Umgerechnet würde man knapp 110 Euro zahlen, wollte man mit dem Wagen zu einem Zweitligaspiel des HSV ins Hamburger Volksparkstadion fahren – nur mal so als Beispiel.
Wobei: 262 Kilometer hin und zurück sind knapp über den Werten der Akkus. Markus Funke: „Wer solch eine Tour plant, sollte zwischendurch mal an die Steckdose und kann sich bei uns ruhig erkundigen, wie man da fahren kann.“ Allerdings gibt schon der Wagen selbst Hilfestellungen: Sein Navi listet die nächsten Stromtankstellen in der Nähe auf, die kompatibel sind. Eine weitere Anzeige rechnet zudem ständig am Fahrstil hoch, wie weit man noch kommt.
Zurück auf der A 280. Markus Funke erinnert jetzt wieder stark an den Fahrlehrer: „Wenn man nicht so stark beschleunigt und grundsätzlich vorausschauend und nicht zu schnell fährt, dann kommt das natürlich auch der Reichweite entgegen.“ Bei 160 Stundenkilometern werde der Nissan abgeregelt: „Aber in den meisten Ländern der Welt darf man ja ohnehin nicht schneller fahren.“
Beim geräuschlosen Einparken an der Stromsäule geht es an die Schlussfrage: Wann lohnt sich nun für Menschen der Umstieg vom eigenen Auto auf das E-Carsharing-Modell von „Move About“? Funke ist ganz ehrlich: „Man sagt, unter 500 Kilometern pro Woche macht das Sinn – dann ist Carsharing günstiger. Wer täglich mit dem Wagen zur Arbeit muss, für den rentiert sich das wegen der langen und teuren Standzeiten nicht.“
Weitere Informationen
Weitere Infos zum neuen Carsharing-Angebot gibt es im Internet unter www.move-about.de.