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Radball Radball-Brüder wollen zur DM

Den ersten Schritt haben gemacht, der nächste soll an diesem Sonnabend im Viertelfinale folgen. Die Radball-Brüder Erik und Finn Schwichtenhövel wollen sich für die DM qualifizieren.
12.03.2024, 15:09 Uhr
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Von Rainer Jüttner

Montag, 18 Uhr, in der Turnhalle Ganspe am Schulweg zieht eine kleine gemischte Gruppe auf ihren Spezialfahrrädern zwischen zwei längsseits aufgebauten Toren ihre Runden. "Wenn gleich die beiden Brüder kommen, ist es besser, nicht direkt in Tornähe zu stehen. Das könnte sonst schmerzhaft werden", ruft Trainer André Meyer in die Halle. Und während der neutrale Beobachter noch überlegt, ob diese Warnung tatsächlich ernst gemeint war, pfeffern Erik und Finn Schwichtenhövel beim Schusstraining bereits die ersten Bälle in Richtung Tor  – womit sich die vorherige Frage bereits erübrigt hat. Schnell wird klar: Radball erfordert eine Menge Kraft. Immer wieder muss das Rad angehoben und kurz auf dem Hinterreifen balanciert werden, bevor der Ball mit dem Vorderrad über den Lenker katapultartig auf das Torgehäuse abgefeuert wird. Die Wucht, die dabei entwickelt wird, ist schon erstaunlich. Der Ball erreicht dabei etwa 70 Kilometer in der Stunde, kann bei einzelnen, optimal getroffenen Schüssen aber durchaus mit bis zu 90 Kilometern in der Stunde auf das Tor kommen.  Der 16-jährige Erik und sein ein Jahr älterer Bruder Finn haben zweifelsfrei die dafür nötige Power. Sie gehören in Niedersachsen zu den Topteams in der U19.

Jüngst haben die beiden die niedersächsische U19-Liga auf Tabellenplatz eins abgeschlossen und bereiten sich jetzt intensiv auf ihre nächsten Aufgaben vor. Ihr größter sportlicher Wunsch ist die Teilnahme an den deutschen Meisterschaften. Den ersten Schritt in diese Richtung haben sie dabei schon hinter sich gebracht. Auch wenn es bei den niedersächsischen Verbandsmeisterschaften in Bilshausen noch nicht so richtig rund lief, haben sie sich als Dritte für die nächste Runde, das Viertelfinale zur DM qualifiziert, die an diesem Sonnabend in Großkoschen stattfindet. Doch auch dieser Wettbewerb soll möglichst  nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft sein, die am 27. und 28. April in Villingen-Schwenningen ausgetragen wird. 2019 waren die Brüder schon einmal auf diesem verheißungsvollen Weg. Doch im DM-Halbfinale in Stuttgart war dann doch Schluss, Finn und Erik glauben aber weiter an ihre Chance. 

"Im Vergleich zur Konkurrenz spielen wir ein anderes System. Mit sehr schnellem Spiel setzen wir dann auf den Überraschungseffekt", sagt Finn Schwichtenhövel. Dabei ist es auch entscheidend, wie es mit der aktuellen Tagesform der beiden aussieht. Läuft es gut, kann damit die Verteidigung der Gegner überrumpelt werden, läuft es nicht so optimal, wird das Warflether Spiel hektisch und damit auch fehleranfällig. Ein Umstand, der Andre Meyer schon ein Dorn im Auge ist. "Der Schlüssel zum Erfolg kann nur durch kontrollierte Offensive gefunden werden und nicht damit, mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Aber hier können nur die Zwei dazu beitragen", sagt der Trainer.

Auf dem Feld verstehen sich die Brüder sehr gut. Ohnehin ist ihr Verhältnis stetig enger geworden.  Klar, dass das nicht immer so war. "Früher war mir mein jüngerer Bruder peinlich und wir haben uns oft gestritten", sagt Finn. "Mittlerweile haben wir aber eine ganz besondere Bindung aufgebaut. Jetzt weiß der eine instinktiv, was der andere macht", fügt Erik hinzu. Dieser Zusammenhalt ist mit den Jahren immer enger geworden, seitdem die beiden zum ersten Mal auf das Rad stiegen.

Ihr Vater Peter hatte sie einfach mal zum Radball mitgenommen und so ganz nebenbei liefen sie dort mit, bis sie das erste Mal richtig aufs Rad passten. Inzwischen bilden die Brüder nicht nur ein Radball-Gespann, sondern sind auch in anderen Bereichen nur im Duo anzutreffen. Ob beim Angeln oder anderen Freizeitaktivitäten, oder bei ihrer allgemeinen Begeisterung für das Rad und auch die Faszination vom arbeiten mit Holz. Beide sind begeisterte BMX-Fahrer und bauen sich ihre Rampen selbst.

Diese Leidenschaft hat auch ihren Berufswunsch beeinflusst. Während Finn mit einem Ausbildungsplatz als Bootsbauer auf der Warflether Faßmer-Werft liebäugelt, könnte sich Erik den gleichen Arbeitgeber für eine eventuelle Tischler-Lehre ab 2025 sehr gut vorstellen. Beide sind sehr bodenständig und diese beruflichen Aussichten würden ihnen auch weiterhin ein Leben in ihrem gewohnten Umfeld ermöglichen. "Ein Leben auf dem Dorf hat aus unserer Sicht nur Vorteile. Man kennt sich, man passt aufeinander auf. Alles ist friedlicher", fasst Finn zusammen.  Auch ihr Blick auf ihren favorisierten Sport ist klar. "Radball ist schon etwas Besonderes. Fußball macht ja irgendwie jeder. Man kann es mir nur einer weiteren Person allein betreiben und steht als Person selber im Fokus", sagt Erik.

Händeringend sind die Radballer auch immer auf der Suche nach Sponsoren und weiteren Unterstützern. Zurzeit muss vieles aus der eigenen Tasche bezahlt werden. Ein ganz spezielles Thema sind natürlich die Räder, das Hauptsportgerät der beiden. Das Rad, das ich fahre, ist natürlich älter als ich", erklärt Erik Schwichtenhövel und träumt genauso wie sein Bruder Finn von einem Rad mit einem Rahmen aus Kohlefaser. "Das Rad muss ja dauern angehoben und über den Ball gesetzt werden, da ist ein deutlich geringeres Gewicht schon ein enormer Vorteil", sagt Finn, doch der Preis für solch ein Kohlefaserrad bewegt sich bei etwa 3800 Euro. Das ist für den kleinen Verein mit seinen 81 Mitgliedern eine ordentliche Stange Geld. Hinzu kommen die vielen Ersatzteile, wie vor allem neue Speichen, die auch während des Trainings am Montag immer mal wieder neu eingezogen werden müssen. Finn Schwichtenhövel sieht das ganz pragmatisch. "Wenn es mit der Ausbildung klappen sollte und ich eigenes Geld verdiene, werde ich mir mein eigenes Kohlefaserrad kaufen", sagt er.

Doch auch auf ihren gewohnten Metallrädern wollen die beiden an diesem Sonnabend den nächsten sportlichen Schritt machen. Beim RSV Großkoschen in der Niederlausitz, einem echten Schwergewicht in der deutschen Radball-Szene mit Bundesligateams und Europameisterschafts-Teilnehmern, wollen die Warflether Brüder im Kampf um den DM-Halbfinaleinzug mitreden. Gegner sind neben dem Gastgeberteam die Mannschaften vom SV 1870 Großolbersdorf und der SG Stern Luckenwalde. 

Auch Andre Meyer ist zuversichtlich, schränkt die Erwartungen aber auch ein: "Eigentlich stehen die Chancen auf ein Weiterkommen ganz gut. Nur vier Mannschaften sind am Start und drei kommen weiter. Leider ist in letzter Zeit die Selbstüberschätzung zu fest in den Köpfen der beiden verankert, sodass die eigene Leistung kaum hinterfragt wird. Die Anreise ist sehr weit, deswegen ist auch eine Übernachtung geplant. Für den ersten Platz wird es nicht reichen, aber der dritte Platz, der zur nächsten Runde qualifiziert, sollte an einem guten ruhigen Tag möglich sein."

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