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Christine Gerdes berichtet am Sonnabend auf der Leserpromenade über Nähschulen und Suppenküchen Erinnerung an mutige Frauen

Achtzig Lesungen an fünfzehn Stationen: Am Sonnabend steht der Vegesacker Stadtgarten ab 14 Uhr im Zeichen der Literatur. Alles mitbekommen – geht nicht. Also lässt man sich treiben, bis ein Gedicht einem am Ohr festhält, oder eine Geschichte von der Weser, oder etwas auf Platt. Oder man wählt aus. Wie zum Beispiel eine Viertelstunde mit Christine Gerdes und ihren Blick zurück auf den 1837 gegründeten Vegesacker Frauenverein.
07.08.2013, 05:00 Uhr
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Von Albrecht-joachim Bahr

Achtzig Lesungen an fünfzehn Stationen: Am Sonnabend steht der Vegesacker Stadtgarten ab 14 Uhr im Zeichen der Literatur. Alles mitbekommen – geht nicht. Also lässt man sich treiben, bis ein Gedicht einem am Ohr festhält, oder eine Geschichte von der Weser, oder etwas auf Platt. Oder man wählt aus. Wie zum Beispiel eine Viertelstunde mit Christine Gerdes und ihren Blick zurück auf den 1837 gegründeten Vegesacker Frauenverein.

Vegesack. Christine Gerdes ist seit Jahren gern gesehener Gast auf Lesungen. Vor allem mit ihrem Buch "Die Tochter des Kapitäns" versteht sie es, ihre Zuhörer zu begeistern. Eigentlich reicht es jetzt, sagte sie sich im Vorfeld der diesjährigen Leserpromenade, es darf auch mal etwas anderes sein. Dieses Andere ist der 1837 gegründete Vegesacker Frauenverein.

Viele Jahre lang war Christine Gerdes Leiterin der Kita Lobbendorf. Kurz nach der Pensionierung machte sie sich im Heimatmuseum Schloss Schönebeck daran, in die Vergangenheit abzutauchen. Dabei stellte sie fest, dass über die Männer der Gegend, die Schiffsbauer und Kapitäne viel überliefert ist. Was aber war mit den Frauen und warum sollte es da nicht auch über die zu berichten geben? Christine Gerdes durchforstete das Archiv des Museums und stieß bei ihren Recherchen auf den Vegesacker Frauenverein – auf Initiative von Amalie Kulenkamp und der Pastorin Elisa Iken im Havenhaus gegründet, ins Leben gerufen zum Wohle armer und unversorgter Frauen.

Christine Gerdes begab sich auf die Suche nach den Menschen, die irgendwie in Verbindung zum Frauenverein stehen. Im Schloss-Archiv wurde sie schließlich fündig. Dort fand sie Listen, Daten, Tabellen und sonstige Unterlagen – allerdings samt und sonders handgeschrieben. Was sie fand, musste also erst einmal transkribiert werden.

Nach erster Sichtung wurde der Hobby-Forscherin klar, dass es zu schade wäre, würde die Initiative der beiden Frauen damals vergessen werden. Und schnell war ihr klar, "wie mutig die damals waren". Die Frauen sind alle aufgelistet, und so wird Christine Gerdes auf ihrer Lesung eine Liste mit den Gründungsmitgliedern von 1837 dabeihaben.

Anspruch des Vereins sei gewesen, erklärt Gerdes, den Frauen, deren Männer zur See fuhren und die deswegen allein zu Hause zurückgeblieben sind, Arbeit zu geben. Begonnen hat es damit, dass ihnen vom Verein Leinenstoff zur Verfügung gestellt wurde, der in Heimarbeit zu Wäsche und Hemden vernäht wurde. Aus dem Verkaufsertrag wurden die Frauen dann entlohnt. Weiter sei eine Nähschule für die Mädchen eingerichtet worden, deren Eltern es sich nicht leisten konnten, sie zur Schule zu schicken. Die allgemeine Schulpflicht wurde in Bremen erst 1844 eingeführt. Wer bis dahin also lernen wollte, musste Schulgeld entlöhnen.

"Die Nähschulen", erzählt Christine Gerdes, "wurden eigenständig von den ,Jungfrauen’ geführt und haben bis zu vierzig Mädchen aufgenommen." Die genähten Artikel seien dann zuerst in der Gaststätte "Deitz" in der Langen Straße (heute Gerhard-Rohlfs-Straße) zum Verkauf angeboten worden. "Das werde ich auf der Lesrepromenade vorstellen", sagt Christine Gerdes und umreißt die "Vier Säulen" des Frauenvereins: die Näharbeit ("Aber später kaufte das keiner mehr"), die Nähschule ("Bis zur allgemeinen Schulpflicht"), die Suppenküche ("Für die Armen im Winter") und schließlich die individuelle Hilfe für Arme.

Aber mit der Sozialgesetzgebung, beginnend in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, sei der Verein quasi überflüssig geworden. Die letzten Aufzeichnungen, die Gerdes gefunden hat, sind Protokolle aus der Zeit von Bürgermeister Werner Wittgenstein, die von Bemühungen berichten, mitten im Ersten Weltkrieg in Berlin Lebensmittel für die Hungernden in Vegesack aufzutreiben. Am 4. Dezember 1916 gab es die erste öffentliche Armenspeisung in der Vegesacker Strandlust. Allerdings sei das dann auch die letzte Aktivität des Vegesacker Frauenvereins gewesen.

Leserpromenade am 10. August: Christine Gerdes liest gegen 16 Uhr im Spicarium, Zum Alten Speicher 5A. Informationen über alle Lesungen gibt es im Flyer der Stadtbibliothek oder unter www.stadtbibliothek-bremen.de.

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