Es passt kaum hinein. Und doch findet das Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack in der alten Remise, in der einst Kutschen standen, seinen Platz. Knapp, aber immerhin. Als ein neues Fahrzeug angeschafft werden sollte, erzählt der stellvertretende Wehrführer Tim Haase, "mussten erst einmal Stellproben gemacht werden".
Welten liegen zwischen den modernen Einsatzfahrzeugen der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack und dem Gebäude, in dem sie untergestellt sind. Seit 1927 ist die älteste Freiwillige Feuerwehr Bremens, die im Jahr 1897 gegründet wurde, in der Weserstraße 33 zu Hause. In einem Rotklinker-Bau, der im sogenannten Schweizer Fachwerk-Stil 1876 nach Plänen des Architekten Heinrich Müller errichtet wurde. Das einstige Kutscher- und Bedienstetenhaus der gegenüberliegenden prunkvollen Villa Fritze wurde der Wehr damals als Feuerwehrhaus zugewiesen. In den oberen Stockwerken wurde zudem Wohnraum für acht Feuerwehrfamilien geschaffen. So war eine Gruppe Brandschützer sofort vor Ort und einsatzbereit.
Pfeifend in den Keller
Herbert Monsees, Urgestein der Freiwilligen Feuerwehr Vegesack, öffnet unterhalb des roten Hahns, der aus der Mauer schaut, die Türen der einstigen Remise und schon sprudeln die Geschichten. Der 81-Jährige, der von 1959 an aktiv in der Feuerwehr mitwirkte, deutet in den Raum. "Hier standen die Kutschen und über den Kutschen hat der Kutscher gewohnt. Neben den Kutschen standen die Pferde. Und neben den Pferden war der Raum mit den Vorräten der Fritze-Familie." Dafür musste man in den Keller hinabsteigen. Und dazu hat Herbert Monsees eine Anekdote parat. Es heißt, setzt er an, "dass es den Auftrag von Frau Fritze gab, nur pfeifend in den Keller zu gehen". Warum? "Weil jemand der pfeift, sich nichts in den Mund stecken kann."







Es ist ein feines Leben in der Weserstraße. Villen zur einen Seite, Kapitänshäuser – auch stattlich – zur anderen. Groß und geräumig präsentiert sich ebenfalls das Feuerwehrgebäude. Aber Luxusleben ist etwas anderes. Die acht Familien, die hier wohnten, mussten sich in dem Haus einst eine einzige Gemeinschaftstoilette teilen. Das Gebäude ist inzwischen in städtischem Besitz und steht unter Denkmalschutz. Wer es betritt, ist schon mit einem Fuß auf einer Zeitreise. Die letzte Sanierung liegt fast 40 Jahre zurück. Die Fenster sind zum Teil noch einfach verglast, die moderneren zweifach. Das Büro des Wehrführers und seines Stellvertreters ist eher ein kleines Zimmerchen. Zumindest gemessen am weiträumigen Treppenhaus, in dem die Worte hallen. Tim Haase bleibt auf dem Weg in die erste Etage auf dem Treppenabsatz stehen und deutet auf das Telefon, das hier in der Ecke an der Wand hängt. Und auf den blauen Schalter direkt daneben, der sehr bedeutsam war. Wann immer angerufen und ein Brand gemeldet wurde, ging der Finger sofort auf den blauen Schalter, um Alarm auszulösen. Funktioniert heute noch, sagt der stellvertretende Wehrführer, drückt auf den Schalter und schon dröhnt in den Ohren ein schrilles Tröten.
Charme der Siebzigerjahre
Im Obergeschoss gibt es einen Versammlungsraum für die derzeit 33 Aktiven der Freiwilligen Feuerwehr. Die Wohnung des ehemaligen Wehrführers wird gerade als Aufenthaltsraum für die Jugendfeuerwehr hergerichtet. Die sei sehr aktiv und auch beliebt, freut sich Tim Haase. "Wir haben keine Nachwuchssorgen." Es gebe sogar eine Warteliste mit Namen von 15 Kindern und Jugendlichen. Es ist im Übrigen noch nicht so lange her, dass der letzte Feuerwehrmann aus dem Haus ausgezogen ist. Vor rund fünf Jahren sei das gewesen.
Im Dachgeschoss führt die Zeitreise in die Siebzigerjahre. Farbenfrohe und grob gemusterte Tapeten kleben zum Teil noch an den Wänden. Fehlen eigentlich nur noch die Pril-Blumen an den Kacheln. "Das Haus hat viel miterlebt", sagt Tim Haase, "viele Leute kommen und gehen sehen." Und das Haus birgt Schätze. Der stellvertretende Wehrführer kramt aus einer Kiste einen über hundert Jahre alten "Rauchschutz-Atmungsapparat" hervor. Wer das sperrige Gerät trug, brauchte immer eine zweite Person, die dem Kollegen über einen langen Schlauch Atemluft zupumpen musste. Löschwesen von anno dazumal. Aber im Vergleich zu den Anfängen der Feuerwehr in Vegesack geradezu revolutionär.
Löscheimer gingen von Hand zu Hand
"Jahrhundertelang war die Brandbekämpfung nur in Nachbarschaftshilfe möglich", schreibt Herbert Monsees in der Chronik zum hundertjährigen Bestehen der Vegesacker Feuerwehr. "Die Eimer gingen von Hand zu Hand. Das Wasser wurde aus den Brunnen, dem Hafen oder der Tränke geholt." Vegesack hatte in der Vergangenheit verheerende Feuersbrünste erlebt. So gingen im Oktober 1719 in "rasender Schnelle" 30 Häuser in Flammen auf, nachdem in einer Schmiede ein Feuer ausgebrochen war. Später, nach einem Großfeuer in der Grohner Steingutfabrik Anfang Januar 1897, beauftragte Stadtdirektor Rohr die Bildung einer Freiwilligen Feuerwehr, nachdem viele "ungeübte Helfer unter mangelnder Aufsicht den Flammen hilflos gegenüberstanden". Als am 19. Mai 1897 erneut ein Feuer wütete und das Bischoffsche Packhaus abbrannte, wurde am darauffolgenden Tag durch den Stadtrat die Freiwillige Feuerwehr Vegesack gegründet. "Es hat noch geglüht im Bischoffschen Haus, als in Brockmanns Hotel die Feuerwehr gegründet wurde", schildert Herbert Monsees. 48 Männer meldeten sich.
An frühere Zeiten erinnert auch das Mini-Museum vor dem Feuerwehrhaus. Darin ist eine Handdruckspritze ausgestellt, die "zwischen 1875 und 1907" erbaut wurde. Und es gab Zeiten, da stand vor dem Feuerwehrhaus ein hölzerner Turm. 1929 wurde er vom Sedanplatz dorthin gezogen, damit auf ihm "das Retten von Menschen aus Zwangslagen" geübt werden konnte. Er diente auch zum Trocknen der Schläuche. Bis er 1948 zu Feuerholz zerlegt wurde.