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Ex-Leuchtturmwärter einer einsamen Insel verzückt Feinschmecker in Vegesack Fischsuppe mit Seemannsgarn

Eine halbe Flasche Beck’s gluckert langsam in den Suppentopf. Knut Mörland ist nicht überzeugt, dass seine Fischsuppe damit so gut schmecken wird wie auf seinem Leuchtturm in Arendal. Aber sein norwegisches Bier passte nicht mehr ins Handgepäck, als er der Einladung des Vegesacker Feinkosthändlers Jürgen Scharringhausen zum Vorkochen folgte.
20.06.2013, 05:00 Uhr
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Von Volker Kölling

Eine halbe Flasche Beck’s gluckert langsam in den Suppentopf. Knut Mörland ist nicht überzeugt, dass seine Fischsuppe damit so gut schmecken wird wie auf seinem Leuchtturm in Arendal. Aber sein norwegisches Bier passte nicht mehr ins Handgepäck, als er der Einladung des Vegesacker Feinkosthändlers Jürgen Scharringhausen zum Vorkochen folgte.

Vegesack. Vor vier Jahren gerieten Simone und Jürgen Scharringhausen mehr zufällig auf die Felseninsel vor den Toren der 33000-Einwohner-Stadt Arendal im Südosten Norwegens: "Die Luft, das in der Abendsonne schillernde Wasser – all das war schon ein Genuss, und dann stellte sich Knut wie selbstverständlich an den Herd und kochte uns seine Fischsuppe", schwelgt Simone Scharringhausen in Erinnerung. Damals ging es im Abendrot auch noch an das Klavier.

Das Klavier fehlt allerdings am Dienstagabend im Feinkostgeschäft der Scharringhausens an der Alten Hafenstraße, dafür zeigt der Fernseher Bilder vom ungewöhnlichen Arbeitsort des Knut Mörland. Kamen in früheren Zeiten 50 Menschen im Jahr auf die Schäreninsel zum Store Torungen Fyr, so lockt der umtriebige Mörland jetzt bis zu 10000 Gäste auf seine nur acht Kilometer von Arendal entfernte Insel. Im Bootshaus finden 50 Menschen Platz, 30 können über Nacht bleiben. Passiert das, fährt Knut Mörland mal eben raus – Fisch holen: "Mehr als eine Stunde dauert das nicht, wir haben immer Fisch vor der Haustür. Bei uns heißt frischer Fisch, dass er nicht länger als zwei Stunden tot ist."

Anderthalb Stunden kocht er nach dem Filetieren des Kabeljaus die Karkassen für den optimalen Fischfond aus. Separat bereitet er Tiefseegarnelen und Surimi zu, das in Norwegen in guter Qualität geschätzt wird. Zum Grundfond kommen Möhren in Scheibchen, Lauch mit dem Grün, Sahne und Crème Fraiche dazu und tatsächlich eine gehörige Portion helles Bier. Erst in der Suppenschale wird die Fischeinlage dazugegeben. Den 20 Dinnergästen schmeckt es, sie nehmen nach.

Regierung will Leuchtturm aufgeben

Trotzdem wird das Essen zur Nebensache, als Mörland aus seinem Leben erzählt. Plötzlich ist die Zeit um zehn Jahre zurückgedreht und er und sein Bruder wollen auf ihrem Schlepper im Sturm ein Schiff mit polnischer Besatzung vom flachen Wasser der felsigen Küste wegziehen. Als die Verbindung mit der Stahltrosse zwischen Havarist und Schlepper steht, sind sie selbst für einige Minuten antriebslos. In dem Moment dreht eine acht Meter hohe Welle den schweren Schlepper komplett auf die Seite. Mörland schlägt irgendwo auf, ist von Blut überströmt, sein Bruder auf der Brücke ebenfalls schwer verletzt. Der unverletzte Koch rettet das Schiff in den Hafen. Mörland meint zu sterben, wird wie sein Bruder aber per Hubschrauber mit Kopfverletzungen und gebrochenen Halswirbeln ins Hospital eingeliefert.

Danach ist Schluss mit der Seefahrt. Als die Regierung den Leuchtturm Torungen Fyr aufgeben will, beginnt dort sein neues Leben. Er überzeugt mit dem Konzept, den Turm als Verwalter weiterzubetreiben und für Gäste zu öffnen. Er will sich dort, wo die Zeit langsamer läuft, um benachteiligte und traumatisierte Jugendliche kümmern: "Alle denken, dass das Leben auf einem Leuchtturm anders ist und das zieht die Leute zu mir." Manche Moslems knieten sich zum Beten vor den Turm und hielten ihn für ein Minarett: "Andere junge Paare halten den Turm wohl eher für ein Phallussymbol. Soll mir auch recht sein."

Neun Jahre ist er inzwischen auf dem Turm, und in der Zeit ist Mörland zu Hause so etwas wie eine Ikone der Küste geworden: Jeder kennt den 62-Jährigen in Südnorwegen. Nicht immer sind die Fernsehbeiträge über ihn fröhlich: Gerade kürzlich fragte die Küstenwache bei ihm nach, ob er aus seinem Turm ein Boot in Seenot gesichtet habe. Mörland entdeckte tatsächlich reflektierende Rettungswesten zwischen den Wellen – drei Jugendliche, deren Boot gesunken war. "Ich habe mein Boot immer startklar, bin raus und habe die durchgefrorenen Jungs aus dem Wasser gefischt."

Mit Leuten aus dem UN-Stützpunkt in Arendal hat er sich außerdem vor ein paar Jahren ein Transparency-Projekt mit Kaffeebauern in Kenia und Uganda ausgedacht. Seitdem betreibt der Vater von drei Töchtern und achtmalige Großvater die wohl einzige Leuchtturm-Kaffeerösterei der Welt.

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