Vegesack. Um Hinterbliebenen nach dem Tod eines geliebten Menschen ein Stück weit auf dem Weg der Trauerbewältigung zu helfen, haben Alessia Argiolas und Lisa Schmidt das Atelier Herz & Stich gegründet. Dort fertigen die beiden Nordbremerinnen aus der Kleidung von Verstorbenen Erinnerungsstücke an – von Stoffelefant bis Armband.
Wenn ein Mensch stirbt, stehen Hinterbliebene oftmals vor einem Berg von Alltagsgegenständen, die nun nicht mehr gebraucht werden. Es fällt schwer, die ehemaligen Lieblingsstücke des Verstorbenen einfach wegzuwerfen oder wegzugeben. Besonders der Blick in den Kleiderschrank kann schmerzlich sein, denn die Kleidung hat der Ehepartner, das Kind oder das Elternteil eng am Leib getragen. „Wir nähen aus solchen Lieblingsstücken zum Beispiel Kuscheltiere oder Schutzengel. So bleibt die Kleidung ein Bestandteil des Alltags“, sagt Alessia Argiolas. Zusammen mit ihrer besten Freundin Lisa Schmidt hat die Vegesackerin das Atelier Herz & Stich gegründet.
„Anlass dafür waren unsere eigenen Trauererfahrungen“, erzählt sie. „Trauer macht etwas mit einem. Ich habe ein Kind kurz vor der Geburt verloren. Dadurch hat sich vieles für mich verändert. Ich konnte mir schwer vorstellen, in meinen alten Beruf zurückzukehren. Ich wollte etwas mit sozialem Hintergrund machen und für andere Menschen da sein“, schildert Alessia Argiolas. Als im vergangenen Jahr ihre Schwiegervater verstarb und sie erlebte, wie ihre Schwiegermutter vor einem buchstäblichen Berg an nicht mehr benötigter Kleidung stand, wuchs die Idee zu Herz & Stich.
Ihre kreative Ader lebte die gebürtige Römerin schon immer gerne an der Nähmaschine aus. „Ich fand ihre Idee toll und wollte sie sofort unterstützen“, erzählt die zweite im Bunde, Lisa Schmidt. Obwohl die Fargerin eigentlich Industriekauffrau ist, arbeitete sie sich in das Marketing für die kleine Firma ein. „Es hängt vieles an einer Firmengründung. Allein ein Produkt anzubieten, reicht nicht“, sagt sie. Mit vereinter Kraft riefen die Nordbremerinnen ihr außergewöhnliches Projekt ins Leben. Vor allem über soziale Medien machen sie es bekannt. „Unsere Aufträge kommen aus ganz Deutschland“, freut sich Lisa Schmidt.
Die beiden Freundinnen zeigen ein Paket, das gerade bei ihnen eingetroffen ist. Darin befinden sich liebevoll zusammengelegte Kleidungsstücke eines verstorbenen Kleinkindes, ein handgeschriebener Brief und ein Foto der jungen Familie. Sorgsam schaut Lisa Schmidt die Shirts und Hosen an, aus denen Kuscheltiere für die verwaisten Geschwister genäht werden sollen. „Die Geschichten der Menschen, die uns Kleidung schicken, gehen einem sehr nahe. Aber wir sehen auch den Trost in unserer Arbeit. Wir helfen den Familien, an einer schönen Erinnerung festhalten zu können“, sagt Alessia Argiolas.
In ihrer Werkstatt im Anbau ihres Wohnhauses, durch dessen große Fenster man in den Garten schaut, stehen verschiedene Nähmaschinen bereit. „Wir wünschen uns zusätzlich eine Stickmaschine, mit der man zum Beispiel Namen oder tröstende Worte auf den Stoff sticken kann“, schildert Lisa Schmidt. Doch noch betreiben die beiden Frauen ihre kleine Firma im Nebenberuf. Die genähten Stücke kosten zwischen 13 und 180 Euro. Darum haben sie mit Unterstützung der Bremer Existenzgründungsförderung Starthaus und der Plattform Startnext eine Crowd-Funding-Aktion für den Erwerb einer Stickmaschine angeschoben. „Bei der Aktion kann man zum Beispiel ein Stofftier für ein Hospiz spenden, sodass Hinterbliebene ein Erinnerungsstück erhalten können“, sagt sie.
