Er war ohne Zweifel der absolute Newcomer dieses Wettbewerbs und lieferte dennoch souverän ab. Erst vor rund einem halben Jahr stand der 24-Jährige bei den FT Blumenthal erstmals im Training, jetzt holte sich der ukrainische Gewichtheber Yevhenii Kontratiev bereits den norddeutschen Vizetitel in der Klasse bis 102 Kilogramm. Damit rundete er zugleich die hervorragende Bilanz der dreiköpfigen Blumenthaler Delegation ab. Denn am zweiten Wettkampftag lieferte auch der FTB-Nachwuchs ab. Tom Struwe wurde in Osnabrück unangefochten norddeutscher Meister bei den Kindern bis 40 Kilogramm und Mika Struve holte Silber in der Jugendklasse bis 67 Kilogramm.
Trainer Jan Struve war begeistert. "Die Meisterschaft war für uns ein voller Erfolg. Wir sind darüber sehr glücklich. Alle haben eine sehr gute Leistung gezeigt, was die drei mit ihren neuen persönlichen Bestmarken unterstrichen haben", sagte der amtierende deutsche Meister. Diese gute Bilanz ist umso bemerkenswerter, da alle drei in ihren jeweiligen Gruppen mit dem Gewicht zu kämpfen hatten.
Besonders erstaunlich war dabei der Auftritt von Yevhenii Kontratiev. Der 1,90-Meter-Hüne hatte in der Klasse bis 102 Kilogramm gemeldet, brachte beim obligatorischen Wiegen allerdings nur 96,9 Kilo auf die Waage. Zu wenig, um in dieser Klasse antreten zu dürfen. Um doch noch zu starten, half der Blumenthaler schließlich mit rund eineinhalb Litern Wasser nach, sodass er doch noch antreten konnte. "Natürlich ist er dann dauernd auf die Toilette gerannt, aber das hat ihm offenbar nicht geschadet", sagte Struve schmunzelnd.
Zuvor herrschte bei dem FTB-Trainer schon eine gewisse Anspannung, konnte er die Leistungsstärke seines neuen Schützlings doch nur schwer einschätzen. Denn im Training ging die Spanne bei Kontratiev von nicht einmal 70 Kilo bis über 90 Kilo. "Wir waren schon unsicher, ob das bei seinem ersten Wettkampf klappt, zumal er aufgeregt ohne Ende war", sagt Struve. Doch der gebürtige Ukrainer bewies, dass er das Training gut genutzt hatte. Denn gerade im technischen Bereich ist noch reichlich Luft nach oben. Als langjähriger Ringer besitzt er bereits eine ausgeprägte Athletik und Schnelligkeit sowie eine enorme Grundstärke. Beim damaligen Krafttraining hatte er dann spaßeshalber mal eine 200-Kilo-Hantel vom Boden abgehoben. Doch er wollte mehr als dieses sogenannte Kreuzheben. Im Video sah er dann, wie ein Profisportler eine solche Last technisch ausgefeilt über den Kopf brachte und schon war ihn ihm das Feuer für das Gewichtheben entflammt.
Das alles erfuhr Struve erstmals während der norddeutschen Titelkämpfe dank der Übersetzung der dort anwesenden anderen ukrainischen Starter. "Noch ist eine Unterhaltung auf deutsch schwierig, wir haben uns dann eben mit Händen und Füßen verständigt", erklärt Struve. In sportlicher Hinsicht sprachen seine Leistungen jedoch für den Neu-Blumenthaler. Im Reißen lieferte er drei gültige Versuche ab und lag mit 100 Kilo bereits vor seinem ärgsten Konkurrenten um die Silbermedaille, Zach Rabinowitz, der 97 Kilo verbuchte. Deutlich auf Rang eins lag nach der ersten Disziplin der erfahrene Vladislav Denzel vorn (110 Kilo), doch selbst dem Favoriten kam Kontratiev noch sehr nahe. Denn im Stoßen ließ er Denzel hinter sich. Im zweiten Versuch hatte Kontratiev 135 Kilo gemeistert, der Hamburger lediglich 128 Kilo. Lediglich drei Klo trennten den Blumenthaler (235 Kilo) in der Gesamtsumme also vom neuen norddeutschen Meister Denzel (238), Zach Rabinowitz folgte mit insgesamt 232 Kilo auf Rang drei.
"Das war ein toller Einstand von Yevhenii, aber ich denke, das war erst der Anfang. In ihm steckt ein enormes Potenzial, das werden wir jetzt aus ihm herausarbeiten, dann können wir im nächsten Jahr dann vielleicht die Norm für die deutschen Meisterschaften in Angriff nehmen", sagt Jan Struve.
Für den FTB-Trainer sollte es tags darauf aber noch mehr Grund zur Freude geben. Denn auch seine Söhne setzten zwei Glanzlichter. Dabei hatte auch Mika Struve mit seinem Startgewicht zu kämpfen. Mit 61,9 Kilo lag er exakt 900 Gramm über dem Maximum seiner angepeilten Gruppe. "Das ist nur äußerst schwer, innerhalb der kurzen Zeit abzukochen und hätte viel zu viel Kraft gekostet", sagte Struve senior. So startete der 13-Jährige eine Etage höher in der Klasse bis 67 Kilo. Klar, hatte er dort als "Leichtgewicht" Nachteile, die er jedoch mit seiner Technik und seinem Kampfgeist wettmachte.
Im Reißen lautete sein Fahrplan 40, 45 und 47 Kilo in den drei Versuchen. Bei den gelungenen 45 Kilo hatte Mika bereits seine alte Bestmarke um fünf Kilo gesteigert, die 47 Kilo brachte er dann nicht mehr sicher hoch. So lag er zu diesem Zeitpunkt hinter Vlad Moor, der 50 Kilo gemeistert hatte. Im Stoßen konnte der Blumenthaler aber seine Stärke ausspielen und lieferte in seinem dritten Versuch 60 Kilo ab, während Moor nur auf 57 Kilo kam. Insgesamt blieb er damit zwar auf Rang zwei, lag aber in der Sinclair-Wertung mit 149,7:147,53 vor seinem schwereren Kontrahenten. Diese Sinclair-Wertung setzt das gehobene Gewicht mit dem Körpergewicht in Relation. Jan Struve war vollauf zufrieden: "Die Bestleistung im Reißen um fünf und im Stoßen um zehn Kilo innerhalb von zwei Monaten gesteigert – das ist schon sehr stark."
Als klarer Favorit ging sein jüngerer Sohn Tom (10) in der Klasse bis 40 Kilo an den Start und lieferte souverän ab. Aus Krankheitsgründen hatte sich die Teilnehmerzahl in dieser Konkurrenz etwas reduziert. Im Reißen bestätigte er seine Bestmarke von 26 Kilo, scheiterte danach aber an den 28 Kilo. Im Stoßen konnte er seine Höchstmarke um drei Kilo auf 35 Kilo steigern. Damit lag er in der Endabrechnung klar vorn. Noch erfreulicher war, dass er zudem die Sinclair-Wertung der gesamten Kinder-und Schülergruppe für sich entschied. Mit 133,68 Punkten war er meilenweit von der Konkurrenz entfernt und freute sich sehr über diesen Sonderpokal.