Alles ist abgeriegelt, jeder Weg versperrt: Polizeiautos stehen mitten auf der Straße, weiß-rotes Absperrband ist über Bürgersteige gespannt. Die Beamten sagen, dass jetzt kein Durchkommen ist. Die Hermann-Fortmann-Straße gleicht an diesem Donnerstagmorgen einem Sperrgebiet. Anwohner der Grohner Düne haben einen Brand in einem der Wohnblöcke gemeldet. Dunkle Rauchwolken steigen aus einer der oberen Wohnungen auf. Immer mehr Feuerwehr-, Polizei- und Krankenwagen fahren vor. Es ist ein Großaufgebot.
Die Helfer gehen zu diesem Zeitpunkt von vielen Menschen aus, die notärztlich behandelt werden müssen. Um halb elf stehen drei Rettungswagen vor der Grohner Düne und zehn weitere beim Haven Höövt. Auch ein Bus der Feuerwehr, der beinahe so aussieht wie der eines Reiseunternehmens, trifft ein. Es ist ein sogenanntes Großraumrettungsfahrzeug. Später wird Feuerwehrsprecher Michael Richartz sagen, dass die Einsatzkräfte von einem "MANV" ausgehen mussten. Das Kürzel steht für Massenanfall von Verletzten. In den Grohner Wohnblocks leben 1700 Menschen. Die mehrgeschossigen Gebäude stehen dicht an dicht.
Es ist kurz nach elf, als Richartz vor die Kameras der Fernsehteams tritt und erklärt, dass der Brand unter Kontrolle ist. Mehr als eine Stunde lang sind die Helfer zu diesem Zeitpunkt im Einsatz. Richartz spricht davon, dass eine Wohnung im 13. Stock komplett ausgebrannt ist. Dass Einsatzkräfte nun vorsorglich von Etage zu Etage gehen, um das Gebäude noch einmal zu kontrollieren. Und davon, dass mehrere Menschen aus dem Wohnblock an der Bydolekstraße von zwei Feuerwehrtrupps unter Atemschutz gerettet und von Ärzten behandelt werden mussten. In dem Gebäude, das evakuiert wurde, wohnen rund 30 Mietparteien.
Auch Yavuz Kösten gibt Interviews. Er sagt, dass er einer der Anwohner ist, die das Feuer gemeldet haben. Um elf Minuten vor zehn war das. Kösten zeigt die Anrufliste auf seinem Smartphone. Seine Geschichte erzählt der 41-jährige Straßenbahnfahrer mehrmals: Im Garten seines Reihenhauses hat er gestanden, als die ersten Rauchwolken aufstiegen. Danach hat er sofort 112, dann die Nummer seiner Eltern gewählt. Seine Mutter und sein Vater wohnen im sechsten Stock des Wohnblocks, aus dem der Qualm kam. Kösten sagt, dass die ersten Einsatzkräfte nur wenige Minuten nach seinem Anruf vor Ort waren und sofort mit der Evakuierung begannen.
Kösten und sein Vater stehen neben Frauen und Männern, die immer wieder von Feuerwehrleuten angesprochen werden. Die Helfer wollen wissen, ob jemand Atembeschwerden hat. Alle aus der Gruppe sind Bewohner des geräumten Gebäudes. Sie schauen zu, wie Einsatzkräfte von einer Drehleiter aus das Feuer bekämpfen und wie Helfer mit Sauerstoffflaschen aus dem Wohnblock kommen. Später wird jeder Mieter des Hauses von Ärzten untersucht – manche im Großraumrettungsfahrzeug der Feuerwehr, andere im Foyer des Kulturbahnhofs. Frauen und Kinder ohne Schuhe und Jacke sitzen dort. Die Helfer haben Foliendecken über sie gebreitet.
Untersuchung von 32 Personen notwendig
Am frühen Nachmittag zieht die Feuerwehr- und Rettungsleitstelle schließlich Bilanz: Vier Bewohner mussten während der Evakuierung des Wohnblocks gerettet werden. 32 Frauen, Männer und Kinder wurden von Notärzten untersucht. Ein halbes Dutzend Menschen musste in umliegende Kliniken stationär behandelt werden, eine Person ambulant. Alle hatten sogenanntes Rauchgas eingeatmet. Sämtliche Krankenhäuser waren vorsorglich verständigt worden. Gehen die Einsatzkräfte von einem Massenanfall von Patienten aus, passiert die Alarmierung der Kliniken automatisch. Genauso wie die Aufstockung des Personals, das ausrückt.
Nach Angaben von Feuerwehrsprecher Richartz waren am Ende rund 100 Kräfte im Einsatz – und nicht nur die Wachen eins, fünf und sechs alarmiert worden, sondern auch mehrere Ortswehren: Die freiwilligen Helfer kamen aus Blumenthal, Schönebeck, Oberneuland, Huchting und Lehesterdeich. Momentan gehen die Ermittler davon aus, dass der Brand in der Küche ausgebrochen war. Der Schaden wird auf 60 000 Euro geschätzt. Die meisten Bewohner konnten am Nachmittag in ihre Wohnungen zurückkehren.
++ Diese Meldung wurde zuletzt um 19.39 Uhr aktualisiert. ++