Ich gehöre zwar nicht zu den Frauen, die sehr viel Lippenstift an die Kollegen verschwenden. Aber die Weihnachtsfeier im Büro steht kurz bevor und da möchte niemand negativ auffallen. Deshalb sitze ich nun beim Friseur und spreche mit einer erfahrenen Hairstylistin über – „meine Haarsituation“.
Meine Haare sind schulterlang. Jedenfalls die meisten von ihnen. Der Rest ist irgendwo in Ohrenhöhe abgebrochen. Friseurin Kathrin nennt meine Haarsituation schwierig. Meine Mutter formuliert es regelmäßig etwas deutlicher: „Lass Dir doch die dünnen Ziepen mal abschneiden. Kurz steht Dir wesentlich besser.“
„Wie hätten Sie Ihre Haare denn gern?“, fragt Kathrin freundlich. Und ich sage: „Lang.“ Kathrin zieht die Augenbrauen hoch bis zum Haaransatz und ruft: „Irina, kommst Du bitte mal – wir haben hier wieder so einen speziellen Fall!“
Kollegin Irina kommt, sieht den Spezial-Fall, und geht wortlos weg. Als sie zurückkommt, stellt sie mir eine Reihe Haarpflegeprodukte vor die Nase, von denen keins Wunder wirkt. Ich müsse mindestens drei Monate warten, bis was auf meinem Kopf passiert, sagen die Fachfrauen. Das geht nicht. Dann ist die Weihnachtsfeier vorbei.
„Und wenn Sie mir ein paar blaue Strähnen färben? So ein bisschen moderner. Das wäre doch vielleicht mal was…“ Kathrins Blick ist voller Mitleid: „Das sind Sie aber doch gar nicht!“
Wir schweigen eine Weile einträchtig und ich denke darüber nach, wer ich bin. „Ginge Toffee?“ Kathrin versteht nicht sofort. „Na, dieses Braunblond, das Jennifer Lopez mal hatte“, erkläre ich. Kathrin schaut mich nun auf eine Art an, bei der mir schlagartig klar wird, dass ich auch nicht Jennifer Lopez bin. So gar nicht. Leider.
Als wir eine Stunde später das Ergebnis ihrer Arbeit im Spiegel betrachten, sehe ich zwar keine große Veränderung. Kathrin sagt aber: „Wenigstens ist jetzt wieder alles schön frisch.“
Genau das, fällt mir ein, hat kürzlich auch der Maler gesagt, nachdem er mit den Wänden in unserem Wohnzimmer fertig war. Bei der Grundsanierung.