Niklas Mechau durfte es machen. Der Rückraumschütze der HSG Schwanewede/Neuenkirchen nahm den selbstklebenden Vereinssticker und hämmerte ihn mit vier kräftigen Schlägen auf den Zettel an der Kabinentür. Es ist bei den „Schwänen“ ein Ritual, jeden Sieg in der Handball-Verbandsliga auf diese Art zu zelebrieren. Nach einer fast elfwöchigen Durststrecke mit 1:15 Punkten war es soweit: Der 41:23 (22:10)-Heimerfolg gegen den TV Dinklage durfte gefeiert werden. Im zwölften Saisonspiel ist es der Sticker Nummer drei, der nun auf dem Zettel der „Schwäne“ klebt.
„Ist das geil?“ hatte schon kurz nach dem Abpfiff HSG-Rückraumspieler Kevin Ritter seinen Trainer Thorben Kruse gefragt. Damit meinte er nicht die frisch geöffnete Flasche isotonisches Kaltgetränk, die er seinem Coach in dem Moment reichte. Vielmehr war es das Potpourri aus Verletzungspech, zwei Roten Karten, eines ungeplanten Comebacks, einer unfassbaren Torwartleistung und unbändigem Kampfgeist, das Ritter und Co. nach einer emotionalen Berg- und Talfahrt von einer riesigen Last befreite. Dem Ende der Schwaneweder Pleitenserie war zunächst eine Hiobsbotschaft vorausgegangen, da sich Rechtsaußen Timon Winter im Abschlusstraining tags zuvor ein Außenband im Fuß gerissen hatte. Da mit Lukas Neumann noch ein Rechtsaußen fehlte und Schlussmann Jannis Nowitzki kränkelte, ließ Thorben Kruse sicherheitshalber zwei Plätze auf dem Spielbericht frei und postierte eine Reihe von Wechselalternativen auf der Tribüne. „Ich musste pokern“, erklärte der HSG-Trainer.
Er erlebte einen Start seines Teams, wie er besser kaum verlaufen konnte. Denn als die Gäste nach gut acht Minuten zum Team-Timeout griffen, lagen die „Schwäne“ bereits mit 8:2 in Front. Schon bis dahin hatte HSG-Torwart Jan Tholen den Gegner mit fünf Paraden zur Verzweiflung getrieben. „Die Jungs vor mir waren extrem gut“, reichte er das Lob unmittelbar an seine Abwehr weiter. Tholen hatte im Vorfeld zwar wie immer die Wurfbilder der Dinklager studiert, dabei aber nur wenig Greifbares entdeckt. „Die werfen sehr variabel“, so der Mann mit rötlichen Bart. Ja und? Dann musste es bei ihm halt die Intuition und die Routine richten. Was Tholen nicht erwähnte, war, dass er mit Knieproblemen ins Match gegangen war. „Die sollte er immer haben“, flachste Thorben Kruse ob der starken Leistung seines Keepers.
Nach Schmunzeln war dem HSG-Trainer weniger zumute, als aus seinem Team mit Kevin Ritter und Jonas Keller frühzeitig zwei wichtige Spieler per direkter Rote Karte (ohne Bericht) auf die Tribüne geschickt wurden. Ritter hatte seinen Gegenspieler bei einer Abwehraktion unbeabsichtigt im Gesicht getroffen (10.), Keller seinem Gegner wiederum von hinten in den Arm gegriffen (20.).
Ergo ließ der HSG-Trainer Niklas Mechau auf dem Spielbericht nachtragen, der damit nach seinem Kreuzbandriss Ende Januar dieses Jahres vor seinem Comeback stand. „Geplant war es nicht“, verriet Kruse. Der große Blonde kam jedoch zunächst nicht zum Einsatz, weil bei den „Schwänen“ weiterhin alles wie am Schnürchen lief und sie sich mit der 22:10-Pausenführung für ihren Kampfgeist und ihr hohes Tempo belohnten. Nach exakt 40 Minuten und 28 Sekunden war es soweit: Niklas Mechau betrat unter dem Sonderapplaus von der Tribüne erstmals das Spielfeld. 54 Sekunden später beförderte er die Lederkugel auch schon per Sprungwurf zum 31:15-Vorsprung ins gegnerische Netz. Ein herausgeholter Siebenmeter, ein Fehlwurf, ein technischer Fehler und eine Zeitstrafe schlugen letztlich in seiner sechseinhalbminütigen Einsatzzeit zu Buche.
Die „Schwäne“ hatten sich indes rechtzeitig in Partylaune geworfen, da bei ihnen nur einen Tag später die Weihnachtsfeier des Vereins anstand.