Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Astronautin im Interview „Ich möchte gucken, was da draußen ist“

Insa Thiele-Eich hofft, im Jahr 2020 als erste deutsche Astronautin ins Weltall zu fliegen, dafür trainiert sie derzeit hart. Jetzt spricht sie anlässlich der Graduation-Feier an der Jacobs University.
05.06.2019, 17:54 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Iris Messerschmidt
Frau Doktor Insa Thiele-Eich, zur Graduation-Feier am 7. Juni sind Sie als Gastrednerin an die Jacobs University in Grohn eingeladen. Welches Thema wollen Sie dort behandeln?

Insa Thiele-Eich: Der Titel lautet „We are all made of stars“ – hauptsächlich geht es darum, den Absolventinnen und Absolventen einen kleinen Einblick in den Alltag einer Astronautin zu geben.

2017 haben Sie das Training für den Flug ins All 2020 aufgenommen. Wann wissen Sie denn, ob Sie ins All fliegen?

Ob meine Kollegin Suzanna oder ich fliegen, entscheidet sich circa neun Monate vor dem Start zur Raumstation – erst mal brauchen wir aber noch die endgültige Finanzierung.

Wann reifte denn überhaupt der Wunsch in Ihnen, ins All zu fliegen?

Als ich acht Jahre alt war, hat mein Vater mir die sogenannte Andromeda-Galaxie am Himmel gezeigt, die so weit entfernt ist, dass ihr Licht Millionen Jahre zur Erde braucht. Es hat mich fasziniert, etwas zu sehen, was eigentlich gar nicht mehr da ist. Dieses Erlebnis hat auf jeden Fall den Wunsch in mir geweckt, zu gucken, wer oder was da draußen vielleicht noch ist.

Was genau beinhaltet das Training?

Ich habe zum Beispiel im Sommer 2018 meinen Flugschein gemacht, das war eine sehr intensive Zeit. Den Flugschein brauche ich nicht etwa, um die Rakete zu fliegen. Es soll vielmehr das Bewusstsein für unsere Situation und die Gefahr geschärft werden. Bevor man ein Flugzeug startet, gibt es Checklisten, die man durchgeht. Dieses Vorgehen braucht man in der Raumstation auch. Bei einem Trainingsflug hatte ich einen der Punkte übersehen. Ich habe dadurch gelernt, dass ich die Checklisten lieber zweimal durchgehe, wenn es um etwas Essenzielles geht.

Trainieren Sie noch weiter?

Gerade stecke ich mitten im Tauchtraining und mache meinen Tauchschein in Vorbereitung auf eine Tauchkampagne, die Ende Juni in Marseille stattfindet. Dort ist unter Wasser eine Mondlandschaft und Gerätschaften aufgebaut, wir lernen, uns unter Wasser in schweren Raumanzügen zu bewegen und kleine Experimente durchzuführen.

Sie sind verheiratet, haben drei Kinder. Was sagt denn Ihre Familie zu Ihren Plänen?

Für die Kinder ist mein Beruf erst einmal nicht ungewöhnlich – Opa ist ja schließlich auch Astronaut.

Sie sind Meteorologin, betreiben Grundlagenforschung für eine verbesserte Wetter- und Klimavorhersage. Inwieweit wäre solch ein Flug ins All für Ihre Forschung hilfreich?

Die momentan geplanten Experimente sind meist humanphysiologischer Natur, bei denen ich nicht denke, dass sie direkten Einfluss auf meine bisherige Arbeit haben werden. Aber noch ist nicht jedes Zeitfenster gefüllt, und vielleicht ergibt sich noch ein Experiment, beispielsweise zur Erdbeobachtung. Die erfolgt bisher meist von Satelliten, aber es gibt erste Ideen, auch einmal unterstützende Experimente hierzu von der Raumstation aus durchzuführen.

Das Jahr 2020 ist ja nicht mehr weit entfernt. Wissen Sie schon, von wo aus der Start ins All geplant und wer ebenfalls in der Crew ist?

Momentan ist ein Slot für Ende 2020 im Gespräch, bei dem wir vom Cape Canaveral aus starten würden – allerdings ist weder Crew, Zeit noch Ort zu hundert Prozent sicher, da wir sehr davon abhängig sind, welche Fortschritte die kommerziellen Anbieter SpaceX und Boeing mit ihren astronautischen Programmen diesen Sommer erzielen.

So spannend der Flug ins All sein mag, ganz ungefährlich ist er nicht. Immerhin finden sich diverse Raumfahrt-Katastrophen, von 1966 bis 2018, bei denen Menschen sowohl beim Start als auch bei der Landung verletzt, getötet oder beinahe getötet wurden. Schwingt dieser Gedanke mit? Gibt es da einen Funken von Angst, dass etwas passieren könnte, oder schiebt man diesen Gedanken einfach beiseite?

Natürlich habe ich manchmal auch Angst – die schiebe ich nicht einfach beiseite, sondern nehme dieses Gefühl erst mal ernst. Lähmen tut sie mich aber nicht, dennoch habe ich Respekt vor der technischen Leistung, die dahintersteckt, einen Menschen sicher ins All und wieder zurückzubefördern.

Gibt es eigentlich in dieser Hinsicht auch Betreuung während des Astronauten-Trainings, oder gibt es besondere Vorgaben, welche Vorbereitungen man treffen muss für den Fall der Fälle?

Bisher noch nicht, wobei zur flugmedizinischen Betreuung durchaus auch eine psychologische Betreuung zählt. Ich habe ja das Glück, dass ich durch meinen Vater sehr raumfahrtaffin aufgewachsen bin, deswegen habe ich durch ihn schon mitbekommen, welche Vorbereitungen man für den Fall der Fälle treffen kann und sollte. Aber sich mit dem eigenen Tod auseinandersetzen sollte man auch, ohne dass man ins All fliegt – sagt die Astronautin, die seit acht Jahren ein Testament machen will und immer noch keines hat.

Sprechen Sie mit Ihrem Mann über solche Möglichkeiten und wie es dann in ihrer Familie weitergehen sollte?

Natürlich. Alles andere wäre in meinen Augen unverantwortlich. Ich verspreche den Kindern auch nicht, dass ich auf jeden Fall zur Erde zurückkehre – das kann ich doch gar nicht.

Ist es eigentlich heutzutage immer noch eine Besonderheit, als Frau ins Weltall zu reisen?

Leider schon – besonders in Deutschland. Elf deutsche Männer sind schon ins All aufgebrochen, noch keine deutsche Frau. Natürlich sind schon Frauen ins All geflogen, aber im Verhältnis zu den männlichen Astronauten sind wir noch weit weg von der Parität.

Was würden Sie jungen Frauen raten, wenn diese mit dem Wunsch an Sie herantreten würden, Astronautinnen werden zu wollen?

Wichtig ist ein Interesse, noch besser echte Neugierde, für MINT-Themen. In jedem Fall aber würde ich raten, durchaus davon zu träumen, Astronautin zu werden – Träume sind ein toller Motor für das eigene Leben – aber diesen Beruf niemals als Plan A anzustreben. Dafür ist der Weg einfach zu lang, steinig und ungewiss. Auch bei mir ist es ja noch nicht sicher, ob sich mein Traum erfüllt.

Das Interview führte Iris Messerschmidt.

Zur Person

Zur Person

Insa Thiele-Eich (36),

geboren in Heidelberg, ist Meteorologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn. Sie ist Gastrednerin der diesjährigen Graduation an Jacobs University, die am Freitag stattfindet. Insa Thiele-Eich betreibt Grundlagenforschung für eine verbesserte Wetter- und Klimavorhersage und untersucht zum Beispiel den Wasser- oder Energieaustausch zwischen Boden, Vegetation und Atmosphäre. Sie hat Meteorologie an der Universität Bonn studiert. Thiele-Eich ist verheiratet, Mutter von drei Kindern und lebt in Königswinter.

Info

Zur Sache

Ein Projekt bringt Frauen ins All

Die Initiative „Astronautin“ rief Claudia Kessler im Jahr 2016 ins Leben. Im April 2017 wurden in Kooperation mit dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Airbus zwei Kandidatinnen ausgewählt. Die beiden Doktorinnen Insa Thiele-Eich und Suzanna Randall haben im August 2017 ihr Training für den Flug ins All im Jahr 2020 begonnen. Der Gesamtumfang des Projektes liegt bei circa 50 Millionen Euro. „Die Astronautin“ will gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zeigen, dass die kommerzielle Raumfahrt immer wichtiger wird. Die Chancen solch einer unabhängigen Mission seien vielfältig: von der freien Planung von Partnerschaften und Kooperationen bis hin zum Aufbau der Mission selbst. Diese Mission soll zudem junge Mädchen und Frauen für die Raumfahrt, Naturwissenschaften, Mathematik und Technik begeistern – und zwar durch eine umfangreiche Bildungs- und Förderstrategie. Ebenso zentral sind Experimente auf der Internationalen Raumstation ISS, die wichtige wissenschaftliche Daten erheben sollen. Das Projekt erwartet neue Erkenntnisse zur weiblichen Physiologie und Psychologie. Und auch in den Bereichen Physik, Geowissenschaften und Klimaforschung befinden sich Experimente in Vorbereitung.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)