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Vegesack Ideen zur Befriedung der Grohner Düne

Vegesack. Seit zwei Jahren doktern die zuständigen Behörden an einem Handlungskonzept herum, das die Grohner Düne befrieden soll. Was dabei herausgekommen ist, wurde jetzt im Beirat Vegesack vorgestellt.
10.05.2013, 05:00 Uhr
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Ideen zur Befriedung der Grohner Düne
Von Patricia Brandt

Vegesack. Die Grohner Düne ist kein Ort reiner Friedfertigkeit. Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Streit zwischen den dort lebenden Großfamilien, Kriminalität, teils blutige Auseinandersetzungen. Seit inzwischen zwei Jahren doktern die zuständigen Behörden (vor allem Inneres und Soziales) an einem zusätzlichen Handlungskonzept herum, das die Düne befrieden soll. Was dabei herausgekommen ist, wurde jetzt im Beirat Vegesack vorgestellt. Offenbar weiß in Bremen auch nach zwei Jahren Konzeptarbeit noch niemand so genau, wie mit der Düne umzugehen ist. Einen Versuch ist es trotzdem wert.

Es sollte ein Projekt zum Umgang mit kriminellen Gruppierungen aus der Grohner Düne werden. Vorgestellt haben die Behörden diese Woche im Beirat Vegesack eine eher harmlos anmutende Variante. Die Worte "kriminell" oder "Clans" tauchen im Konzept "Pro Düne" nicht auf. Politisch korrekt ist stattdessen von "unerwünschtem Verhalten" und allenfalls noch vom "Rückgang interethnischer Gruppenkonflikte" die Rede.

Das ressortübergreifende Konzept "Pro Düne" blieb lange Zeit unter Verschluss. "Die Arbeiten an dem Konzept sind noch nicht abgeschlossen", hieß es noch im April aus dem Innenressort. Zu diesem Zeitpunkt war das, womit die Behörden vor Jahren angefangen haben, in der Tat längst überholt.

Denn die Bevölkerungsgruppe, die eine Zeit lang für Schwierigkeiten in der Düne gesorgt hatte, lebt dort nicht mehr. Die Mühlen in den Behörden mahlten langsam – zu langsam für Grohn. Das berichten Fachleute hinter vorgehaltener Hand, öffentlich sagt das natürlich niemand. Im Beirat war jetzt lediglich von einer "intensiven Vorbereitungszeit" die Rede. Die Fassung, die dem Stadtteil präsentiert wurde, trägt auch den eher allgemeinen Titel: "Modellprojekt zur Förderung der gesellschaftlichen Integration der Bewohner der Grohner Düne." Gemeint aber sind die kriminellen Großfamilien.

1500 Menschen aus 55 Nationen leben laut Behörde in dem Betonklotz. Darunter 120 auffällige Familienmitglieder. Dass sich das Zusammenleben hier so schwierig gestaltet, dafür gibt es aus Sicht der Projektinitiatoren mehrere Gründe. Uwe Hoffmann aus dem Innenressort spricht von einer hohen Armut in den Blocks. Die Bildungssituation vieler Heranwachsender sei zudem schwierig, die gesellschaftlichen Chancen der Bewohner werden deshalb eher als gering einzuschätzen sein. Mit Folgen.Doch:"Allein mit strafrechtlichen Maßnahmen kommt man hier nicht weiter."

Die Projektgruppe, die sich "ressortübergreifende Begleitgruppe" nennt, hat "strategische Handlungsfelder" umrissen. Das Projekt soll zum Beispiel helfen, die Sprachkenntnisse der Bewohner zu verbessern, um mehr und höhere Schulabschlüsse zu fördern. Es soll ehrenamtliches Engagement der Bewohner im Stadtteil unterstützen, und es soll das Angebots- und Hilfssystem vor Ort verbessern. So weit die Theorie. Für die Praxis sind zwei neue hauptamtliche Kräfte zuständig: Die Koordinatorin Sabine Bädecker und der Kulturmittler Aras Baban.

Der aus dem Irak stammende Sozialarbeiter Baban hat sein Büro schon vor Wochen bezogen – in unmittelbarer Nachbarschaft zum Quartiersmanagement. Der fünfsprachige Englischlehrer und frühere Langzeitarbeitslose wurde bisher öffentlich nicht vorgestellt. Denn so richtig wusste ja auch niemand, was er tun sollte.

Und auch Babans neue Chefin, die Kulturkoordinatorin Sabine Bädecker, war zu dem Zeitpunkt noch nicht gefunden. Seit Mai ist Sabine Bädecker im Amt. Die Architektin war bisher Bezirksingenieurin des Senators für Bau und Umwelt, ist aber seit 2011 als interkulturelle Multiplikatorin in der bremischen Verwaltung aktiv. Baban nutzte die Zeit. Er lernte Dünenbewohner kennen, hörte sich ihre Sorgen an und begleitete einige zur Behörde.

Bremen setzt in der Grohner Düne auf doppelte Strukturen. Denn mit dem Quartiersmanagement gibt es seit Jahren Hilfsangebote für Bewohner. Hier gibt es Unterstützungskurse und Beratungen, es werden Netzwerke in den Stadtteil geknüpft. Wo sich die neuen Angebote des Kulturmittlers und der -koordinatorin vom bisherigen abgrenzen, erschließt sich nicht.

Warum schafft Bremen Konkurrenz – statt bestehende Strukturen zu stärken? Fragen wie diese tauchten im Beirat nicht auf. Sozialzentrumsleiterin Beate Garbe beeilte sich dennoch zu sagen, dass sie große Hoffnung in das Pilotprojekt setze, gerade weil die Netzwerkarbeit im Bremer Norden schon so gut funktioniere. Doppelte Strukturen, ist wohl die Idee dahinter, bringen auch doppelten Nutzen.

Am Geld soll es laut Beate Garbe nicht scheitern. Weil das Pilotprojekt viele Väter hat, darf Sabine Bädecker als Koordinatorin für ihre künftigen Workshops und Kurse viele Geldhähne anzapfen. Das auf zwei Jahre angelegte und wissenschaftlich begleitete Pilotprojekt soll nicht nur den Steuerzahler belasten, es soll auch etwas bringen. Nach sieben Monaten steht laut Garbe ein erstes Controlling an. Eine Fortsetzung nach zwei Jahren gebe es nur im Erfolgsfall.

In zwei Jahren schaffen, was andere in zwei Jahrzehnten nicht geschafft haben? Detlef Scharf (CDU) scheinen zwei Jahre zu kurzfristig gedacht. Andere wie Cord Degenhard (Bürger in Wut) bezweifeln, dass das Projekt überhaupt funktioniert. "Was meinen Sie, was hier ab 2014 los sein wird? Es wird eine weitere Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien geben."

Es werde immer nur vorübergehende Lösungen geben können – meint FDP-Beiratsmitglied Rainer W. Buchholz. Denn durch die hohe Fluktuation in den mehr als 500 Wohnungen verändert sich auch die Struktur der Bewohnerschaft regelmäßig.

Der Kreis schließt sich: Die wechselnde Bewohnerschaft ist eines der großen Probleme der Grohner Düne. Das dürfte die "ressortübergreifende Begleitgruppe" schon gemerkt haben, als ihr die anvisierte Zielgruppe abhanden kam. Dass sie dennoch weitergearbeitet hat, sagt viel über Behörden, kann sich am Ende aber doch als positiv für den Stadtteil erweisen.

"Wenn man sich als Bewohner an die Spielregeln zu halten weiß, kommt man klar", hat die frühere Quartiersmanagerin Erika Storck-Treudler im Interview gesagt. Die Regeln stellt in der Düne aber bisher nicht der Staat auf, sondern immer jene Gruppe, die dort gerade den Ton angibt. Vielleicht gelingt es mit mehr Mittlern und Koordinatoren, diese Situation zu verändern. Dann wäre das Geld gut eingesetzt.

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