Wer zu den Bienen will, muss einen kleinen Gartenweg passieren. Meine Bienenkästen stehen ein wenig abseits, hinten beim Schuppen, damit sie niemanden stören. Die Bienen fliegen stets über die Hecke weg. Dann kommen sie schwer beladen mit Nektar und Pollen zurück. Der einzige, der stört, bin ich. Jungimker gucken ihre Bienen oft tot, heißt es, weil sie ständig den Kasten öffnen und dabei den Bienenhaushalt empfindlich stören. Der Alltag der Bienen besteht aus viel mehr als nur dem Schwänzeltanz, den Bienenforscher Karl von Frisch enträtselte und dafür einst den Nobelpreis bekam.
„Diese kleine Biene – ist das eine von unseren?“, fragt mein Sohn und deutet auf die duftenden, weit geöffneten Blüten eines Rosenstrauchs an der Terrasse. Mit Gewissheit lässt sich die Frage natürlich nicht beantworten, aber wahrscheinlich ist es schon, dass dies eine Pfadfinderbiene aus unseren Bienenkästen ist.
„Fünf Prozent eines Volkes sind Pfadfinderbienen“, schätzt der Bremer Imker Dieter Heidmann, der eine Menge über Honigbienen und ihre Biologie weiß. Pfadfinderbienen suchen Futterquellen. Wird diese vom Bienenvolk für gut befunden, sucht die Pfadfinderbiene eine kurze Flugstrecke und teilt diese den anderen Bienen mit – tanzend. Dafür sucht sie einen bestimmten Platz im Stock auf, den Tanzboden. Wenn man Glück hat, kann man diese Tänze manchmal in Schaukästen beobachten, wie am Lehrbienenstand des Bremer Imkervereins am Lür-Kropp-Hof in Oberneuland. Ich erinnere mich, dass ich sehr beeindruckt war, als ich das erste Mal einen dieser Tänze gesehen habe.
Wenn die Sonne scheint, herrscht von früh bis spät reger Flugbetrieb vor meinen beiden Kästen. Ich lege eine Hand auf den aufgewärmten Blechdeckel und lausche dem geschäftigen Summen. Die Biene lebt in ihrer eigenen Welt, in völliger Dunkelheit. Das Erstaunliche ist, das jede Biene offenbar trotzdem genau weiß, was sie zu tun hat.
Eine Arbeiterin übernehme im Laufe ihres Lebens gleich mehrere Berufe, berichtet Heidmann. „Es gibt die Putzerbiene, die die leeren Zellen reinigt.“ Aber auch die Baubiene, die Ammenbiene und die Heizerbiene, die das Klima reguliert (richtig wohl fühlen sich Bienen bei 35 Grad) und vorwiegend im Brutbereich arbeitet. „Sie heizt sich selbst durch Flügelbewegungen auf, um die Wärme an die Larven in den Zellen abzugeben.“ An sehr heißen Tagen kühlen die Bienen den Brutbereich, in dem sie Wasser auf den Waben verteilen. Deshalb rät der erfahrene Imker, immer dafür zu sorgen, dass die Bienen eine Wasserstelle in der Nähe aufsuchen können.
Es gibt noch viel mehr Bienenberufe. Über die Wächterbienen habe ich schon geschrieben, die den Eingang kontrollieren und dafür sorgen, dass keine fremden Bienen in den Stock fliegen. Meine Kinder waren entsetzt, als sie gehört haben, dass sich die Bienen, die ich am Tag der Abholung meines Mini-Volkes auf dem Vereinsgelände in Oberneuland zurücklassen musste (einige waren um die Zeit doch noch beim Honigsammeln), bei anderen Völkern mit Nektar und Pollen bei den Wächterbienen einbetteln mussten – oder allein zurückbleiben.
Am wichtigsten für das Volk ist die Königin, die von Arbeiterinnen mit Gelee Royal großgezogen und später von den Hofstaatbienen umsorgt wird. Ein Stoff, der auch von der Schönheitsindustrie genutzt wird. Eine Königin braucht für ihre Entwicklung 16 Tage. „3, 5, 8 – dann ist die Königin gemacht“, sagt Horst Wolfrum, einer der wenigen Bremer Bienenzüchter. So einfach sei das. In Wirklichkeit ist die Bienenzucht ein kompliziertes Geschäft.
Horst Wolfrum weiß alles über Kieler Begattungskästchen und Belegstellen. Er fährt regelmäßig mit seinen Bienenköniginnen zu den Nordseeinseln, um sie dort begatten zu lassen. Jede Insel sei für eine Bienenrasse reserviert. Dahinter stehe der Wunsch nach reinem Zuchtmaterial, erklärt Wolfrum. Inselköniginnen kosten bis zu 100 Euro. Sie sind bei Imkern sehr begehrt, weil sie als besonders sanftmütig gelten und ihre guten Eigenschaften auch an die Brut weitergeben.
Wenn ich meine beiden Völker durchsehe, bin ich immer froh, wenn ich meine Königinnen sehe. Dann weiß ich, alles ist okay. Auch, wenn die Königin das Volk nicht regiert, so sorgt sie mit 2000 Eiern pro Tag und der pheromonellen Steuerung für sein Fortbestehen. Die Königin fliegt in ihrem Leben meist nur einmal aus, zu ihrem Hochzeitsflug. Dabei wird sie bis zu 20 Mal begattet, bis ihre Sperma-Thek voll ist, sagt Horst Wolfrum. „Es gibt einen Drohnen-Sammelplatz. Wir wissen nicht wo, aber die Königinnen wissen es.“
Die Eier, die Stifte, sind zunächst so winzig, dass ich sie bei meinen ersten Kontrollen überhaupt nicht gesehen habe. Einmal pro Woche, so wurde es uns im Imkerkursus geraten, soll der Imker nach seinen Bienen schauen. Im Sommer guckt er vor allem, ob die Bienen schwärmen wollen. Dann verlässt die alte Königin ihr Zuhause und nimmt einen Teil ihres Volkes mit. Das zurückbleibende Volk zieht sich eine neue Königin heran. So wird das Volk unsterblich.
Dass Bienen schwärmen, passiert immer wieder. Kürzlich hat ein Bienenschwarm die Autobahnpolizei Sittensen im Landkreis Rotenburg beschäftigt. Die rund tausend Tiere hatten einen Stopp bei einem Fast-Food-Restaurant eingelegt: auf einem dort abgestellten Auto.
Ein Bienenschwarm gilt als grundsätzlich friedlich, man muss ihn nur einfangen. Das ist schwierig, wenn der Schwarm, wie neulich in Lesum, wie eine Traube an einem Baum hängt – acht Meter über dem Boden. Es gibt Bienenforscher, die davon überzeugt sind, dass die Bienen dort oben demokratisch abstimmen, wohin sie ziehen.
Wir leben jetzt mehr mit der Natur. Neulich hätte mein Mann fast die Ligusterhecke rasiert, bis wir sahen, dass sich die Hecke bewegte... Vielleicht klingt das ein wenig seltsam, aber manchmal verfolge ich meine Bienen regelrecht. Es interessiert mich einfach zu wissen, auf welche Pflanzen sie stehen. Die Rose mit den ungefüllten Blüten war der Hit. Der ganze Rosenbusch zitterte über Tage, so voll war er mit Bienen. Dann waren die Bienen offenbar mit der Rose fertig, denn es herrschte plötzlich wieder Stille an der Terrasse.
Dafür summt jetzt das Lavendelbeet meines Nachbarn. Er meinte schon im Scherz, er werde demnächst Zoll für die Bienen berechnen. Ich hoffe, dass ein Glas Honig reicht. „Ich muss das mal durchrechnen. Helfen würde, wenn du mit Tippex auf jeder deiner Bienen einen weißen Punkt machst. Sonst rechne ich vielleicht Fremde mit ein...“
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Bienen rücken immer mehr ins Blickfeld. Imkern ist in. Doch wie wird man zum Imker? Wie kommt man an Honigschleuder und Schleier, wie an die Bienen? Antworten gibt diese Artikelreihe. In lockerer Folge berichte ich über meinen Weg zum eigenen Volk.