Guten Morgen Herr Hacke. Wer nach Ihrem Namen im Internet sucht, erhält sofort eine beeindruckende berufliche Vita: angefangen nach Diplom als Schauspieler, geht es weiter mit preisgekrönter Kabarettist, Comedian, Poetry-Slammer, Regisseur, Lehrer. Ist dies eher dem Zufall geschuldet? Oder ist man als Schauspieler sowieso auf Vielseitigkeit eingestellt?
Florian Hacke: Beides trifft zu. Also ich glaube, die meisten Leute in dem Beruf der Schauspielerin oder des Schauspielers sind offen für alles. Grundsätzlich geht es immer um das Geschichten erzählen, das Medium ist da eher zweitrangig. Für mich war es schon immer toll, auf den verschiedenen Bühnen zu stehen, sei es nun mit Schillers Werken, als Musical-Darsteller, im Theater oder vor der Kamera, als Regisseur oder als Lehrer.
Was sind denn Ihre Aufgaben als Dozent an der Joop van den Ende Academy in Hamburg?
Leider ist die Academy mittlerweile geschlossen worden. Ich war Dozent für Szenenstudien und habe dort Dialoge und Monologe angeleitet.
Sie haben eine sehr angenehme Stimme, da könnten sie auch als Synchronsprecher arbeiten.
Vielen Dank. Das habe ich sogar mal gemacht (lacht). Allerdings ist die Arbeit als Synchronsprecher zeitlich gesehen schwierig, weil man da relativ spontan antreten muss. Synchronsprechen ist dazu eine sehr anspruchsvolle Aufgabe.
Wie bekommen Sie die vielfältigen Aufgaben überhaupt zeitlich unter einen Hut?
Den Kalender sehr, sehr gut pflegen. Meine Frau arbeitet Vollzeit – der Familienkalender ist das Herzstück unserer Planung.
Die Pause durch den Lockdown war für Sie insofern nichts Neues, als Sie ja schon 2016 und 2018 für Ihre Kinder langfristig in Elternzeit waren. Damals entstand der erste Stand-up-Comedy-Abend „Hasenkind du stinkst“, mit dem sie zahlreiche Preise abräumten. Was ist während der erzwungenen Corona-Pause entstanden?
Also an dem neuem Abend schreibe ich schon seit einem Jahr, weil wirklich wenig Zeit war. Schließlich haben wir zwei kleine Kinder, die betreut werden mussten, und meine Frau ist im Referendariat. Selbst meine Agentin meinte: Ist doch fast praktisch, wenn schon Lockdown, dann wenigstens jetzt. Nun ja, ich hatte auch gut zu tun, wenn nämlich wochenlang die Kita zu ist, kommt man als Zuhause agierendes Elternteil zu nichts. Meine Kinder und ich, wir haben uns das trotzdem schön gemacht: gebastelt, gemalt, stundenlang im Sand gebuddelt.
Für „Hasenkind du stinkst“ wurden Sie hoch gelobt. Zum einen, weil es bissiger Humor gewesen sei, mit dem Sie aus dem Leben eines Baby- und Kleinkindvaters erzählten. Zum anderen aber auch, weil Sie gezeigt hätten, dass jede Realität eine witzige Seite hat. Ist das wahr? Sieht Florian Hacke in allem die witzige Seite, übernimmt das für die Bühne und was sagt die Familie zu dieser Einstellung?
Es ist unbedingt wichtig, in allen Dingen Humor zu entdecken. Es ist vor allen Dingen auch hilfreich, um manche Dinge überhaupt aushalten zu können. Es ist wichtig, dass man das Vermögen hat, Dinge in ihrer Vieldeutigkeit anzuerkennen, das Lustige neben dem Schwierigen zu entdecken. Die meisten Dinge haben sehr viele Seiten, die sich zu betrachten lohnen. Als Beispiel: Meine Schwiegermutter hat während des Lockdowns bei uns gelebt. Da habe ich einen zweistündigen Comedy-Abend über sie geschrieben. Sie weiß darüber Bescheid. Der wird aber erst nach ihrem Tod veröffentlicht. Meine Familie findet das gut, ich frage auch manchmal explizit nach, wenn ich etwas über die Familie auf der Bühne veröffentlichen möchte. Kommt kein Nein, dann ist es im Programm.
Jetzt ist also der Lockdown überstanden, es geht wieder auf Tour. Das heißt aber gleichzeitig, wieder längerer Abschied von Zuhause. Was werden Sie am meisten vermissen?
Ich habe gelernt, dass es eine sehr, sehr feine Balance einzuhalten gilt. Das heißt, wenn ich nur zuhause bin, langweilige ich mich schnell. Wenn ich nur unterwegs bin, vermisse ich mein Zuhause. Aus diesem Grund habe ich einen Tourplan, der dieser Balance Rechnung trägt, will heißen, ich bin so viel unterwegs, dass es mich ausfüllt, und so viel Zuhause, dass ich nicht das Gefühl habe, ich verpasse etwas. Dabei hilft mir, dass ich als Solo-Selbstständiger die Möglichkeit habe, meine Termine so zu blocken, dass ich zum Beispiel bei ausgewählten Feiern dabei sein kann. Ich bin ja sozusagen ein „Ein-Mann-Betrieb“, also alleine auf der Bühne. Was allerdings auch einsam ist, wenn ich im Hotel übernachten muss, denn dann vermisse ich meine Familie ganz wahnsinnig.
Sie präsentieren im Vegesacker Kito Ihr neues Solo-Programm „Nichts darf man mehr“. Was steckt dahinter?
Wir leben in einer Zeit, in der so viel sagbar ist, wie noch nie – schließlich leben wir ja nicht mehr 1950, sondern 2021. Gleichermaßen ist in der Gesellschaft das Gefühl gewachsen, dass man gar nichts mehr sagen darf. Diese Ambivalenz von Sein und Fühlen, die finde ich total spannend. Ich merke auch, wenn ich jetzt schon einzelne Teile des Programms vor Publikum präsentiere, dass sich viele Menschen schon damit beschäftigt haben. Aber es ist auch anstrengend, sich die eigene Verantwortung einzugestehen. Als Beispiel: "Corona kommt aus einem Labor in China – Punkt." Das wäre wahnsinnig einfach und bequem eindeutig. Dass menschengemachter Klimawandel, Urwald-Rodung und unser Konsumverhalten Schuld sein könnten – diese Pluralität ist halt wahnsinnig anstrengend. Schon Goethe sagt „Zuwachs an Kenntnis ist Zuwachs an Unruhe“. Dabei ist Kenntnis eigentlich etwas Tolles und Unruhe ein okayer Preis dafür.
Sie sprachen davon, Teile des neuen Programms ausprobiert zu haben. Wie war das Echo?
Bislang durchweg positiv. So eine Probe ist ein spannender Prozess. Denn oft haben Dinge auf der Bühne vor dem Publikum eine andere Resonanz, als ich mir dies allein Zuhause so vorgestellt habe. Da probiere ich in sogenannten Mixshows das eine oder andere aus, und passe es entsprechend dem Publikumsecho an. Im Übrigen: Im Kito werden die Besucher die Premiere erleben, da werde ich das neue Solo-Programm zum ersten Mal im Ganzen präsentieren.