Splitterndes Holz, eine Kutterikone und starke Nordbremer Puller: Das waren die Zutaten für ein erfolgreiches Rennwochenende auf der Kieler Förde. Angereist mit vier Vegesacker Kutterpullteams konnten drei die begehrten Trophäen mit nach Hause nehmen. Dabei lief beim härtesten sportlichen Wettkampf im Rahmen der Kieler Woche nicht alles wie geplant. Angetreten waren drei Teams des Vereins Maritime Tradition Nautilus (MTV): die Damen von den Haven Filous, die Herren des Team Horizont sowie eine Mixed-Gruppe, bestehend aus Mitgliedern der Reusenrammer und 28757 Kutterpullen Vegesack. Auch die Vegesacker Jungs des gleichnamigen Kutterpullvereins waren nach Kiel gereist. Für das Team Horizont lautete das gesetzte Ziel, den Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. 2022 hatten sie den ersten Rang in Rekordzeit belegt.

Beim Start ist der Riemen von Jan Struve gebrochen. Das Team musste das Rennen zu neunt beenden.
Auch dieses Mal legten sich die Sportler mit aller Kraft in die Riemen, allerdings hatte das ungeahnte Folgen. So brach eines der Ruder kurz nach dem Start. „Es war total irre. Das Startsignal ertönte und nach rund drei Schlägen sah ich plötzlich ein Stück Holz an uns vorbeitreiben“, erinnert sich Steuerfrau Katrin Stukenburg. Der Riemen hatte der Kraft des stärksten Manns im Boot, Gewichthebeweltmeister Jan Struve, nicht standgehalten. Einige Sekunden herrschte Verwirrung, doch als das Team feststellte, dass niemand das Malheur bemerkt hatte und das Rennen weiterging, entschloss man sich, das Beste aus der Situation zu machen. „Der Champ positionierte sich so im Boot, dass er niemandem im Weg war. Dann sind wir noch mal gestartet und haben nach dem Motto 'Jetzt erst recht' alles gegeben“, berichtet Stukenburg. Trotz eines Rückstands von mehreren Sekunden und einer reduzierten Besetzung überholten sie die Vegesacker Jungs kurz vor dem Ziel um Haaresbreite und konnte sich so den zweiten Platz sichern. Als Sieger stieg das Team Seestermüher Marsch aus dem Kutter. Diese hatten die Horizontler im vergangenen Jahr geschlagen.
Nicht ganz so spektakulär, aber sportlich beeindruckend zeigten sich die Haven Filous in ihrem finalen Rennen. Sie traten gegen zwei weitere Damenteams an und schoben sich von Beginn an ins vordere Feld. „Wir sind beim Start gut weggekommen, sind sofort weit nach vorne und haben diesen Abstand nicht mehr hergegeben“, erzählt Katrin Stukenburg, die in dem Damenteam als Pullerin am Riemen sitzt. Mit einer Zielzeit von fast genau 7 Minuten errangen die Frauen nicht nur den ersten Platz in ihrer Klasse, sondern stiegen auch zum ersten Mal seit ihrem Bestehen in Kiel ganz oben aufs Siegertreppchen. Zudem erzielten sie die siebtschnellste Zeit aller Teams auf der Langstrecke. Das Besondere: Das Team musste, um in Kiel antreten zu können, aufstocken. So lieh man sich einige Damen von den 28757er aus, da die Haven Filous selbst nur mit neun Mitgliedern anreisen konnten. „Das Schöne an unserem Verein ist, dass sich immer jemand findet, wenn Unterstützung gebraucht wird. Das zeigt den tollen Zusammenhalt“, lobt Stukenburg.

Rolf Kronshage (80), Steuermann des Teams 28757 erntete viel Anerkennung.
Und noch ein weiteres Schlaglicht setzten die Vegesacker Kutterpuller. Dabei ging es nicht um Platzierungen oder ein außergewöhnliches Renngeschehen, sondern um die Ehrung einer Person, die ihre Spuren in Vegesack und Kiel hinterlassen hat. Dabei handelt es sich um Rolf Kronshage, den Steuermann des Teams 28757. Er diente lange bei der Marine, ist langjähriges Mitglied im Ältestenrat des MTV Nautilus und Begründer des Kutterpullsports in Vegesack. Anlässlich seines 80. Geburtstags hatte ihm sein Team die Teilnahme am Kutterrace geschenkt. Ein Präsent, das viel Schweiß und Herzblut mit sich brachte, denn ab diesem Zeitpunkt begann die Mannschaft zweimal die Woche und mit viel Elan zu trainieren. Verstärkt durch Teile des Teams Reusenrammer gingen sie schließlich mit Rolf Kronshage am Steuer ins Rennen und belegten im kleinen Finale der Mixed-Klasse den dritten Platz. Unvergesslich für alle Teilnehmer war jedoch die Siegerehrung auf dem Marinestützpunkt. Bevor sie richtig losging, hielt der Wettkampfleiter Kapitänleutnant Michael Bauer eine Ansprache auf eine Person, die als Kutterikone in Vegesacker gelte. „Er zählte verschiedene Stationen aus dem Arbeitsleben der Person auf und irgendwann dachte ich mir: Moment, das bin ja ich!“, berichtet Rolf Kronshage. In seinem langen maritimen Arbeitsleben habe Kronshage den Kutterpullsport über Jahrzehnte und mit Verve gefördert, erklärte Bauer. Quittiert wurde die Ansprache mit Standing Ovations, die Kronshage sichtlich berührt annahm. „Ich war wirklich sehr überrascht. Ich habe mich nur als Steuermann einer Mannschaft gesehen und war mit unserem Ergebnis sehr zufrieden. Mit dieser Aufmerksamkeit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Das war für mich das i-Tüpfelchen der Veranstaltung“, so Kronshage.