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Klinik-Reform "Das hätte das Aus für Bremen-Nord bedeutet"

Die Krankenhauslandschaft wird sich durch die Lauterbach-Reform verändern. Im Interview sagt Uwe Zimmer von der Bremer Krankenhausgesellschaft, welche Gefahren er für das Klinikum Nord sieht.
12.06.2023, 18:00 Uhr
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Von Patricia Brandt

Herr Zimmer, die Lauterbach-Reform steht im Großen und Ganzen. Sie haben die Bund-Länder-Beratungen eng verfolgt. Was bedeutet das Konzept für das Klinikum Bremen-Nord?

Uwe Zimmer: Wenn man das ursprüngliche Papier der Regierungskommission eins zu eins auf Bremen übertragen hätte, hätte das Klinikum Bremen-Nord schließen müssen und viele weitere Kliniken. Nur das Klinikum Bremen-Mitte und das Krankenhaus Bremerhaven hätten die Versorgung für das Land Bremen und das Umland übernehmen müssen und das wäre völlig realitätsfern. Denn es ist nicht so, dass die Krankenhäuser im Land Bremen schlechte Qualität bieten. Das haben auch die Länder in der Runde deutlich gemacht und das hat der Bundesminister verstanden, auch, dass er nicht alles allein regeln kann. Das Gesetz muss im Bundesrat mehrheitsfähig sein. Auch andere Länder haben wie wir Auswertungsanalysen vorgelegt. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hätten 70 Prozent aller Orthopädischen Kliniken schließen müssen. Das ist ebenfalls völlig unbegründet. Das nächste Problem liegt darin, dass Karl Lauterbach alle Verbände der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen vor die Tür gesetzt hat. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Dachverband der Krankenhausträger, ist komplett außen vor. Es gibt keinen Austausch mehr zum Thema Krankenhausreform. Es gibt dieses Informationsleck, und wir müssen gucken, wie wir an Informationen kommen.

Wo droht für Bremer Kliniken noch Ungemach?

Die 30-Minuten-Regel war das Giftigste am Papier: Demnach sollten sogenannte Level-I-Krankenhäuser nicht weitergeführt werden, wenn sie nicht weiter als 30 Minuten von einem anderen Krankenhaus entfernt liegen. Das hätte das Aus für Bremen-Nord bedeutet. Das haben die Länder aus dem Reformkonzept gestrichen. Erstmal sind diesbezüglich alle Krankenhäuser im Land Bremen sicher.  

Das zweite dicke Problem lag in der  Begrenzung der Versorgungsaufträge. Die meisten Krankenhäuser in Bremen wären Level-I-Krankenhäuser. Solche Grundversorger dürfen nicht viel anbieten. HNO, Augenheilkunde – diese Angebote gehören nicht zur Grundversorgung. Das Krankenhaus in Bremen-Nord dürfte bei Umsetzung der jetzigen Reformpläne keine Unfallchirurgie haben, die Onkologie auch nicht und die Stroke Unit, die Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten, ebenfalls nicht. Auch das Diako, das Rote-Kreuz-Krankenhaus, das Krankenhaus Ost oder die Ameos Häuser in Bremerhaven wären von solchen Streichungen betroffen. Das macht keinen Sinn. Wir haben im Land Bremen eine sehr hohe Qualität in unseren spezialisierten Krankenhäusern, das Diako ist sogar eine Exzellenzklinik in der Orthopädie. Diese Angebote infrage zu stellen, ist nicht sachgerecht. Dem Minister würden Klagen der Krankenhausträger drohen. Deshalb ist es gut, dass die Länder auch diese Begrenzung im Wesentlichen gestrichen haben.

Wer sagt, dass Bremen-Nord Grundversorger sein muss?

Der Bund vergibt die drei Level: Grundversorgung, Spezialversorgung und Maximalversorgung. Lauterbach will diese Level haben. Aber er rudert zurück: Im neuen Papier ist eine Länderhoheit bei der Gestaltung der Level vorgesehen. Ich habe es bei den Beratungen so verstanden, dass jetzt die Zusammensetzung der Leistungsgruppen den Level bestimmen und nicht umgekehrt. Wer bereits ein bestimmtes Portfolio bietet, Voraussetzungen bei der Ausstattung hat, wird zum Beispiel nicht nur Grund-, sondern Spezialversorger. Aber kommt es so? Erst, wenn im Sommer der konkrete Reformentwurf vorliegt, können wir sagen, was das alles genau für Bremen bedeutet.

Geplant sind einheitliche Qualitätskriterien…

Da schwant uns Übles, denn, wenn Fachgesellschaften nur allerbeste Qualitätsansprüche erheben, die eigentlich nur Universitätskliniken erfüllen können, werden einige Krankenhäuser überlegen, ob sie die bisherigen Leistungen noch anbieten können. Im Klinikum Bremen-Nord könnten dann die Vorschriften für die spezialisierten Leistungsangebote zum Knackpunkt werden. Dann wird es eine Diskussion darum geben, ob die hohen Vorgaben erfüllt werden können oder nicht. Denn das verursacht auch Kosten.

Die Reform will den ökonomischen Druck von den Krankenhäusern nehmen. Inwiefern hilft sie den angeschlagenen Geno-Häusern beim Überleben?

Die Pandemie hat eine Schieflage erzeugt: Es kamen zu wenig Patienten, aber die Personalressourcen mussten vorgehalten werden. Die jetzt geplante Vorhaltepauschale, mit der Krankenhäuser nicht nur über Fallzahlen finanziert werden sollen, wird die Häuser stabiler machen. Aber wir haben die Inflationsproblematik noch nicht gelöst. Darauf weisen wir in Bremen am 20. Juni mit einem Aktionstag an den verschiedenen Krankenhäusern hin. Auch, wenn Karl Lauterbach sein Reformgesetz bis Ende 2023 hinbekommt, müssen die Länder noch ihre Gesetze und Strukturen anpassen. Es wird gebaut, geschlossen, neu aufgebaut werden müssen. Dieser Prozess zieht sich über Jahre hin. Aber so lange das System, wie jetzt bundesweit der Fall, zehn bis 15 Prozent unterfinanziert ist, werden viele Krankenhäuser die Reform nicht überleben. Wir brauchen einen dauerhaften Inflationsausgleich bis spätestens Ende des Jahres. 

Hält das Klinikum Bremen-Nord durch?

Die Geno-Kliniken schreiben insgesamt keine schwarzen Zahlen mehr. Noch ist keines dadurch in seiner Existenz gefährdet. Die Löcher werden bis Ende 2023 durch verschiedene Einmalzahlungen gestopft werden können. Aber man muss die Inflationsproblematik in Vorbereitung auf die Reform lösen. Weil ich sonst für Kliniken plane, die morgen nicht mehr da sind. Das ist ernst.

Das Interview führte Patricia Brandt.

Zur Person

Uwe Zimmer

ist Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft. Der Diplom-Volkswirt (61) und Vater dreier erwachsener Kinder lebt in Bremen-Nord.

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