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Bars and Melody in Vegesack Kreischalarm vor der Bühne

Das Duo Bars and Melody und DSDS-Star Daniele Negroni sorgen im Kulturbahnhof in Vegesack für Teenagerhysterie. Die Resonanz der Fans auf die kühle Art der Musiker ist durchwachsen.
14.04.2019, 20:00 Uhr
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Von Alexander Bösch

„Das waren jetzt vielleicht 50 Prozent von euren Händen. Ich will aber 100 Prozent.“ Daniele Negroni bestreitet an diesem Abend im Kulturbahnhof offiziell zwar nur das Vorprogramm für das Duo Bars and Melody, für etliche der überwiegend jungen Mädchen ist der quirlige Halbitaliener aber der eigentliche Favorit. Der 23-Jährige belegte 2012 den zweiten Platz in der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ und wurde im vergangenen Jahr im RTL-Dschungelcamp ebenfalls Zweiter.

Zu seinem Hit „Absolutely right“ zeigen die Mädels in den ersten Reihen des nur halb ausverkauften Konzertsaals phonstark, wie textsicher sie sind. „If you think I am crazy, you are absolutely right“, wird aus blutjungen Kehlen mehr geschrien als gesungen. Negroni scheint es trotzdem zu gefallen. „Die Eltern freuen sich. Die Kiddies schreien so laut, dass sie nachher keine Stimme mehr haben. Die fallen dann ins Bett und sind ruhig“, scherzt der 23-Jährige, lässt sein charakteristisches Kichern hören und kündigt seinen von Dieter Bohlen geschriebenen Hit „Don‘t think about me“ an.

Während Negroni 130 000 Tonträger im deutschsprachigen Raum verkaufte und vier Singles in den Charts platzierte, sind die Waliser Bars and Melody hierzulande weitgehend unbekannt. Nicht so aber bei den jungen Fans, die in Begleitung ihrer Eltern aus dem ganzen Norden angereist sind. „Ich kenne die von Youtube und aus der Bravo“, sagt Lasse. Der Zwölfjährige aus Stuhr hat das Ticket von seiner Mutter zum Geburtstag bekommen. „Ich mochte damals New Kids on the Block und hab sie auch mal im Konzert gesehen“, zeigt Maren Schwier Verständnis für die musikalische Leidenschaft ihres Sohns.

Auch Alexandra Graf aus St. Magnus gehört zu den begleitenden Elternteilen. Sie selbst mochte in den 90er-Jahren die holländische Teenieband Caught in the Act und kann ihren Sohn Lovis daher gut verstehen. „Ich habe Bars and Melody im Vorprogamm von Mike Singer im Pier 2 gesehen und fand die ganz toll“, schwärmt der Elfjährige. Ganz nach vorne drängeln möchte sich Lovis dennoch nicht: „Da kreischen die Mädchen so doll. Da versteht man nichts.“

Die 14-jährige Michelle ist mit ihren Eltern aus Walsrode angereist. „Ich hab die in der Sendung ‚Spotlight‘ gesehen. Ich finde Leo genauso cool wie Charlie“, versichert die 14-Jährige. Dann ist es soweit. Mystisch dräuen einige Synthesizerakkorde aus dem Off, erklimmen ein Begleitgitarrist und ein Drummer die Bühne, treiben flackernde LED-Lichter die Spannung ins Unermessliche.

Plötzlich stehen Leondre „Bars“ Devries und Charlie „Melody“ Lenehan zur aktuellen Single „Love to see me fail“ auf der Bühne. Die Waliser hatten 2014 in der britischen Castingshow „Britain‘s got talent“ den dritten Platz belegt und konnten einige Hits in der Heimat landen. Der heute 19-jährige Leo rappte damals noch mit hoher kindlicher Stimme. Inzwischen hat der Jungrapper den Stimmbruch hinter sich und seine leicht klagende Stimme ist irritierenderweise fast im Bassbariton angekommen.

„Yo what‘s up Bremen, make some noise“ und „I wanna see your hands, everybody“ sind fortan die wichtigsten Satzbausteine, mit denen die beiden Jungstars ihre routinierte Show abziehen. Die Musik ist irgendwo zwischen Pop, Rap. Hip Hop und New Jack Swing angesiedelt. Während Rapper „Leo“ – im lässigen weißen T-Shirt mit der Aufschrift „Supermarket“ auf dem Rücken – zumindest ein wenig auf Tuchfühlung mit dem Publikum geht, zieht es Sänger Charlie – Jeansjacke und verkehrt herum auf dem Kopf sitzendes Cappi – vor, lässig bis arrogant auf den Monitoren zu thronen oder von weiter hinten auf die Menge zu starren.

Die meist weiblichen Fans zwischen acht und 17 Jahren hängen den Walisern dennoch ergeben an den Lippen und erfüllen ihnen jeden Wunsch. Da wird sich hingekniet und kurz darauf wie ein Klappmesser in die Höhe geschnellt, werden Zeilen aus dem Chorus mitgesungen und – in Ermangelung der erwünschten Feuerzeuge – die blinkenden Displays der Handys gezückt. „Wer hat unser letztes Album ‚Generation Z‘ gekauft?“, will Rapper Leo wissen. „Das ist nicht ganz, was ich erwartet habe“, heißt es, als der Zuspruch eher verhalten ausfällt. Dennoch kommen die Bremer in den Genuss, mit einem noch nicht veröffentlichten Song einen Vorgeschmack auf das neue Album zu bekommen. Jedes enthusiastisch gekreischte „We love you“ quittieren die beiden mit einem gelangweilten „We love you too“. Dann sind aber doch ein obligates Foto mit den Fans und ein kurzes Bad in der Menge drin.

Weiter hinten an der Bar haben es sich einige Eltern an Tischen bei einer Holunder-Kirsch-Schorle gemütlich gemacht. Alkohol gibt es an diesem Abend nicht. „Das lohnt sich nicht. Wir verkaufen vielleicht fünf Bier und müssen trotzdem die ganze Zapfanlage sauber machen“, sagt der Barkeeper. Nach dem gefeierten „A thousand years“, der Debutsingle „Hopeful“ und zwei Zugaben ist pünktlich um 21 Uhr Schluss.

Eine Mid-Agerin, die bereits am Nachmittag versucht hat, Autogramme zu bekommen, zeigt sich wenig begeistert von den Jungspunden. „Die sind total piefig und arrogant. Der eine meinte, er habe bis nachmittags geschlafen und keine Lust, mir ein Autogramm zu gebe. Und der andere sagte eiskalt: ‚No'.“

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