Mittwoch, 10. August: Ich führe Kundengespräche in der Bank. Ein Kunde ist verstorben, die Angehörigen in Trauer und voller Emotionen. Auch das gehört zum Beratungsalltag. In der Mittagspause laufe ich als Training elf Kilometer. Es ist hübsch warm – mich freut`s aber. Schließlich sind T-Shirt und kurze Hose mein Metier. An Regen kann ich mich selbst nach über 40 Jahren Leichtathletik nicht gewöhnen. Da am Sonnabend ein Wettkampf in Bokel stattfindet, trainiere ich heute nur locker. Ich trabe locker vor mich hin und kann am Ende doch nicht widerstehen: Also streue ich doch noch ein einige Intervalle ein. 200, 400, 600 Meter und einen 1000er – letzterer in 3:50 Minuten. Nicht übel. Aber bloß nicht übertreiben. Ich nehme also wieder Gas weg und trabe locker in die Bank zurück.
Donnerstag, 11. August: Ich bin schon um 7 Uhr in der Bank. Als letzte Vorbereitungen checke ich Kurse, Marktdaten und wichtige Ereignisse aus Deutschland und Übersee. Wie entwickeln sich Börsen am frühen Morgen? Schlagzeilen: Energieknappheit okay. Das ist mittlerweile eingepreist. Die Inflationsdaten in den USA sind zwar nur minimal rückläufig. Aber das ist ein gutes Zeichen für den Markt. In Gedanken bin ich schon wieder bei Sonnabend. Es wird mein erster Fünf-Kilometer-Lauf seit drei Jahren. Damals bin ich in Pula (Kroatien) gerannt und nach 19:10 Minuten als Gesamtsiebter ins Ziel gekommen. Der Zieleinlauf im Amphitheater von Pula war schon toll. „Du bist bester Ausländer“ rief mir meine Frau damals jubelnd zu. Eigentlich wollte ich ja in dem Jahr auch auf den Mont Blanc – also auf den höchsten Berg Europas. Je nach Schneehöhe ist der auch mal 4810 Meter hoch. Wegen des sehr warmen Sommers werden aktuell aber nur 4807 Meter als Höhe angezeigt. Endlich klappt’s, dachte ich mir nach bereits zweimaliger Verschiebung. 2017 war es zu warm, 2018 ging es aus betrieblichen Gründen nicht. 2019 ist mein Schwiegervater plötzlich verstorben. Jetzt ist 2024 anvisiert. Man muss auch noch Ziele im Leben haben – Bergsteigen ist eine Leidenschaft von mir geworden.
Freitag, 12. August: Ich muss mich dringend um den Halbmarathon kümmern. Nach zwei Jahren corona-bedingter Pause wollen wir von der LG Bremen-Nord uns endlich mal wieder präsentieren und eine Laufveranstaltung anbieten. Und der Halbmarathon ist unser Aushängeschild und wird in diesem Jahr bereits zum 23. Mal ausgetragen. Nur noch drei Wochen bleiben. Dabei ist noch jede Menge zu tun. Warum tue ich mir diesen Stress an, werde ich oft gefragt. Weil es meine Leidenschaft ist, weil ich nach über 40 Jahren Laufen und unzähligen Wettkämpfen auf nationaler und internationaler Ebene genau weiß, auf was es ankommt. Weil ich weiß, was die Läufer wollen. Ein Transporter muss auch noch bestellt werden. Ich tippe unsere Homepage www.lg-bremen-nord. de ein. Sorgen, ob wieder alles klappt, habe ich immer. Ich mache mir Gedanken, wie das Wetter wird und um die Verpflegung der Läufer. Funktioniert die Zeitnahme reibungslos und vieles mehr. Für Halbmarathonläufer sind Temperaturen ab 20 Grad nicht unbedingt leistungsfördernd. Die Fünf- und Zehn-Kilometer-Läufer freuen sich aber vielleicht sogar.
Sonnabend, 13. August: Heute ist Straßenlauf in Bokel. Ob die Anmeldung so eine gute Idee war? Mein Blick gleitet zum Thermometer auf unserem Balkon. Um 12 Uhr weist dieses bereits 29 Grad auf. Es sind noch knapp drei Stunden bis zum Start. Meine Nervosität steigt langsam. Ist ja nur ein Testlauf, versuche ich mich selbst wieder zu beruhigen. Der Fünfer in Bokel soll als sogenannter Unterdistanzlauf nur als Formtest für den Zehn-Kilometer-Lauf Ende August in Bremerhaven dienen. Angesichts der hohen Temperaturen will ich den ersten Laufkilometer etwas verhalten angehen und dann schauen, wie die Beine laufen. Insgeheim nehme ich mir vor, die Distanz in 20 Minuten zu schaffen. Vor Ort treffe ich viele bekannte Gesichter aus der Laufszene, auch Torsten Naue, Frank Themsen aus meinem Verein. Christoph Freudenfeld, immerhin mal Deutscher Meister im Orientierungslauf, ist von Worpswede sogar mit dem Rad angereist. Ich werde mit Handschlag begrüßt. Meine Zweifel schwinden: Ich gehöre offenbar noch dazu und tauche bald wieder ein in die typische Wettkampfatmosphäre. Wir laufen uns gemeinsam ein. Ich höre den anderen beim Fachsimpeln zu. Ich klinke mich dann aber aus der Gruppe aus und bin jetzt kurz vor dem Start im Tunnel, höre nur noch auf meine Atmung. Die Beine fühlen sich locker an. Ich komme mit einer Urkunde nach Hause. Zweiter Platz in der Altersklasse M55 steht darauf und die Zeit: 20:32 Minuten. Doch nicht ganz so schnell wie erhofft, aber durchaus in der erwarteten Bandbreite. Meine Analyse ergibt keine großen Überraschungen. Der erste Laufkilometer in 3:55 Minuten geht in Ordnung. Es hat halt zum Schluss die Kraft gefehlt, um das Tempo noch einmal steigern zu können. Am Ende beträgt der Abstand auf meinen langjährigen Vereinskollegen Torsten Naue gerade einmal 150 Meter.
Sonntag, 14. August: Meine Frau und ich brechen ins „Alte Land“ auf, um Freunde zu besuchen. Dabei wollen wir unsere Hochzeitsfotos zeigen. Ich sitze derweil mit dem Laptop auf dem Sofa und versuche, Organisatorisches zu unserer Laufveranstaltung am 4. September zu erledigen. Du kannst dich jetzt anmelden für unseren Halbmarathon, tippe ich und beantworte geduldig alle weiteren Fragen des Läufers zu Startzeiten und Streckenverlauf. Dann fahren wir los und verbringen einen wunderschönen Tag an der Elbe. Am Abend macht sich mein Account noch einmal bemerkbar. Frank Themsen ist in der Gluthitze die drei Laufstrecken mit dem Rad abgefahren und sendet mir jetzt die Streckenverläufe zu..
Montag, 15. August: In der Bank spricht mich eine Kollegin auf dem Flur an, da sie im September in den Alpen wandern möchte und nach einem Tipp für gute Bergschuhe fragt – meine Augen glänzen. Am liebsten würde ich mitreisen. Meine letzte Tour ist jetzt schon wieder zwei Jahre her. Ich war auf der Großen Zinne, dem bekanntesten Dolomitengipfel. Alles begann 2005 mit einer Vater-und-Sohn Bergwoche. Ich war damals weder mit Bergsteigen vertraut, noch schwindelfrei konnte ich dem Thema viel abgewinnen. Irgendwann in dieser Woche habe ich mich dann wohl mit dem Bergvirus infiziert. Mein nächstes Ziel ist die Traverse Royale, also die Überschreitung des Mont Blanc in drei bis vier Tagen. Neben hohen konditionellen Anforderungen über viele Stunden ist auch klettertechnisches Können über schmale Grate gefragt. Bis ins Jahr 2024 studiere ich Routenverläufe, Topos und schaue mir möglichst viele Berichte an. In Gedanken versunken schaue ich aus meinem Bürofenster in den blauen Augusthimmel. Dann geht’s raus zum Lauftraining für den Zehner in 14 Tagen
Dienstag, 16. August: Morgen muss ich mich unbedingt um ein Treffen der Sponsoren kümmern. Am Dienstag treffen sich immer die Läufer der LG Bremen-Nord im Burgwallstadion. Hier ist Tempotraining angesagt. Ich laufe zehn Mal 1000 Meter im anvisierten Wettkampftempo um die 4:15 Minuten pro Kilometer.
Hannes Günther, der Kicker des Blumenthaler SV, wird als Nächster über seine Woche berichten.