Der Bedarf an Beratungen bei der Arbeitnehmerkammer an der Lindenstraße wächst augenscheinlich rapide. Die Kammer hat jetzt eine Bilanz für 2019 gezogen und vermeldet 13 600 Rechts- und Steuerberatungen. An allen drei Standorten in Bremen-Stadt, Bremerhaven und Bremen-Nord waren es zusammen sogar gut 97 000 Beratungen. Besonders stark zugenommen haben demnach in Bremen-Nord Fragen zum Gehalt und zu Sonderzahlungen: Die Zahl der Beratungen stieg hier um mehr als die Hälfte auf knapp 970. „Gehaltsfragen sind nach wie vor ein Top-Thema bei uns in der Beratung. Oft geht es um zu niedrige oder verspätete Gehaltszahlungen, oft auch um nicht gezahlte Zuschläge, etwa bei Sonn- oder Feiertagsarbeit“, wird Geschäftsstellenleiterin Martina Werlich zitiert.
Sie erklärt auch eine der möglichen Ursachen: Die sinkende Tarifbindung führe zu Unsicherheit, weil zum Beispiel die Gehaltsstruktur im Betrieb nicht transparent geregelt sei – oder es keine klaren Vereinbarungen über Zuschläge gebe. „Wir machen zunehmend die Erfahrung, dass insbesondere Beschäftigte mit geringen Qualifikationen oder mit einem ausländischen Hintergrund große Schwierigkeiten in den Betrieben haben. Hier nutzen einige Arbeitgeber die Unkenntnis über unser Rechtssystem, sprachliche Hemmnisse oder schlicht die finanzielle Not aus“, ist Werlich überzeugt.
Deutlich zugenommen haben in Bremen-Nord auch Beratungen von Rentnern zum Thema Arbeitsrecht. Hier gehe es in der Regel um die Frage, wie neben der Rente noch weitergearbeitet werden kann – vielfach im Minijob. „Die meisten wollen aufgrund ihrer niedrigen Rente Geld dazuverdienen“, erläutert Martina Werlich. Eine zunehmende Zahl älterer Arbeitnehmer könne ohne Zuverdienst den Lebensstandard oft nicht halten. Besonders die Renten von allein lebenden Frauen mit niedrigen Verdiensten oder langen Familienphasen reichen nach Angaben der Arbeitnehmerkammer oft nicht aus.