Mittwoch, 23. Februar: Ich bin bei uns im Verein für Öffentlichkeitsarbeit zuständig – ich schreibe halt gern. Mein Berufswunsch war einst, etwas mit Archäologie oder Architektur zu machen. Dann ist es jedoch der Außenhandel in einem alten Bremer Unternehmen geworden. Vor fünf Jahren bin ich dort als Geschäftsführer ausgeschieden und in den Ruhestand eingetreten. Der Tag beginnt mit Vereinsarbeit. Unsere Herren-Degenmannschaft hat nach einem überzeugenden Auswärtssieg gegen den TK Hannover das Halbfinale des Deutschlandpokals erreicht. Also aktualisiere ich die Vereinswebsite. Dann erfolgt die obligatorische Zeitungslektüre. Putin, Erdogan, Corona: jeden Tag dieselben Dramen. Die Menschheit wird nicht schlauer. Ich überlege, ob der negative Blickwinkel am Alter oder am Lauf der Welt liegt. Heute findet Training für 16 bis 80-Jährige wie jeden Montag und Mittwoch von 19.30 bis 21.30 Uhr statt. Da geht es auch für mich hin, um fit zu bleiben. Ich erkundige mich bei unserer Vorsitzenden Ute Hannemann, ob sich Immobilien Bremen, die Eigentümerin des Thielespeichers, also unseres Vereinsdomizils an der Alten Hafenstraße, um den Sturmschaden aus der vergangenen Woche gekümmert hat.
Donnerstag, 24. Februar: Gestern habe ich gut gefochten, wie immer mit der Erkenntnis, dass es immer schwerer wird, mit den jungen Leuten im Alter von 20 bis 30 Jahren mitzuhalten. Sie nehmen mich aber immerhin noch als schnellen und schwierigen Gegner auf der Fechtbahn wahr. Daraus resultiert ein gutes Gefühl für den neuen Tag. Übrigens, der FCBN bietet Fechten für jedes Alter an. Ich wende mich einem weiteren Hobby zu – dem Kochen. Ich muss noch den Termin für das nächste Event unseres Herren-Kochclubs bestätigen. Mal sehen, wie das Fünf-Gänge-Menü unseres Gastgebers aussehen wird. Die Ehefrauen wollen kulinarisch verwöhnt werden. Inzwischen verwöhne ich meine Frau Rita mit einem türkischen Menü, um in Übung zu bleiben. Ich erhalte eine Nachricht von Ute Hannemann. Ein Dachdecker soll kommen – bis dahin bleibt der Parkplatz des Thielespeichers gesperrt.
Freitag, 25. Februar: Eigentlich hatte ich mich auf den Tag gefreut. Wir haben uns eine Anhängerkupplung einbauen lassen und einen Träger für unsere E-Bikes gekauft. Die Freude auf schöne Fahrradtouren ist mir nach der langen Fernsehnacht zum Überfall Russlands auf die Ukraine aber gründlich vergangen. Ich bin alt genug, um mich noch an Trümmer-Grundstücke, amputierte Arme und Beine, Kriegsflüchtlinge und Not erinnern zu können. Deutlich steht mir noch die Erzählung meines Vaters und seiner Geschwister vor Augen, wie mein Großvater die bis zur Unkenntlichkeit verschmolzenen Leichen meiner Tante und ihres Babys nach dem Phosphor-Bombenhagel auf Dresden gefunden hat. Wer die Welt mit Unglück überzieht, bei dem klopft das Unglück irgendwann an die Tür. Hoffen wir mal, dass dies auch für alle anderen Despoten auf der Welt gilt. Ich hatte auf ein friedliches Europa gehofft und bin eines Besseren belehrt worden. Der Wahn und die Hybris eines einzelnen Menschen reichen, um unseren schönen Kontinent um 80 Jahre zurückzuwerfen. Es ist schwer, an diesem Tag andere Gedanken zu fassen.
Sonnabend, 26. Februar: Wir fahren mal wieder zum Findorff-Markt, bei dem es sich um eines der wenigen echten Highlights in Bremen handelt. Es gibt ein tolles Angebot und tolle Leute. Danach steht ein Besuch in der Bremer Kunsthalle auf dem Programm. Gleichzeitig sehe ich mal nach, was unsere in Bremen lebenden Söhne Julian und Fabian so machen. In Bremen gibt es auf jeden Fall die gleiche chaotische Verkehrsführung wie immer. Man hat das Gefühl, dass einige Senatoren oder Senatorinnen Gäste aus dem Umland nicht so gern sehen. Für die Abschreckung wird viel getan. Es gibt völlig sinnfreie Verkehrsversuche, Leerstand, Billigläden, sowie Häuser über und über mit sogenannter Graffiti beschmiert. Was ist aus dem stolzen Gemeinwesen, in dem ich über 45 Jahre im Internationalen Handel gearbeitet habe, geworden? Na immerhin ist der Besuch der Kunsthalle mit ihrer Ausstellung wie immer toll. Meine Frau und ich sind seit vielen Jahren Mitglieder beim privaten Betreiberverein, und das wirklich gerne.
Sonntag, 27. Februar: Beim ausgiebigen Sonntagsfrühstück lese ich den WESER-KURIER. Die Artikel zum Weltgeschehen machen den Tag wirklich nicht schöner. Ich betätige mich lieber handwerklich. Ich hatte meiner Frau eine schöne Glühweinbude gebaut mit Lichterketten, Elektroanschluss und Ausschank für Familie und Freunde. Die ist in der tiefsten Corona-Depression im Winter 20/21 entstanden und muss nun wieder abgebaut und eingelagert werden. Viel nutzen konnten wir diese im Winter ohnehin nicht. Es gab zu viel Regen. Ich informiere mich über das Zweitliga-Nordderby zwischen dem HSV und Werder. Ich will mich ja nicht vor meinen Freunden blamieren. Werder feiert einen 3:2-Auswärtssieg in einem tollen Spiel. Es ist schon erstaunlich, was der richtige Trainer bewirken kann. Da freue selbst ich mich riesig. Vielleicht wird Bremen wenigstens im Fußball wieder erstklassig.
Montag, 28. Februar: Das Auto ist immer noch nicht fertig. Ein Ersatzteil kommt aus Hannover mit der Post, und das dauert. In einem Land, in dem die Gesundheitsämter mit Faxgeräten arbeiten und das supermoderne Kanzleramt eine Rohrpostanlage hat, muss man sich wahrscheinlich nicht wundern. Wenigstens ist super Wetter. Zum Fechten kann ich nicht, da meine Frau ihren Wagen für die Fahrt zum zeitgleichen Italienischkurs braucht. Irgendwann wollen wir mal wieder nach Bella Italia. Mit fassungslosem Staunen habe ich gestern die Reden im Bundestag und bei der EU verfolgt. Was Vernunft in vielen Jahren nicht erreicht hat, schafft Herr Putin mit Krieg und Drohungen locker in zwei Tagen. Wir stellen einfach unsere Gasheizungen ein paar Grad herunter – alle sollten dies tun.
Dienstag, 1. März: Ich habe zwar keine Angst vor einer Degenspitze. Aber schon das Wort Zahnarzt ruft das kalte Grauen bei mir hervor. Nach überstandenem Zahnarzt-Termin kann ich mich wieder den angenehmen Seiten des Lebens zuwenden. Am Abend treffe ich mich zum Billard mit Freunden. Einer hat sich vor einigen Jahren einen Turniertisch in den Keller gestellt. Seitdem spielen wir älteren Herren jeden Dienstag mit viel Spaß, jeder Menge flotter Sprüche, heißen Diskussionen über die Auslegung des Regelwerkes und gelegentlich einem Bier oder Obstbrand. Unsere Frauen sehen das eher als Kindergarten – aber wir haben unseren Spaß. KH
Sebastian Loeper, der Leichtathlet der SG Marßel, wird als Nächster über seine Woche berichten.