Herr Dechant Baumgard, mit dem Ausscheiden von Pfarrer Lagowski in der Pfarrei „Heilige Familie Osterholz-Scharmbeck“ startet im Bistum das Modell „Überpfarrlicher Personaleinsatz“, kurz ÜPE. Was muss ich mir darunter vorstellen?
Holger Baumgard: Dahinter steht die Absicht des Bistums, nicht noch einmal Pfarreien zu fusionieren, sprich aus den zwischen 2006 und 2012 geschaffenen Großpfarreien über weitere Fusionen nicht noch größere Einheiten zu bilden. Die Pfarreien bleiben selbstständig. Aber es werden nicht einzelne hauptberufliche Personen Pfarreien fest zugeordnet, sondern ein Team ist für das Gesamte zuständig. Auch ermöglicht es, Seelsorgliches besser von Verwaltungsaufgaben zu trennen. Es wurden bereits für den Verwaltungsbereich zusätzliche Personen eingestellt, damit sich Seelsorger und Seelsorgerinnen nicht mit Finanzangelegenheiten und anderen verwaltungstechnischen Fragen beschäftigen müssen. Bei uns sind ÜPE und Dekanat identisch. So wird sich zwischen den Aufgaben des Dekanates und des Miteinanders im ÜPE eigentlich wenig ändern.
Aber ist das nicht nur eine Beruhigungspille für die Katholiken, die von dem Weggang ihres Pfarrers jetzt direkt betroffen sind?
Als Beruhigungspille oder Augenwischerei würde ich den ÜPE nicht empfinden: Denn es wird ein dritter Priester kommen, der sich voll der Seelsorge widmen kann. So wie er Zeit und Kraft für die Gemeinde Grohn oder Blumenthal einsetzen wird, werden Pastor Nowak und ich künftig unsere Zeit und Energie für OHZ aufwenden. Wir haben mit Pastoralreferent Frank Hattwig und Dekanatspastoralreferentin Ute Zeilmann zwei theologisch gut ausgebildete Kräfte, die den Gemeinden mit Rat und Tat zur Seite stehen. Der wesentliche Unterschied betrifft eher mich als Pfarrer, da ich meine Zeit und mein Engagement für Leitungs- und Verwaltungsfragen von drei Pfarreien einsetzen muss.
ÜPE ist als Modellversuch auf drei Jahre ausgelegt. Was wird, wenn der Versuch danach als gescheitert gewertet werden muss?
ÜPE ist kein Modellversuch, sondern der vom Bistum gewiesene Weg. Es kann geschehen, dass Pfarreien, auch um Personen gemeinsam anstellen zu können und um einen Mehraufwand an Gremien und Sitzungen zu vermeiden, doch noch über eine Fusion zu einer Pfarrei nachdenken. Solche Stimmen gibt es sehr konkret aus den Teilgemeinden der Pfarrei Osterholz-Scharmbeck. Das eigentliche Problem sehe ich darin, ob die Menschen bereit sind, sich den Veränderungen der Zeit zu stellen und vor den Entwicklungen nicht die Augen verschließen. Für die katholische Kirche in Deutschland und insbesondere im Bistum Hildesheim heißt das, dass die Zahl aller hauptberuflichen Kräfte und des Nachwuchses drastisch zurückgeht.
Die ominöse Zahl von drei Jahren ist dem Umstand geschuldet, dass ich in drei Jahren in den Ruhestand gehen werde. Das Bistum kann bereits in diesem Jahr einige der Stellen leitender Pfarrer nicht mehr besetzen. Ich vermute, dass es für mich in drei Jahren keinen Ersatz geben wird und auch ein dritter Priester kaum zur Verfügung stehen wird. Genau dies war für mich Anlass, den drei Pfarreien vorzuschlagen, die drei Jahre bis zu meiner Pensionierung und im Hinblick auf das Fehlen von Pfarrern zu nutzen, um miteinander über ein alternatives Leitungsmodell nachzudenken.
Im Dekanat gibt es mit Ihnen und Pastor Nowak zwei Priester, die bisher unter anderem Gottesdienste und Beichte in drei Kirchen angeboten haben. Nun werden es sieben Kirchen sein. Wie soll das gehen – das Angebot muss doch reduziert werden?
Für mich wäre nicht die Frage von Reduzierung vorrangig, sondern erst einmal zu schauen, was braucht es. Wenn man Familien gewinnen oder nicht verlieren will, sind Sonntagsgottesdienste zu einer sehr frühen Zeit wenig hilfreich. Auch Vorabendgottesdienste sind für viele Familien zeitlich wenig entgegenkommend. Wenn alle Standorte Familien und Kinder in den Blick nehmen und eine späte Sonntagsvormittagszeit wählen, außerdem auch noch auf Messe setzen, treten sie miteinander in Konkurrenz. Da muss man nach Lösungen suchen.
Des Weiteren ist es hilfreich für Menschen und Familien, die gelegentlich am Gottesdienst teilnehmen möchten, eine verlässliche Uhrzeit am stets selben Ort zu haben. Wechselnde Zeiten lassen sich schlecht kommunizieren. Ich halte die Entscheidung in Lilienthal für sehr weise, grundsätzlich zur gleichen Zeit um 11.15 Uhr Gottesdienst zu feiern. Das ist eine zukunftsweisende Praxis.
Denken Sie auch an die Schließung oder gar den Verkauf von Kirchen?
Schließung oder Verkauf von Kirchen steht nicht an. Im Gegenteil, es dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass einige Gebäude baulich in schlechtem Zustand sind. Zu früheren Zeiten hätte so etwas schnell das Aus für einen Kirchstandort bedeutet. Heute sieht es anders aus – auch aus Sicht der Diözese. Es ist ein Immobilienprozess für die Pfarrei OHZ angemeldet, an dessen Ende ich mir sogar einen Neubau und nicht nur Flickschustern an maroder Bausubstanz vorstellen kann.
Auch die Verwaltung der Gemeinden soll schlanker werden. Dazu gibt es in Grohn schon seit einiger Zeit zwei hauptamtliche Dekanats-Kräfte. Heißt das, die Büros in den Gemeinden vor Ort werden geschlossen?
Nein. Die Stellen der Pfarrsekretärinnen bleiben erhalten. Auch in der Bistumsleitung hat man die Vermittlungsarbeit der Pfarrsekretärinnen im Blick. Sie sind die Ersten, mit denen man in Kontakt kommt. Schon dabei geschieht viel seelsorgerische Arbeit. Es gibt Überlegungen im Bistum, genau diese Tätigkeit stärker zu gewichten und – soweit das die finanziellen Möglichkeiten zulassen – auszubauen.
Das Gespräch führte Winfried Schwarz