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Konzert im Kito Musikalischer Befreiungsschlag

Seit mehr als 40 Jahren ist Steve Baker bereits als Berufsmusiker aktiv. im Vegesacker Kito gastierte er nun erstmals als Frontmann seiner eigenen Band.
03.11.2019, 20:00 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Vegesack. Wer regelmäßig Konzerte im Kito besucht, dem ist Steve Baker bereits bestens bekannt. Mit seinem virtuosen Mundharmonikaspiel veredelt der umtriebige Musiker als langjähriger Bühnenpartner von Abi Wallenstein den Sound des gemeinsamen Trios „Blues Culture“. Vor wenigen Tagen stand Baker erstmals als Frontmann eines eigenen Bandprojekts auf der Kito-Bühne und hatte als Verstärkung eine vierköpfige Band inklusive Tochter Gina als Backgroundsängerin mitgebracht.

Der ansprechend gefüllte Dachboden verdeutlichte bereits beim Betreten der Spielstätte, wie populär der Bluesharp-Virtuose ist, obwohl im Vorfeld den wenigsten Besuchern bekannt gewesen sein dürfte, welche Pfade Baker solistisch einschlagen würde. Schließlich erschien sein Erstlingswerk „Perfect Getaway“ erst im Vorjahr beim Osnabrücker Independent-Label „Timezone“.

Baker selbst sieht in seinem Bandprojekt eine deutliche Abgrenzung von seinem Bühnenschaffen der letzten Jahre: „Ich möchte mit diesem Projekt nicht schon wieder Blues-Standards wie ‚Dust my Broom‘ und ähnliches spielen“, erklärt der ebenso tiefenentspannt wie grundsympathisch wirkende Mundharmonikavirtuose im Gespräch.

„Ich habe in den vergangenen Jahrzehnten immer eigene Songs geschrieben. Es war einfach an der Zeit, diese umzusetzen, zumal ‚Blues Culture‘ aktuell wesentlich weniger Konzerte spielen, als noch vor einigen Jahren“, erklärt Baker. „Mit 66 Jahren sind dieses Album und diese Tour sozusagen mein Befreiungsschlag“, ergänzt Baker, dessen Mundharmonikaspiel in seinen 44 Jahren als Berufsmusiker auf zahlreichen Tonträgern festgehalten wurde – und unter anderem auch auf Aufnahmen von Truck Stop, Gunter Gabriel und sogar Roy Black zu hören ist, wie er später auf der Bühne erzählt.

Wie wichtig und persönlich das eigene Songmaterial für den Musiker ist, zeigt sich bereits daran, dass Steve Baker vollends in die Rolle des Frontmanns schlüpft, sich neben seinem berühmten Harmonikaspiel auch als veritabler Sänger entpuppt, mitunter sogar zur E-Gitarre greift. Rein musikalisch konfrontiert Baker seine Zuhörer indes nicht mit allzu großen Überraschungen und bedient sich instrumental häufig aus bewährten Zutaten der Blues-, Rock-, Country- und sogar Reggae-Historie. Trotz ihres musikalischen Abwechslungsreichtums wirken viele Stücke schon beim ersten Hören irgendwie vertraut. Textlich sind die Songs für Steve Baker jedoch ein Ventil, das verdeutlicht, dass in dem Gentleman eine ganze Menge Wut zu schlummern scheint.

Dies wird vor allem bei dem Boris Johnson gewidmeten Song „Fools and Scoundrels“ – übersetzt „Narren und Schurken“ – deutlich. „Wie kann es sein, dass unsere Welt derzeit von immer mehr Narren wie Johnson und Trump regiert wird und zudem milliardenschwere Großkonzerne häufig überhaupt keine Steuern zahlen?“, fragt Baker. Sein „Long Distance Man“ widerspricht hingegen den gängigen Klischees des glücklichen Fernfahrers, wie es in der internationalen Countrymusik seit Jahrzehnten besungen wird. „Diese Art von Fernfahrerromantik hat nichts mit der Berufsrealität zu tun“, befindet Baker.Beide Songs befinden sich jedoch nicht auf dem Debütalbum, sondern gaben bereits einen Ausblick auf das kommende Baker-Album „The Great Divide“, das im Frühjahr kommenden Jahres veröffentlicht werden soll. Auf diesem wird auch erstmals die gewachsene Bandformation zu hören sein: „Die erste CD habe ich noch mit Sessionmusikern aufgenommen, die aktuelle Besetzung ist jedoch eine feste Band“, erklärt Baker.

Gitarrist Jan Mohr ist ein alter Wegbegleiter Bakers, mit dem dieser in den Achtzigerjahren bei der „Charly Schreckschuss Band“ musizierte. Bassist Jeff Walker – ebenfalls ein früherer Weggefährte Bakers - suchte nach neuen musikalischen Betätigungsmöglichkeiten. Lediglich Schlagzeuger Henri Jerratsch, der gemeinsam mit Bakers Tochter Gina Baker den Altersdurchschnitt der Band erheblich senkt, stieß auf Empfehlung zur Band.

Die Professionalität aller Beteiligten zeigte sich nicht nur an der professionellen Umsetzung der Arrangements, sondern auch an einer großzügigen Konzertdauer von weit mehr als zwei Stunden – eine reife Leistung für eine Bandkonstellation, die in dieser Form erst knapp ein Jahr existiert. „Meine Songs sind sehr persönlich und haben deutliche Botschaften, die gehört werden sollen“, befindet Baker, der in den Achtzigerjahren häufig mit dem Protestsänger Franz-Josef Degenhardt konzertierte und sich dessen lyrische Attitüde zumindest teilweise zu eigen machte: „Es ist an der Zeit, dass Künstler und Musiker in politischen und sozialen Fragen wieder deutlich Stellung beziehen und Missstände thematisieren.“

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