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Corona-Umfrage „Händeschütteln ist vorbei“

Nicht alles läuft schief während der Pandemie. Viele Menschen machen auch positive Erfahrungen und hoffen, dass manch Begleiterscheinung nach der Krise erhalten bleibt. So der Verzicht aufs Händeschütteln.
26.02.2021, 12:00 Uhr
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Von Imke Molkewehrum

Vegesack. Strahlender Sonnenschein, eine sanfte Brise weht durch den Stadtgarten, und auf der Weser ziehen dicke Pötte vorüber. Die Parkbänke sind fast alle besetzt: mit Familien, Paaren oder Einzelpersonen. Aber es ist recht still an der Maritimen Meile. Wortlos gehen die Menschen einander aus dem Weg. Was fehlt ihnen während der Pandemie? Was würden sie direkt nach dem Lockdown unternehmen? Haben sie neue Hobbys oder Angewohnheiten? Würden sie womöglich etwas vermissen, und was würden sie sofort wegschmeißen?

Mohsem Zolypoor: „Als erstes würde ich die Masken wegschmeißen und in eine Shisha-Bar gehen“, sagt der Vegesacker. Mit seiner Begleiterin flaniert er heute an der Weser entlang. Dass während des Lockdowns nicht viel los ist, sei vor allem an den Wochenenden schlimm, sagt der 38-jährige Buchhalter. „Anfangs war es schön, mehr Zeit zu haben, aber mittlerweile ist es eintönig. Auch bei der Arbeit. Wir müssen ständig für unsere Klienten Anträge auf Corona-Hilfen stellen. Vorher habe ich auch oft Urlaub gemacht, heute buche ich nichts mehr.“

Zolypoor ärgert sich über unzureichende Schutzmaßnahmen während der Pandemie. „Mancher wurde positiv getestet und musste trotzdem nach Hause zu Frau und Kindern.“ Das sei fahrlässig. „Wenn man infiziert ist, muss man komplett isoliert werden“, findet der Nordbremer. „Es wäre besser gewesen, die Infizierten vorübergehend in den Hotels oder Kasernen unterzubringen.“

Nach der Pandemie werde vermutlich einiges erhalten bleiben, so Mohsem Zolypoor: „Der Abstand der Leute zueinander. Vielleicht bleiben auch die Desinfektionsmittel und Masken, aber das Händeschütteln ist vorbei.“

Nina Tessmann: „Mir gefällt der Abstand, der jetzt eingehalten wird, ich mag es nämlich nicht, wenn man mir zu dicht auf die Pelle rückt – vor allem im Bus oder an der Kasse.“ Der 40-Jährigen würde es auch gefallen, wenn das Händeschütteln durch die Pandemie aus der Mode kommt. „Alles andere wird aber weiterlaufen wie bisher. Die Menschen machen da weiter, wo sie aufgehört haben“, mutmaßt die Flohmarkt-Händlerin.

Tessmann ist wegen des Wetters spontan von Findorff nach Vegesack gefahren. Sobald der Lockdown vorbei ist, will sie mit ihrem Freund essen gehen. „Am liebsten in einem Landgasthof nach einem Spaziergang.“ Ihn getroffen zu haben, sei der Pandemie zu verdanken. „Wir sind zusammen zur Schule gegangen und haben uns während Corona über Facebook wiedergefunden. „Weil es beim ersten Treffen draußen so kalt war, haben wir uns schnell aneinander gekuschelt und nicht mehr losgelassen. Das verbinden wir mit Corona“, erzählt Tessmann und strahlt: „Ich habe die Liebe meines Lebens gefunden.“

Ihre Gewohnheiten hat Nina Tessmann nicht geändert. „Ich bin mir treu geblieben.“ Puzzeln, Kochen oder Stricken seien schon vorher ihre Hobbys gewesen. An ihren miesesten Tag während der Pandemie erinnert sie sich aber genau: „Das war, als alle Flohmärkte abgesagt wurden. Damals hatte ich Existenzängste und bin putzen gegangen“, erzählt die Findorfferin. Inzwischen hält sie sich mit dem Online-Handel über Wasser.

Stefan Knoop: Der 57-Jährige ist mit seiner Frau Angelika aus Walle nach Vegesack gekommen. „Wir haben uns das Spazieren gehen angewöhnt“, erzählt er. Nach der Pandemie wollen die Beiden als Erstes „beim Griechen essen gehen“. Außerdem haben sie noch Karten für das Weyher Theater. „Das fehlt uns“, betont Knoop.

Nach dem Lockdown rechnet er mit einer raschen Rückkehr zum hektischeren Alltag. „Die Ruhe wird uns womöglich fehlen. Jetzt ist alles so runtergefahren und entschleunigt. Wir schlafen auch länger.“ Besonders bemerkenswert findet der Buchhalter auch das soziale Miteinander. „Während der Pandemie ist die Nachbarschaftshilfe für Ältere und Erkrankte echt toll.“

Das Ehepaar Knoop hat in diesen Monaten das Wohnzimmer renoviert. „Man hat ja sonst nix um die Ohren“, sagt der 57-Jährige. Gern würden die Knoops mal wieder Städtetouren machen – nach Wismar oder Schwerin. Aber aufs Händeschütteln würden auch sie künftig gern verzichten.

Miriam Bräunlich: Das sieht die Delmenhorsterin etwas anders. „Ich fürchte, das Händeschütteln wird aussterben“, sagt die 43-Jährige, die dienstlich in Vegesack ist. Die Masken würde sie dagegen gern zügig entsorgen. „Und ich möchte nie mehr Überbrückungshilfe-Anträge für meine Mandanten stellen müssen“, sagt die Steuerberaterin. Positiv sei, dass ihre neunjährige Tochter während des Lockdowns bei Oma und Opa das Kochen gelernt habe.

„Sobald die Pandemie zu Ende ist, würde ich aber mit Kind und Kegel zu unserem Lieblings-Italiener Essen gehen. Da waren wir im Oktober zuletzt.“ Fehlen würden ihr die freien Wochenenden. Die Tochter spiele dann wieder Handball und der Ehemann Fußball. „Momentan haben wir zusammen viel mehr Qualitätszeit. Die Wochenenden genießen wir sehr“, sagt die Delmenhorsterin und ergänzt: „Wir haben zu Fuß schon die halbe Welt umrundet.“

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