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Millionenprojekt im Bremer Norden Groß, größer, Steingut-Quartier

Das Projekt, aus dem Gelände der Steingut AG ein neues Quartier zu machen, ist so groß, dass Investoren und Behörden zu Partnern wurden. Nun haben sie erstmals mit Anwohnern und Stadtteilpolitikern diskutiert.
28.05.2021, 19:00 Uhr
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Groß, größer, Steingut-Quartier
Von Christian Weth

Es gibt immer wieder mal Bauvorhaben in Bremen, die so groß sind, dass Investoren und Behörden zu Vertragspartnern werden, um sie zu entwickeln. Das Projekt, aus dem Firmengrundstück der Norddeutschen Steingut AG ein Quartier mit Wohnungen und Gewerbe zu machen, ist das erste im Norden, bei dem es dieses Bündnis gibt. Und eines, bei dem der Planungsstart anders verläuft als üblich: Noch bevor es um Entwürfe von Architekten geht, haben Anwohner gesagt, was sie wollen und was nicht – als Grundlage für einen Masterplan, der jetzt für die Zehn-Hektar-Fläche erarbeitet wird.

Die Bedeutung: Dass das Projekt anders ist als andere Vorhaben, macht das Aufgebot an Behördenvertretern deutlich, die an diesem Donnerstagabend beim Auftaktforum zum Steingut-Quartier dabei sind: Die Baustaatsrätin ist bei der Onlinekonferenz ebenso zugeschaltet wie die Senatsbaudirektorin, der kommissarische Bauamtsleiter wie ein Abteilungsleiter der Wirtschaftsbehörde. Die Zahl der Büros, die den Masterplan entwickeln sollen, ist ähnlich groß: Es sind drei. Thorsten Nagel und Olaf Mosel haben sie beauftragt. Die beiden Nordbremer Projektentwickler sagen, froh über so viel Untersützung zu sein. Zusammen bilden sie die Steingut Projekt GmbH & Co. KG. Sie hat das Firmengelände gekauft.

Das Ziel: Auf dem Grohner Grundstück soll etwas entstehen, was es republikweit noch nicht häufig gibt: Die beauftragten Stadt- und Landschaftsplaner sprechen von einem Ort der produktiven Stadt. Und davon, dass Wohnen und Arbeiten eine Symbiose eingehen sollen, die neuartig ist. Und weil es deshalb nur wenige Vorbilder gibt, können sie auch nur eine Handvoll Beispiele zeigen, wie diese Verschmelzung aussehen kann. Auf Illustrationen sind Gebäude zu sehen, in denen unten Betriebe und oben Wohnungen sind. Auf anderen ist es umgehrt. Von einer Stadt in der Stadt ist die Rede, aber nicht von einer, die abgeschottet ist. Das Steingut-Gelände soll sich zu allen Seiten hin öffnen, aber vor allem das Vegesacker Zentrum und die Jacobs University verbinden.

Der Entwicklungsstand: Seit Wochen sind die Planer dabei, das Grundstück und die Quartiere drumherum zu analysieren. Sie sagen, dass Wohnen und Gewerbe halbe-halbe machen könnten – und dass sie zum Gewerbe auch Supermärkte und Restaurants zählen. Wie viele Wohn- und Geschäftseinheiten geschaffen werden sollen, ist offen. Fest steht, dass ein Großteil der Steingut-Hallen für sie Platz machen muss. Nagel und Mosel sagen, dass sie so viele Klinkerbauten wie möglich erhalten wollen, eventuell auch einen der Schornsteine. Er könnte zur künstlichen Kletterwand werden. Ihnen zufolge steht kein Gebäude unter Denkmalschutz. Um das Gelände zu öffnen, sollen mehrere Zugänge geschaffen werden. Auch eine Brücke über die Bahngleise wird diskutiert.

Die Probleme: Die Planer sagen, dass es mehrere Herausforderungen für die Entwicklung eines urbanen Quartiers auf dem Steingut-Grundstück gibt. Ein Knackpunkt ist das Gelände selbst: Mal liegt es höher, mal niedriger als die umliegenden Grundstücke. Der Versatz beträgt an manchen Stellen mehrere Meter, was aus Sicht der Projektentwickler eine Anbindung nicht leichter macht. Eine andere Schwierigkeit hat mit der Lage des Grundstücks zu tun. Die Gleise und die A270 verlaufen so nah, dass die Grafiken, die die Lärmimmisson anschaulich machen, mal orange, mal dunkelrot sind. Die Planer meinen, dass darauf reagiert werden muss, genauso wie auf die Altlasten, die zwar nicht im Boden, aber in manchen Gebäuden stecken.

Die Potenziale: Nach Ansicht der Planungsbüros gibt es nur wenige Gebiete im Bremer Norden, die so verkehrsgünstig liegen wie das Firmengrundstück der Steingut AG. Ihnen zufolge ist die Innenstadt in 20 Minuten zu erreichen und die Vegesacker Fußgänger in weniger als zehn. Der Schönebecker Bahnhof ist zwar nah, könnte ihrer Meinung nach aber auch verlegt werden, um noch näher zu sein. Als weiteres Plus werden der Baumbestand und die Grünflächen drumherum bewertet. Die Planer finden, dass beide nicht nur zu erhalten sind, sondern auf dem Grundstück erweitert werden könnten. Auch die Nachbarschaft zur Schönebecker Aue und zur Weser bietet ihrer Meinung nach Potenzial. Genauso wie die zur Jacobs University.

Die Vorschläge: Anwohner und Stadtteilpolitiker – fast 50 sind es, die beim Auftaktforum mit Planern und Investoren diskutieren – wollen vor allem eines: eine Durchmischung. Die erwarten sie sowohl bei den Bewohnern als auch bei den Gebäudetypen. Nagel und Mosel sagen, dass sie ein Quartier für alle planen, aber nicht mit allen Immobilienarten. Das Einfamilienhaus soll es ebenso wenig geben wie ein Hochhaus. Anlieger und Beiratsvertreter finden gut, dass die beiden Investoren energieeffizient bauen wollen. Noch besser würden es manche aber finden, wenn sie vor allem auf Holz als Baustoff und auf weniger Auto- und mehr Fahrradstraßen setzten. Und wenn sie schon an eine neue Kita und eine neue Schule denken, dann bitte auch an eine Begegnungsstätte.

Das Verfahren: Die Vorschläge von Anrainern und Politikern sollen jetzt in den Masterplan eingearbeitet werden. Im Juli wollen alle noch einmal zusammenkommen. Dann wird es um die finale Fassung gehen. Der Masterplan bildet quasi die Basis für einen städtebaulichen Wettbewerb, der noch in diesem Jahr beginnen und im nächsten enden soll. Fünf bis sechs Architektenbüros sollen sich an ihm beteiligen. Der Siegerentwurf soll schließlich ins Bebauungsplanverfahren einfließen. Nagel und Mosel wollen Anfang 2023 so weit sein, dass die Arbeiten auf dem Steingut-Gelände beginnen können.

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