Vegesack. Gelegenheit macht Diebe. Manchmal auch Einbrecher. Die Polizei geht davon aus, dass viele Diebstähle und Einbrüche in Wohnhäusern verhindert werden könnten, wenn sie den Tätern nicht so leicht gemacht würden. In ihrer Präventionsarbeit setzt die Behörde deshalb auf gezielte Ansprache von Hausbesitzern. Kontaktpolizisten radeln durch die Wohnquartiere und halten gezielt Ausschau nach Schwachstellen.
Einer von ihnen ist Sieghard Siemann. Der Oberkommissar arbeitet seit 34 Jahren bei der Polizei, entsprechend häufig hat er schon mit Einbruchsopfern zu tun gehabt. "Meistens sind die echt geschockt, weil ihr Sicherheitsgefühl in der Privatsphäre erschüttert wurde", so seine Erfahrung. "Besonders für ältere alleinstehende Frauen ist das die absolute Oberkatastrophe. Die kriegt man kaum wieder beruhigt."
Als Kontaktpolizist (KOP) für den Vegesacker Ortskern nimmt sich Siemann die Zeit für solche Nachsorge-Gespräche. Sinnvoller sei sie aber in Prävention investiert, findet er. Denn für ihn liegt auf der Hand: "Wenn ich Gelegenheitstäter abblocke, steigt die Sicherheit im Haus signifikant." Der typische Gelegenheitstäter sei beispielsweise ein Drogenabhängiger, der Geld braucht, in einen Bus steigt und an einer Einfamilienhaussiedlung aussteigt, um dort zu schauen, ob es etwas zu holen gibt – ohne Werkzeug und genauen Plan.
Siemanns Botschaft: Manche Haus- und Wohnungsbesitzer machen es dieser Klientel zu einfach. Auf seinen Fuß- oder Radtouren durch die Quartiere findet er für diese Wahrnehmung täglich Belege. "Da steht dann das Garagentor offen, kein Auto drin, und der Junkie denkt sich seinen Teil. Im besten Fall findet er in der Garage auch noch das Werkzeug, mit dem er eine rückwärtige oder seitliche Tür aufmacht."
Überhaupt, die hinteren Zugänge. Zwischen denen und der Eingangstür des Hauses gibt es aus Siemanns Sicht häufig ein großes Sicherheitsgefälle – vorne Fort Knox, hinten das offene Scheunentor. Gerade bei Terrassentüren älterer Bauart empfehle sich eine technische Nachrüstung, die es Einbrechern erschwert, den Zugang mal eben aufzuhebeln.
Familie Marckardt hat das bereits getan. Nach einem Einbruchsversuch auf der rückwärtigen Seite des Hauses vor etwa zwei Jahren ließen die Eheleute einbruchhemmendes Glas einsetzen und die Verriegelung verbessern.
Bei seinem Besuch auf dem Grundstück an der Straße Am Tiefbrunnen macht Sieghard Siemann trotzdem keinen ganz zufriedenen Eindruck. Mit dem Blick eines potenziellen Einbrechers bemerkt er sofort, dass im hinteren Bereich des Grundstücks eine Gartenpforte offensteht. Wäre er ein Langfinger, würde er jetzt womöglich nach hinten durchgehen und dort versuchen, sich Zugang zum Haus zu verschaffen. "Wir sind hier in der Nähe der Autobahn", sagt Siemann im Gespräch mit Ilona Marckardt. "Wenn da gerade ein Lkw vorbeifährt, könnte ich hier sogar einen Gullydeckel in die Scheibe werfen. Das hört wahrscheinlich niemand." Erst recht nicht tagsüber, wenn in einer Wohnsiedlung wie In den Wellen/Am Tiefbrunnen kaum jemand zu Hause ist.
Ilonka Marckardt will’s beherzigen. Ein paar Ecken weiter steht das Haus des Ehepaares Rothkegel. Auch dort ist Sieghard Siemann nicht ganz glücklich mit dem, was er vorfindet. Vor allem mit einer ungesicherten Passage in den Garten, die auch von der Straße aus sichtbar ist. "So etwas erregt immer das Interesse von Gelegenheitstätern", klärt der Fachmann die Rothkegels auf. Er rät zum Einbau einer Durchgangstür. Das müsse nichts Aufwendiges sein, doch die Optik sei dann für Einbrecher und Diebe weniger einladend. Siemann und die Hausbesitzer kommen noch über andere Dinge ins Gespräch, auch ein Nachbar stößt dazu. Siemann bestätigt, dass elektrische Rollläden eine gute Idee wären. "Das ist ein Spitzen-Einbruchschutz." Und doch empfiehlt er, bei allem Streben nach Sicherheit nicht in Bunkermentalität zu verfallen. Absoluten Schutz könne es nicht geben. Siemann: "Wenn man es übertreibt und die Gedanken nur noch um dieses Thema kreisen, leidet die Lebensqualität."