Wenn die Familie nicht rechtzeitig mit dem Futter in den Garten kommt, schauen Loki, Lauder und Liza schon mal zur Terrassentür herein. Die zutraulichen Hühner der Familie Labuhn aus Vegesack stammen ursprünglich aus der Massentierhaltung, wo sie wegen mangelnder Legeleistung aussortiert wurden. Der Verein "Rettet das Huhn" hat sie vor dem Schlachthof bewahrt. Die Vegesacker haben davon erfahren und ihnen einen Stall und einen großen Auslauf gebaut. „Am schönsten war, als sie das erste Mal in der Sonne ein Sandbad genommen haben. Ich hätte stundenlang zugucken können, wie die Hühner wieder ins Leben gekommen sind – dafür lohnt es sich.“
Kann jeder ein Huhn retten?
Ja, jeder, der einem Huhn ein artgerechtes Leben schenken will, kann sich an den Verein „Rettet das Huhn“ wenden. Ansprechpartner für Norddeutschland ist Björn Hellmann aus Garlstedt. Er prüft die Kontaktdaten und auch, ob ein Auslauf vorhanden ist. „Es kriegt nicht jeder ein Huhn. Der ein oder andere hat keine Vorstellung davon, wie viel Auslauf ein Huhn benötigt. Manche denken, zehn Quadratmeter reichen für fünf Hühner. Wir rechnen aber zehn Quadratmeter pro Huhn: Sie sollen nicht vom Regen in die Traufe kommen.“ Abgegeben werden die Hühner auch nie einzeln, sondern immer mindestens paarweise. Damit die Tiere nicht doch noch geschlachtet werden, schließt der Verein einen Schutzvertrag mit den Abnehmern.
Ist die Vermittlung legal?
Ja, die Vereinsmitglieder schleichen sich nicht nachts in Ställe, versichert Mitorganisator Björn Hellmann. Der Speditionskaufmann spricht von Ausstallungen, die mit den Besitzern der kommerziellen Legehennenbetrieben abgesprochen sind. Björn Hellmann arbeitet seit Jahren mit denselben Betreiben zusammen.
Viele Betreiber der Ställe entsorgen ihre Hennen nach etwa einem Jahr. „Wenn wir sie nicht übernehmen, fahren sie in einen grausamen Tod in den Schlachthof – jährlich werden so allein in Deutschland über 51 Millionen Legehennen nach einem Jahr im Legebetrieb geschlachtet und durch neue Junghennen ersetzt. Rund 10.000 davon können wir jährlich retten...“, heißt es auf der Homepage des Vereins "Rettet das Huhn". Erst im Dezember haben Björn Hellmann und sein Team Hennen aus einem Betrieb in Osterholz-Scharmbeck befreit: "127 kleine Seelen wurden an über 30 Adoptanten vermittelt."
Sind die Hühner krank?
„Einige Hühner sind sehr zerrupft, manche halb nackt und sogar blutig gepickt“, berichtet Familienvater Dirk Labuhn. Die Vegesacker Familie hat mittlerweile Hühner aus verschiedenen Ställen adoptiert: „Wir haben acht Hühner aus drei verschiedenen Rettungen.“ Der Ingenieur zeigt auf eine Henne: „Hier sieht man, wo die Federn nachgewachsen sind.“ Andere seien weniger schlimm zugerichtet. Trotzdem: „Wenn es nicht mehr geht, muss man die Tiere im Zweifel auch einschläfern lassen.“
Je nachdem, aus welcher Haltungsform die Hennen stammen, sei ihr Zustand besser oder schlechter, berichtet Björn Hellmann. „Hier in Osterholz-Scharmbeck kommen die Hühner aus einer Bodenhaltung mit rund 200 Tieren, die auch mal raus können. Aber in Schleswig-Holstein werden 125.000 Tiere in vier Ställen gehalten. Das sind grausliche Bilder. Dabei sind Nutztiere genauso Lebewesen wie Hunde und Katzen, die fühlen die gleichen Schmerzen, die gleichen Sorgen.“
Generell gelte, dass Hühner aus Massentierhaltung anfällig für Krankheiten seien, häufig gebe es Probleme mit dem Legedarm. Menschen, die Hühner aus der Rettung aufnehmen wollen, sollten sich deshalb Gedanken machen, welcher Tierarzt in ihrer Gegend Hühner behandelt. Denn fällig werden regelmäßig auch Impfungen und Wurmkuren.
Legen die Hühner noch Eier?
Die Hybriden werden in den Legebatterien aussortiert, weil ihre Legeleistung nachlässt. Von ihren acht Hühnern bekommt Familie Labuhn aber mindestens vier Eier pro Tag. „Die Hühner legen Rieseneier“, erzählt Edith Labuhn und zeigt, dass die XL-Eier tatsächlich nicht in einen herkömmlichen Eierkarton passen.
Die Eier der eigenen Hühner schmeckten deutlich besser als aus jedem Supermarkt: „Die haben auch eine ganz andere Farbe“, meint Dirk Labuhn. Vielleicht liegt es daran, dass die Hennen die Eier dort legen dürfen, wo sie wollen: „Am liebsten legen sie unter dem Buchsbaum“, weiß Edith Labuhn. „Da haben sie sich eine Kuhle geschart.“ Huhn Mütze habe einen eigenen Lieblingsplatz: unter der Tanne. „Es sind aber nicht die billigen Eierlieferanten, sondern es sind Haustiere, die ein Leben lang täglich versorgt werden müssen“, gibt die Hobbyhalterin zu bedenken.
Wie lange leben die Hühner?
Die Ex-Hochleistungshennen sind nach Vereinsangaben bei ihrer Rettung im Schnitt 16 Monate alt. „Die Lebenserwartung liegt nur noch bei drei bis vier Jahren“, weil die Hybridhühner so ausgelaugt sind“, erklärt Björn Hellmann. Ihm ist es wichtig, dass die Hühner „einen schönen Lebensabend haben“. Der Speditionskaufmann selbst hält in seinem Garten 20 gerettete Hühner. Sie seien sehr zutraulich und säßen gern auf seinem Schoß.
Werden die Hühner verschenkt?
„Wir geben die Hühner kostenlos ab“, versichert Vereinsmitglied Björn Hellmann. Allerdings würden die Ausstallungen über Spenden finanziert. Geld wird etwa für den Transport der Tiere benötigt. Da die Betreiber der Legebatterien anonym bleiben wollen, holen die Abnehmer ihre Hühner bei ihm in Garlstedt ab. „Wir stellen bei den Abholungen der Tiere Spendendosen auf, jeder entscheidet selbst, ob und wie viel er gibt. Manche geben zwei Euro pro Huhn, andere geben 100 Euro für drei Hühner.“