Das nennt man wohl "aktive Pause" – und eine sehr erfolgreiche noch dazu. Seit August 2024 studiert Christine Ruff im US-amerikanischen Oklahoma Geografie und nutzt die aktuellen Semesterferien zu einem Besuch in der Heimat in Vegesack. Für die Ruderin des Vegesacker RV steht bei ihrer Stippvisite neben Familie und Freunde aber natürlich auch der Sport ganz oben auf der Prioritätenliste, und so war der Start bei der Deutschen Meisterschaft in Köln lange geplant. Was der 18-Jährigen dort jedoch an der Seite von Tiannah Carow gelang, war dann doch schon alles andere als erwartet, denn das völlig neu zusammengewürfelte Duo holte sich im sogenannten Leichtgewichts-Zweier-Ohne auf Anhieb die Bronzemedaille. "Natürlich will man immer das Optimale, aber ich ich bin natürlich sehr zufrieden, dass es mit uns so gut geklappt hat", freute sich Christine Ruff.
Dieser Erfolg ist umso bemerkenswerter, da Christine Ruff, die im September ihren 19. Geburtstag feiert, nach ihrer Zeit bei den Juniorinnen erstmals im Seniorenbereich gestartet war. Noch jünger ist die 17-jährige Tiannah Carow, sodass der Abstand zu der am Ende knapp siegreichen Konkurrenz zwei bis drei Jahr betrug. Noch erstaunlicher ist allerdings, mit wie wenig Vorbereitungszeit das Duo in Köln antrat. Seit rund sieben Wochen ist Christine Ruff wieder in Deutschland und seit etwa vier Wochen wissen die beiden überhaupt erst voneinander.
Initiator dieses Erfolgsgespann ist VRV-Trainer Ulli Temme. Der war am Rande einer anderen Regatta mit dem Trainer von Tiannah Carow vom Kieler RC ins Gespräch gekommen. "Tiannah brauchte eine Partnerin und da kam mir natürlich Christine in den Sinn", sagt Temme. Zwei Wochen später saß das neue Tandem erstmals gemeinsam im Doppel-Zweier und die Premiere in Otterndorf gelang nahezu optimal. "Alle vier 1000-Meter-Rennen wurden gewonnen. Jetzt musste geschaut werde, ob dies auch über die 2000 Meter, die bei der Deutschen Meisterschaft gefahren werden, klappen könnte", erklärt der VRV-Trainer. In Preetz offenbarte sich dann jedoch, dass der Doppel-Zweier doch nicht ganz so optimal für das Duo war, im Zweier-Ohne lief es dagegen deutlich schneller. Damit stand fest, dass die beiden in Köln bei der DM in dieser doch deutlich schwierigeren Kategorie antreten werden.
"Der Zweier-Ohne ist technisch ziemlich anspruchsvoll und erfordert von den beiden Aktiven im Boot viel Rhythmus und extreme Synchronität. Wir haben ja nur ein Ruder und wenn da der Ablauf nicht stimmt, drehen wir uns praktisch im Kreis", erklärt Christine Ruff. Rhythmus und Synchronität stimmten bei den beiden trotz geringer Vorbereitungszeit. Auf der traditionellen Regattastrecke auf dem Fühlinger See lief es dann für Ruff/Carow auf den ersten 250 Metern nahezu optimal. Lange Zeit führte das Duo, um dann bei etwa 1500 Metern auf Rang zwei zu liegen und etwa 500 Meter vor dem Ziel noch auf Platz drei zu rutschen.
Ulli Temme, der das Gespann vor Ort betreute, war sehr zufrieden mit dem Auftritt. "Das haben die beiden richtig gut gemacht. Ohne technische Fehler haben sie ein optisch sehr stabiles Rennen abgeliefert. Nur auf den letzten 500 Metern fehlte vielleicht dann doch ein wenig die Kraft, um noch einmal auf Attacke zu fahren. Am Ende war es einfach toll, wie die beiden sich verkauft haben", sagt er.
Einen Wermutstropfen musste Christine Ruff dann allerdings doch noch schlucken. Denn eigentlich wollte sich die 18-Jährige in Köln auf ihr Einzelrennen konzentrieren, bis dann die Idee eines Zweier-Starts dazwischen kam. Sie startete zwar dennoch im Einer und kam mit einer guten Leistung auch ins A-Finale. Doch den Start in der Endrunde musste sie dann sausen lassen. "Die Finals im Einer und Zweier waren im 20-Minuten-Abstand angesetzt. Das hätte ich körperlich nicht hinbekommen. Das Einer-Finale abzusagen, war für mich schon ziemlich hart, denn ich hatte sehr hart daran gearbeitet", sagte Christine Ruff. Und so fiel Ulli Temme nach dem erfolgreichen Zweier-Start auch eine große Last vom Herzen. "Ich hatte Christine nach der verpassten Einer-Chance so sehr eine Medaille gewünscht. Jetzt kann sie ihre innere Ruhe finden und im nächsten Jahr dann richtig durchstarten."
Worte, die bei der ambitionierten Studentin auf fruchtbaren Boden fallen werden. Doch gemach – jetzt geht es für sie allerdings erst einmal in den verdienten Familienurlaub nach Kroatien.