„Man kann gar nicht beschreiben, wie schön es ist, nach dem Lockdown wieder reale Konzerte erleben zu können“, sagt Marita Jerko aus St. Magnus. „Nach so langer Zeit genießt man es doppelt.“ Zum ersten Mal nach vielen Monaten gab es in der Grünanlage von Schloss Schönebeck wieder eine Musikaufführung – nicht auf flachen Bildschirmen, sondern in der leibhaftigen Gestalt der renommierten Sopranistin Julia Bachmann, die von Klavier und Cello begleitet wurde.
Elfriede Frömming war mit ihrem Mann sogar aus Bremen-Findorff angereist und hat eigene Sitzgelegenheiten mitgebracht: „Es ist so schön, dass es wieder Konzerte gibt, obwohl wir Julia Bachmann im letzten Jahr auch live im Bürgerpark erleben durften“, sagt sie. Ihr Mann habe sich während des Lockdowns mit dem Hören von CDs beholfen, doch für Elfriede Frömming ist das kein Ersatz für eine echte Musikaufführung unter freiem Himmel.
Die Hitze der Tage zuvor war zum Konzert einer lauen Luft mit angenehmen Temperaturen gewichen, als Julia Bachmann auf der Wiese hinter dem Schloss Schönebeck Arien aus Mozart-Opern vortrug. Ihr klangvoller Gesang unter hohen Bäumen inspirierte offenbar auch Buchfinken und Amseln, um so kräftiger zu singen – immer wieder mischten sich laute Vogelstimmen in die eleganten Gesangslinien, dramatischen Koloraturen und das ekstatische Auf und Ab der Stimme von Julia Bachmann.
Nachdem die Sängerin im letzten Jahr auf der Treppe des Schlosses Auszüge aus Giuseppe Verdis „La Traviata“ vorgetragen hatte, standen nun Opern von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Programm. Im Rahmen der Reihe „Musikalischer Gartensalon“ hatten die Organisatoren zu dem bunten Reigen zahlreiche Arien eingeladen.
Mozarts „Don Giovanni“ gilt nach Richard Wagners Wort als die „Oper der Opern“ und ist von einem leidenschaftlichen Grundton geprägt, mit vielen düsteren Klängen – schließlich geht es um den zügellosen Eroberungsdrang eines Frauenhelden, der zugleich die göttliche Weltordnung herausfordert. Entsprechend begann Julia Bachmann, die den Part der verführten Donna Anna singt, in einer Kapelle, in der sie zu Gott betet.
Damit die Zuhörer das Geschehen einordnen konnten, gab Julia Bachmann jeweils Erläuterungen zu den Partien, aus denen sie vortrug: „Donna Anna hat Bekanntschaft mit Don Giovanni gemacht, ist aber eigentlich schon einem anderen versprochen“, erklärte die Sopranisten und weiter, „doch der Verführer überlegt, wie er sie am besten herumkriegen kann“. Mit ausdrucksvoller Stimme brachte die Sängerin im Anschluss die Hoffnung Donna Annas zum Ausdruck, dass Don Giovanni endlich verschwinde. Andererseits ist die so besungene Protagonistin auch von seinem sanften Draufgängertum fasziniert – unbewusste Vorgänge, die von der musikalischen Sprache Mozarts subtil zum Ausdruck gebracht werden.
Die Gefühlslagen wechseln abrupt, wenn Don Giovanni seinen Arm um Donna Anna legt: Erschrockenheit und Zorn verschaffen sich in ekstatischen Koloraturen Luft. „Wo so viel Feuer ist, ist wohl auch viel Feuer in der Liebe“, sagt sich Don Giovanni und bringt Donna Anna schließlich nervlich ans Ende. Kaltblütig wartet der Verführer den Moment ab, in dem sie allein zuhause ist. „Das Herz rutscht ihr da wohl in die Hose“, bringt es Julia Bachmann auf den Punkt, „doch zu Mozarts Zeiten drückte man dies anders aus“, und singt das ergreifende „Kummer ruht in meinem Schoss“. Der Drohung Don Giovannis, sie zu nehmen, setzt Donna Anna die passende musikalische Antwort entgegen: mit extrem schwer zu singenden Intervallsprüngen in höchste Höhen der menschlichen Stimme.
Nach der Pause runden weitere Arien, die aus Mozarts „Zauberflöte“, „Figaros Hochzeit“ und „Die Entführung aus dem Serail“ stammen, einen – laut Zuhörer immer wieder betonten – wunderbaren Abend im großen Garten ab. Einen Garten, in dem Amsel und Buchfink zuhause sind, die immer wieder die Gesänge von Julia Bachmann untermalten.