Schönebeck. Am 1. Oktober 1821 gab Diedrich Heinrich Wätjen (1785-1858) die Gründung seines Unternehmens bekannt, das sich zur größten privaten Segelschiff-Reederei Bremens und zeitweise auch Deutschlands entwickeln sollte. Von der Weser in die weite Welt – das kann als Kurzformel für die Entwicklung der Bremer Reederei D. H. Wätjen & Co. gelten. Das Heimatmuseum Schloss Schönebeck widmet dieser Geschichte jetzt die Ausstellung „200-jähriges Gründungsjubiläum der Segelschiffsreederei D. H. Wätjen & Co, Bremen“ und erinnert damit an ein bedeutendes Kapitel Bremer Schifffahrtsentwicklung. Eigentlich sollte die Ausstellung bereits 2021 stattfinden, musste coronabedingt jedoch verschoben werden.
Das erste Schiff, das für seine Reederei segelte, benannte Wätjen im Übrigen nach seiner Frau „Louise“. Der kleinen Brigg „Louise“ folgten viele weitere Schiffe: In der 100-jährigen Geschichte der Reederei befuhren insgesamt 126 Schiffe von D. H. Wätjen & Co. die Meere der Welt. Die ersten Schiffe der Reederei Wätjen transportierten Waren nach England und auch Amerika. Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Reederei ins Auswanderergeschäft ein. Mit Menschen, die in der Neuen Welt ihr Glück suchten, ging es auf der Hinfahrt über den großen Teich. Auf der Rückfahrt transportierten die Schiffe Tabak, Zucker und Baumwolle.
Ein Schloss in Wätjens Park
1850 übernahm Christian Heinrich Wätjen (1813-1887) die Geschäftsführung. Neue Fahrziele (Asien, Südamerika und Australien) und neue Waren (Reis, Tee, Guano, Petroleum und Salpeter) kamen hinzu. Es waren goldene Jahre; der wachsende Reichtum der Familie wurde in ihren Wohnsitzen sichtbar, beispielsweise in der Prachtvilla am Osterdeich oder dem Schloss in Wätjens Park, das heute noch steht.
Die Erfolgsgeschichte der Reederei wurde und wird sorgfältig dokumentiert: „Ich habe von meinem Ururgroßvater etwa 12.000 Geschäftsbriefe“, sagt Eduard Wätjen. Der 51-jährige Kunsthistoriker archiviert die Geschichte seiner Familie seit vielen Jahren. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er mit Peter-Michael Pawlik und Henning Wätjen das Buch „Die Schiffe der Bremer Reederei D. H. Wätjen & Co.“. Und gemeinsam mit dem Team des Heimatmuseums Schloss Schönebeck hat er die aktuelle Ausstellung zusammengestellt, in der Exponate aus dem Bestand des Museums, aber auch viele Leihgaben aus Privatbesitz zu sehen sind.
Familie, Schiffe und Häuser zu sehen
Es gibt Ausstellungsstücke zur Familie Wätjen, zu den Schiffen und zu den Häusern. In einer Vitrine ist beispielsweise ein Album mit der Aufschrift „Blumenthal“ zu sehen. Die aufgeschlagene Doppelseite zeigt Fotografien aus dem Inneren von Wätjens Schloss aus den 1890er Jahren. Nicht fehlen dürfen die sogenannten Kapitänsbilder. Auch wenn die Bezeichnung es zunächst vermuten lässt, waren es nicht die Kapitäne, die den Malern hier Modell standen, sondern ihre Schiffe. Die Kapitäne – manchmal auch die Reeder – gaben die Bilder in Auftrag. Die Fotografie steckte noch in den Kinderschuhen und so sind es heute jene Kapitänsbilder, die eindrucksvoll und oft farbenprächtig an eine Zeit erinnern, als die Großsegler noch die Königinnen der Meere waren.
Die Schiffe der Wätjen-Flotte sind gut an ihrer Flagge zu erkennen; das weiße W auf dunkelblauem Grund. Ein Bild zeigt die Bark „Wieland“ im Golf von Neapel. Im Hintergrund ist der qualmende Vesuv zu erkennen. Ungewöhnlich das Bild der „Nordstern“ – das Vollschiff wurde bei Nacht gemalt. „Vielleicht war das dem Namen des Schiffs geschuldet“, vermutet Eduard Wätjen mit einem Augenzwinkern.
Leihgabe aus dem Haus Seefahrt
Eine Leihgabe, über die sich Eduard Wätjen und Holger Schleider, der Vorsitzende des Heimat- und Museumsvereins, besonders freuen, ist ein Porträtgemälde von Christian Heinrich Wätjen, das eigentlich im Haus Seefahrt hängt. Auch eine opulent bemalte Seekiste von Bord der „Charles Lüning“, Fotografien einiger Schiffsbesatzungen und Schiffsmodelle sind zu sehen. Außerdem werden einige Gipsmodelle von Nikolaus Bunkenborg gezeigt. Anhand dieser Modelle wurden Galionsfiguren für Wätjenschiffe hergestellt. Darunter auch ein Gipsmodell vom Kopf des Reeders Christian Heinrich Wätjen. Wer genau hinschaut, kann den Galionskopf en miniature am Modell des Schiffes „C. H. Wätjen“ in der Vitrine unter der Treppe entdecken.
Zwischen 1881 und 1884 erwarb die Reederei auch vier Dampfschiffe. Um aber mit den Seglern weiterhin verdienen zu können, wurden gebrauchte Schiffe angekauft, was zu einer Überalterung der Flotte führte. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts begann auch der Niedergang der Reederei; mit den modernen Dampfern konnten die Segelschiffe nicht mehr mithalten. Die Flotte wurde immer kleiner. Das letzte Schiff, die Bark „Excelsior“ musste 1921 verkauft werden. 1948 wurde die Reederei aus dem Bremer Handelsregister gelöscht.