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Kampagne in der Ostsee "Es muss richtige Meeresnationalparks geben"

"Es muss Meeresnationalparks geben, die für Fischerei gesperrt werden, in denen Tiere einen Rückzugsraum haben." Das fordert Flo Stadler von Sea Shepherd im Gespräch mit unserer Zeitung.
16.07.2021, 19:00 Uhr
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Von Patricia Brandt

Herr Stadler, Sie leiten derzeit eine neue Kampagne von Sea Shepherd in der Ostsee. Wie verbringen Sie die Tage?

Flo Stadler: Wir haben unser Camp zurzeit auf Rügen aufgeschlagen. Wir stehen meistens um sieben Uhr auf, fahren um 8 Uhr mit der Emanuel-Bronner raus zu Patrouillenfahrten. Parallel ist das Landteam unterwegs, macht Beach-Clean-Ups und dokumentiert Totfunde, die dem Meeresmuseum in Stralsund gemeldet werden.

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Was ist der Schwerpunkt der Kampagne? Worum geht es?

Grundsätzlich setzt sich die Kampagne mit all ihren Facetten fu?r den Erhalt der Ostsee ein. Ein Kampagnenschwerpunkt ist das Auffinden von Geisternetzen, herrenlosen Netzen, die durchs Meer geistern und zur Gefahr von Meeresbewohnern werden. Wir suchen die Netze gezielt, zum Beispiel mit Hilfe von Unterwasserrobotern. Sobald wir eines gefunden haben, gehen wir mit Tauchteams ins Wasser, um die Netze zu bergen. Es gibt aber auch einen investigativen Part: Wir observieren Fischer, denn nach wie vor ist illegale Fischerei in der Ostsee ein Thema. Dabei geht es auch um das Verbot, Beifang im Meer zu entsorgen.

Warum wird Beifang über Bord geworfen?

Es gibt verschiedene Gründe, warum Fischer den Beifang nicht abliefern wollen. Alles, was sie anlanden, wird zum Beispiel von der Quote abgezogen. Es ist also ein finanzieller Anreiz, auf See die minderwertige Ware zu entsorgen. Es gibt Studien, die besagen, dass 85 Prozent der Fischer ihren Beifang illegal entsorgen. Wir wollen, dass das juristisch nachverfolgt wird.

Gab es bereits Auseinandersetzungen mit Fischern?

Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen. Wir verhalten uns so professionell wie möglich. Aber dass man von Fischern bedroht und beleidigt wird, gehört zur Tagesordnung.

Bremen ruft seine Bürger derzeit auf, sich mit Anregungen für einen neuen Plan zum Schutz der Meeresgewässer zu beteiligen, da die aktuellen Ziele der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinien nicht erreicht werden. Was wären wichtige Schritte?

Im Rahmen der Natura 2000 wurde EU-weit definiert, welche Gebiete schützenswert sind. Für uns ist wichtig, dass diese Schutzgebiete nicht nur zahnlose Papiertiger bleiben. Es muss richtige Meeresnationalparks geben, die für Fischerei gesperrt werden, in denen Tiere einen Rückzugsraum haben. In einem zweiten Schritt müsste man diese Habitate vernetzen, damit die Migrationsrouten sicher sind. Denn die Tiere bleiben nicht in einem Gebiet: Schweinswale wechseln zum Kalben die Gebiete. Und dass mit dem Fehmarnbelt momentan ein 18 Kilometer langer Tunnel gebuddelt wird, widerspricht dem Schutzgedanken von Meeresnationalparks. Wenn wir diese Schritte unternehmen und Fangmethoden wie Stellnetze verbieten, dann haben wir viel erreicht.

Warum sollten gerade Stellnetze verboten werden?

Weil viel Beifang in diesen Netzen hängen bleibt und diese Netze so dünn sind, dass sich Seevögel, Jungfische, aber insbesondere die Schweinswale und Robben darin verheddern und qualvoll ertrinken.  Wir haben erst kürzlich zwei Kegelrobben entdeckt, die den gleichen Verwesungszustand hatten. Wir gehen davon aus, dass sie sich in einem Netz verheddert haben, ertrunken sind und dann von Fischern ins Meer geworfen wurden.

Bremen will seine Beteiligung am Schutz der Meere ausweiten. Was kann und muss die Hansestadt Ihrer Meinung nach unbedingt tun?

Vieles hängt an der Bürokratie. Meeresschutzgebiete sind teilweise Landessache, teilweise Bundessache. Ich denke, dass wir stringente Methoden finden müssen, um gemeinsame Ziele zu erreichen.

Bremen-Vegesack ist der Hauptsitz von Sea Shepherd. Ist die Organisation ausreichend im Stadtteil verankert?

Vegesack ist nicht nur unser Hauptquartier – es ist unser Heimathafen und auch unser stationärer Shop ist dort angesiedelt. Ich würde es toll finden, wenn dieser Ort zum Austausch genutzt würde. Aktuell kommen Besucher vordergründig, um Kleidungsstücke aus der Kollektion zu kaufen, zukünftig wäre es schön, wenn es auch als eine Art Anlaufstelle zum Informieren und Austauschen genutzt würde.

Wie kann eine bessere Zusammenarbeit zwischen Bremen und Sea Shepherd aussehen?

Bremen unterstützt uns seit vielen Jahren sehr gut, und wir wissen dies sehr zu schätzen. Ich weiß noch, als wir 2015 zu einer Kampagne zu den Färöer Inseln ausgelaufen sind. Das Feedback der Bremer war überwältigend. Es gab viel Zuspruch und viele Spenden. Es gab Tausende von Leuten, die unser Schiff angeguckt haben. Wenn deutlich wird, dass Bremen für Sea Shepherd tatsächlich der Heimathafen ist, wäre das ein Hit. Denn unsere Operationen sind sehr kostenintensiv. Die Schiffe müssen regelmäßig gewartet werden, wir brauchen auch Hilfe von Spezialisten, viele Arten von Unterstützung.

Das Interview führte Patricia Brandt.

Zur Person

Flo Stadler

stammt aus Berchtesgaden, hat medizinische Elektronik studiert und vor einem Jahr seinen Job gekündigt, um für die gemeinnützige Organisation Sea Shepherd für den Schutz von Meerestieren zu kämpfen.

Zur Sache

Das Programm zum Schutz der Meere

Schadstoffeinträge, Abfall, Fischerei oder Lebensraumverlust wirken derzeit den Zielen der europäischen Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) entgegen. Das Programm hat nicht geholfen, einen guten Umweltzustand der Meere zu erreichen. Das hat eine Zustandsbewertung von 2018 gezeigt. Nun soll das Programm ergänzt werden. Mehr als 50 Maßnahmen sind bis 2027 vorgesehen. Weil Bremen als maritimes Zentrum an der Weser mit Nähe zur Nordsee beim Meeresschutz ein besonderer Status zukommt, weitet das Umweltressort seine Beteiligung für den Meeresschutz von acht auf 14 Maßnahmen aus. So soll der Umgang mit Schiffsabwässern beim Hafenbetrieb reguliert werden. Ebenso sollen Vorgaben zur kommunalen Plastikmüllreduzierung entwickelt werden. Bürger, die bis Jahresende Anregungen für das Programm einbringen möchten, finden im Internet Informationen zum Beteiligungsverfahren: unter www.bauumwelt.bremen.de.

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