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Gutachten zu Vornamen "Name darf das Kindeswohl nicht gefährden"

Wann ist ein Babynamen zulässig? Im Zweifel empfiehlt das Bremer Standesamt Eltern ein Gutachten bei der Uni Leipzig einzuholen. Das sagt die Namensforscherin zu ungewöhnlichen Namenswünschen...
02.03.2022, 11:00 Uhr
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Von Patricia Brandt

Frau Kremer, bei besonders kuriosen Namenswünschen empfiehlt das Standesamt Eltern, ein Gutachten von der Uni Leipzig einzuholen. Wie oft wird die Uni tätig?

Im letzten Jahr hatten wir über 500 Anfragen bezüglich der Zulässigkeit von Vornamen, 250 schriftliche Gutachten haben die Uni verlassen.

Ist die Uni Leipzig die einzige Einrichtung bundesweit, die diese Gutachten erstellt und was kostet ein solches Schriftstück?

Neben der Namenberatungsstelle der Universität Leipzig gibt es auch noch die Vornamenberatung der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Derzeit ist die Vornamenberatung bei uns nicht besetzt, aber in Wiesbaden kann man sich über eine kostenpflichtige Telefonnummer informieren beziehungsweise für 35 Euro ein Gutachten für das Standesamt erstellen lassen.      

Hilft das Gutachten den Eltern in jedem Fall, ihren Wunsch durchzusetzen?

Erfahrungsgemäß sind die Standesbeamten sehr dankbar für Expertisen der Namenberatungsstellen, aber nein, der Standesbeamte kann dennoch anders entscheiden.

Wie entscheiden Sie, ob ein Name zulässig ist?

Es wird geprüft, ob es sich bei dem Sprachzeichen überhaupt um einen Namen handelt und was dessen Bedeutung in der jeweiligen Sprache ist. Es geht dabei primär darum, dass der Name nicht das Kindeswohl gefährdet. Schwieriger ist die Entscheidung darüber ob ein Sprachzeichen, das von den Eltern er- oder gefunden wurde, als Name eingetragen werden sollte, da ist tatsächlich manchmal guter Rat teuer, und wir haben manchmal auch im Team unterschiedliche Meinungen. Die letzte Entscheidung liegt immer beim Standesbeamten. Und: Zunehmend entscheiden die Standesbeamten auch ohne unsere Beratung beziehungsweise Empfehlung.

Was war der ausgefallenste Name, der an Sie herangetragen wurde?

Es gab einige „Namen“, die wir im letzten Jahr nicht empfohlen haben, einfach weil wir uns nicht vorstellen konnten, dass ein Kind mit so einem Sprachzeichen „gut aufgehoben“ ist. Ich möchte aber keine Beispiele nennen, weil es ja sein kann, dass diese Namen dennoch eingetragen wurden.  

Es scheint, als würden Bremer Eltern mutiger bei der Wahl der Namen...

Ja, die Vielfalt der Namen beziehungsweise Namensformen nimmt ganz klar zu und so kommt es auch dazu, dass heute viel mehr Einzelexemplare in den Listen zu finden sind als noch vor Jahren. In Leipzig sind zum Beispiel von den 1194 Mädchennamen (Erstnamen) unglaubliche 690 Vornamen nur ein Mal vergeben worden.

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Wie begründen Sie den Trend zu ausgefallenen Namen?

Mit der Herausbildung der „freien Namengebung“, also ohne jegliche Verpflichtung den Vorfahren oder Paten gegenüber, was Nachbenennung beziehungsweise Nachnutzung bekannter Namen bedeuten würde, werden Eltern kreativer und nutzen damit eben auch Namen aus ihren Interessengebieten – Nachbenennung nach Schauspielern, Sängern, Sportlern und anderen. Das sind dann Namen, die aus ganz unterschiedlichen Sprachen stammen. Dazu kommt, dass viel weniger Kinder in den Familien geboren werden und dann auch gern ein unikaler Name für das zum Beispiel Einzelkind vergeben wird. Manchmal bekommen wir auch Anfragen, ob der Name xy schon mal vergeben wurde beziehungsweise Eltern berichten ganz stolz, dass sie die ersten seien, die diesen Namen vergeben haben.  

Woher rührt Ihr Interesse? Hat das etwas mit Ihrem eigenen Vornamen zu tun, der auch eher ungewöhnlich ist?

Ja, mein Name Dietlind  ist eher selten, aber nicht deshalb bin ich bei der Namenforschung gelandet, das hatte andere Gründe. Aber nützlich war der Name 1987 schon, denn die Tochter des damaligen Lehrstuhlinhabers heißt auch Dietlind und ich glaube ganz sicher, dass der Name irgendwie für mich sprach und er mich gern in seinen Wissenschaftsbereich aufnahm. Die Beschäftigung mit Namen ist mein Beruf und das schon seit 35 Jahren. Die Universität Leipzig vereint Forschung, Lehre und Beratung zu Namen aller Art und ich fühle mich privilegiert, in diesem deutschlandweit einmaligem Gefüge arbeiten zu können. Namenforschung ist ein weites und interdisziplinär ausgerichtetes Fach, was noch dazu alle Menschen betrifft. Jeder trägt Namen und viele vergeben auch Namen, da hat man immer ein Thema. Neben historischen sind es auch immer ganz aktuelle Fragen, die in meine Arbeit einfließen: Namenforschung ist nie langweilig.

Was sagen Namen aus?

In allererster Linie sagen Vornamen etwas über die Interessen und Vorlieben der Eltern aus, denn sie wählen die Namen für ihre Kinder aus.

Wann empfinden wir Namen als wohlklingend?

Namen sind dann wohlklingend, wenn es etwas klingen kann, also mehrere Silben mit zum Beispiel wechselnden Vokalen. Falk oder Kurt da kann nicht viel klingen, aber bei Ka-ro-li-na – das ist doch wie Musik in den Ohren.

Das Interview führte Patricia Brandt

Zur Person

Dietlind Kremer

ist Leiterin der Namenberatungsstelle der Universität Leipzig. Von 2007 bis 2011 war sie stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft für Namenkunde.

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