Herr Olm, in Bochum geboren, mit Anfang 20 nach Berlin gezogen, als Musiker, Komiker, Parodist in einschlägigen Berliner Klubs unterwegs. Wollten Sie schon immer auf die Bühne oder wussten Sie einfach nur nicht, wohin der Weg gehen sollte?
Hans Werner Olm: Das weiß man als junger Mensch ‚eh nicht, da gibt es Wünsche wie Lokomotivführer und Ähnliches. Ich wusste nur eines: Das bürgerliche Leben „nine to five“ wollte ich nicht. Berlin, das bot damals unzählige Möglichkeiten, man brauchte nicht zur Bundeswehr, lebte in einer Metropole, heute würde man sagen in einem „Hotspot“. Zufällig gab es dann für mich die Option der Bühne, da habe ich – Wassermann-typisch – diesen Weg genutzt.
1976 gründeten Sie dann mit Jürgen von der Lippe die Gebrüder Blattschuss, wirkten am ersten Album mit.Ach, das sind ja mittlerweile schon Legenden: Jürgen von der Lippe, Beppo Pohlmann, Hans Marquardt, Harald Wolff. Das war so eine Spontanidee nach dem Motto, „komm, machen wir doch mal etwas“. Ich war damals ein Jungspund, die anderen alle so fünf bis sechs Jahre älter als ich und ich suchte Orientierung. Nach einem Jahr bin ich dann aber ausgestiegen. Ich wollte Revolutionär sein.
Es folgt Ihre erste Single-Veröffentlichung „Shit-Parade“, dann plötzlich drei Jahre, in denen Sie als Straßenmusiker und Aktionskünstler durch Europa ziehen. Warum drei Jahre europäisches Ausland?Alles, was ich mache, mache ich mit Leidenschaft. Die Musik machte mich bekannter, ich verdiente ein paar Mark. Dann wollte ich leben. Das kann ich jungen Menschen im Übrigen nur empfehlen: raus aus dem engen Tunnelblick, den ständigen Anforderungen, den Sätzen wie: „Das darfst Du, das darfst Du nicht“. Ich habe mich auf Europas Straßen ausprobiert, zahlreiche Menschen kennengelernt. Das war meine revolutionärste, lebendigste, schönste Zeit. Was ich allein in den drei Jahren an Geschichten erlebt habe...
Stimmt es, dass Sie auch mal in der Villa Kunterbunt, in der legendären Hamburger WG mit Otto Walkes, Udo Lindenberg, Marius Müller Westernhagen zusammen wohnten?Nein, ich war in der Berliner Szene Zuhause, mit Klaus Hoffmann, Klaus Lage, Jürgen von der Lippe und vielen mehr.
Sie waren Moderator, Gagschreiber, Redakteur, sind die Synchronstimme mancher Film- und Hörbuchstars, haben und hatten eigene Shows, agieren beim Musical als Zahnarzt Dr. Orin im Kleinen Horrorladen genauso selbstverständlich wie als parodierender Rockmusiker, als Kolumnist für den Playboy, die FHM oder als versierter Fußballkenner mit satirischen Beiträgen für den Kicker. Sie arbeiten sozusagen auf, vor und hinter der Bühne. Worin bestehen die Unterschiede?Es gibt keine großen Unterschiede, man sollte jederzeit das Beste geben – sofern man das nötige Talent besitzt und Verantwortung übernimmt. Eine Verantwortung immer in Dienst eines Kulturschaffenden. Für mich waren und sind dies alles tolle Stationen. In einer Szenekneipe wurde ich angesprochen, ob ich für Radio Luxemburg arbeiten möchte. Damals waren so bekannte Leute wie Hugo Egon Balder und Thomas Gottschalk mit dabei, oder Jacky Dreksler, der dann ja RTL Samstag Nacht mit ins Leben rief. Radio Luxemburg war eine Art Piratenradio, über den Ticker kamen Meldungen aus aller Welt, die wir zu lustigen Scherzen verarbeiteten. Wir durften alles machen und sagen, eine tolle Zeit. Nicht wie heute, wo jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird.
2009 widmeten Sie Ihrem Heimatverein VfL Bochum die CD „Power im Revier“. Was bedeutet für Sie das Ruhrgebiet?Es ist immer noch Heimat, obwohl ich seit 40 Jahren in Berlin wohne. Das Ruhrgebiet, da sind meine Wurzeln. Die Menschen im Ruhrgebiet sind ehrlich, geradeaus, anständig, vielleicht manchmal ein bisschen laut, aber immer noch bescheiden. Dabei haben die Menschen im Ruhrgebiet Migration schon früh gelebt. Ich denke da an meine Kindheit. Mein Vater brachte zu Weihnachten einen türkischen Arbeitskollegen, später einen Italiener, dann einen Griechen mit. Die waren schließlich allein in einem fremden Land. Gastfreundschaft ist für mich als Mensch aus dem Ruhrgebiet selbstverständlich, ich bin so groß geworden. Deshalb kann ich die heutigen Hasstiraden überhaupt nicht nachvollziehen. Aus dem Industriestandort Ruhrgebiet ist zudem im Lauf der Jahre eine Kulturmetropole geworden – ich glaube mittlerweile die größte Europas. Es überrascht mich immer wieder, wie viele Künstler aus dem Ruhrgebiet kommen (lacht).
Sie haben mal Konditor gelernt. Wie stehen Sie zu süßem Backwerk: Kaufen oder selber machen?Selber machen! Oder eine Bäckerei besuchen, die auf Nachhaltigkeit setzt. Das kostet zwar einen Taler mehr, schmeckt aber auch besser. Ach, wenn ich an die schöne alte Backstube denke, in der ich gelernt habe. Wenn – was es damals ja noch gab – Schnee im Hof lag, und ich dann in in die warme und wohlriechende Backstube kam. Ich habe sogar mal mit einem Gustav-Klimt-Gemälde eine Torte verziert oder aus Früchten ein Foto nachgebaut. Bei Niederegger habe ich auch mal kurz gearbeitet, wollte mich fortbilden. Doch dann hat mich die Musik gepackt. Aber eine Sahnetorte, die kann ich auch heute noch backen – leider habe ich nur viel zu wenig Zeit dazu.
Paul Schraada, Frauenheld und wandelnder Schwellkörper oder „Scheiß die Wand an“-Luise Koschinsky, die Wuchtbrumme aus Meppen – woher nehmen Sie die Inspirationen für diese Figuren, denen Sie auf der Bühne Leben einhauchen?Schon die Jugend im Ruhrgebiet hat mich geprägt, da gab es viele Unikate. Die dicke Tante, der musikalische Onkel, aus Schlesien, Pommern, Ostpreußen. Später habe ich die Leute beobachtet, in den Klubs in Bochum oder Essen. Ich reflektiere die Gesellschaft, biete ein weites Feld an komischen Typen an. Die Zuschauer assoziieren diese dann mit ihrem eigenen Umfeld.
Auf Ihrer Homepage heißt es, „seine künstlerische Vielfalt kennt keine Grenzen und schockiert die Branche“. Stimmt das, sind Ihre Kollegen schockiert?Schon ein bisschen. Das liegt daran, dass ich mich nicht festlegen lasse, ich habe so viel Spielfreude, nehme mir die Freiheit zahlreicher Figuren. Das macht mich schwieriger händelbar – auch in Talkshows. Ach, wenn ich alles machen könnte, wonach mir der Sinn steht, wäre ich 200 Jahre voll beschäftigt. Langeweile, die gibt es für mich nicht. Allerdings muss es auch die Umwelt mit mir aushalten, das ist oft schwer. Ich ticke anders, forme mir die Welt anders – das ist aber bei vielen Denkern, Musikern, Schreibern ebenso. Sie ticken anders – werden wohl auch nie Bundeskanzler. Kommen sie jedoch ins Fernsehen, dann werden sie plötzlich akzeptiert. Ich kam durch Rudi Carrell ins Fernsehen. Das war auch ein Eigenbrötler, aber der vollprofigste Vollprofi vor dem Herren, ein toller kreativer und kluger Mensch. Ich halte es in meiner Karriere und meinem Leben gern mit dem Satz: Wenn die Klügeren immer nachgeben, geschieht nur das, was die Dummen wollen.
Weiter heißt es: „...jetzt fotografiert er auch noch“. Müssen Sie als schreibender Redakteur – wie viele andere auch – zusätzlich zum Fotoapparat greifen als Folge medialer Sparzwänge?Das haben Sie toll formuliert (lacht), Fotografieren ist für mich aber eher eine Art Meditation. Meine erste Kamera habe ich mir schon 1972 gekauft. Baumkronen, Dächer, Vögel am Himmel in Rom, Prag oder Sri Lanka. Durch das Fotografieren sehe ich die Welt aus einer anderen Perspektive. Die Fotos – mittlerweile dürften es um die 50 000 auf der Festplatte sein – sind am Ende gar nicht so wichtig. Durch das Fotografieren komme ich zur Ruhe, das erdet mich total und macht mich glücklich. Wieder ein Tipp an die Jugend: Mache das, was Dir Freude bereitet, statt alles negativ zu sehen.
Am 7. März sind Sie als Kabarettist mit Ihrem Programm „Shownungslos“ im Vegesacker Kulturbahnhof zu Gast. Ist das ein feststehendes Programm oder gibt es aktuelle Überraschungen? Mit anderen Worten: Sollte man sich da als Besucher bei Ihnen auf einen Platz in der ersten Reihe freuen?Ich persönlich setze mich nie in die erste Reihe. Zwar ist man da dem Künstler nah‘, aber man übersieht die Schönheit des Raumes und verpasst die gesamte Atmosphäre. Ich habe zwar ein festgelegtes Programm, dennoch ist jeder Abend anders, stelle ich mich auf die Gegebenheiten und das Publikum ein. Es ist eine Art Sozialkabarett. Wenn es die Leute interessiert, wie der Olm so tickt, dann erleben sie es an diesem Abend auf der Bühne. Mein roter Programmfaden: „Seid nicht so böse aufeinander, nehmt Euch selbst nicht so ernst, aber habt den Mut, Ihr selbst zu sein – und sagt durchaus auch einmal Nein zu negativen Menschen und Einflüssen.“
Das Interview führte Iris Messerschmidt.Hans Werner Olm (65)
ist am 1. Februar 1955 in Bochum geboren, steht seit mehr als 40 Jahren als Sänger, Moderator, Stand-up-Comedian, Kabarettist und mehr auf den Bühnen der Republik. Seine Charaktere ,Paul Schrader' und ,Luise Koschinsky' brachten ihm 2004 den „Deutschen Comedypreis“ ein.
Weitere Informationen
Hans Werner Olm ist am Sonnabend, 7. März, um 20 Uhr im Kulturbahnhof Vegesack zu Gast. Die Tickets kosten im Vorverkauf 26, an der Abendkasse 28 Euro. Einlass ist ab 19.30 Uhr. Infos auf www.kulturbuerobremennord.de.