Vegesack. "Aber liiiiiiebe Frau Müller…", dröhnt es. Auf der Bühne im Kulturbahnhof hocken eine Reihe von Eltern auf den Stühlen, auf denen sonst ihre Kinder sitzen, und reden mit der Lehrerin. Brigitte spielt eine smarte und zynische Elternsprecherin, die ihre Tochter unbedingt aufs Gymnasium haben will. Alle sechs Darsteller geben ihr Bestes. Uwe spielt den ewigen Verlierer, der seine Minderwertigkeitsgefühle mit Lautstärke zu überspielen versucht. Klaus dagegen gibt den kopfgesteuerten Geschäftsmann, während Marina als seine Frau alle Varianten der Zickigkeit vorführt. Hilke zeigt uns eine etwas naive Museumspädagogin, und in der Mitte thront freundlich und gelassen Norma als Lehrerin Frau Müller.
Wir befinden uns bei einer der letzten Proben für das neue Stück des Statt-Theaters Vegesack. Und während die Darsteller auf der hell erleuchteten Bühne ihre Dialoge üben, sind im Halbdunkel des Kulturbahnhofs noch eine ganze Zahl anderer Vereinsmitglieder zu sehen. Direkt vor der Bühne sitzt Helene, die als Produktionsleiterin und Souffleuse den Text des Stückes vor sich aufgeschlagen hat, um jede Zeile mitzulesen und im Zweifel auszuhelfen, wenn einer nicht mehr weiter weiß. Aber das kommt nur ziemlich selten vor, selbst wenn es mal kleine Patzer gibt, spielen die Darsteller darüber hinweg. Schräg hinter Helene sitzt Wolfgang, der als zweiter Souffleur bei Bedarf einspringen kann.
Regieassistentin Eva hat nicht nur das Geschehen auf der Bühne im Auge, sondern organisiert daneben auch noch flüsternd die letzten Vorbereitungen für Bühnenausstattung und Kostüme. Heiner sitzt konzentriert am Technikpult, von wo er das Licht und eingespielte Geräusche steuert. Irgendwo hinter der Bühne ist Werner noch mit den letzten Arbeiten für den Bühnenbau beschäftigt. Selbst unter der Bühne wird noch gearbeitet: Michael liegt auf einem Rollwagen und fährt zwischen den einzelnen Bühnenteilen hin und her, um ihre Befestigung zu überprüfen. Und mittendrin schleicht Claus diskret herum und schießt Foto um Foto.
Ganz im Dunkeln, in der letzten Reihe, sitzt noch ein Michael, und man nimmt ihn nur wahr, wenn er zwischen den Szenen kurz an den Bühnenrand kommt und mit leiser Stimme – immer mit etwas Humor und Augenzwinkern – letzte Anweisungen gibt: er ist der Regisseur. Um ihn versammeln sich auch alle am Schluss der Probe, um sich darüber auszutauschen, wie es heute gelaufen ist und was jetzt noch zu tun bleibt. Michaels Ruhe und Gelassenheit überträgt sich auf die ganze Truppe.
Alltag in unserem Verein. Seit 1989, als sich das Statt-Theater aus einer Schülertheatergruppe unter der Leitung des legendären Max Wölfl gründete, bringt der Verein etwa vier Produktionen im Jahr auf die Bühne. Dabei haben wir den Ehrgeiz, das gesamte Spektrum von Tragödie bis Farce, von Kindertheater bis Revue abzudecken. Gerade jetzt startet wieder ein "Nachwuchs-Ensemble" für alle, die Lust haben, sich selbst einmal in dieser Richtung auszuprobieren.
Wer Lust hat mitzumachen – sei es als Darsteller oder als Helfer – kann sich melden bei Helle Rothe, helle.rothe@web.de oder 0421-633922.