Die zunehmende Verschmutzung des öffentlichen Raums durch Verpackungsmüll, Zigarettenstummel und Co. ist mehr als ein optisches Ärgernis. Viele Abfallarten setzen Schadstoffe frei, die die Umwelt belasten. So kann bereits ein Zigarettenstummel bis zu 1000 Liter Wasser mit Nikotin verseuchen. Kunststoffverpackungen gelangen in die Gewässer und tauchen als Mikroplastik im Grundwasser und in Nahrungsmitteln wieder auf. Diesen Kreislauf zu stoppen, indem ein besseres Bewusstsein für das Thema Müll geschaffen wird, hat sich der Verein "Clean up your City Bremen" zur Aufgabe gemacht. Die Aktiven sind im gesamten Stadtgebiet im Einsatz, doch erst seit Kurzem gibt es eine Nordbremer Ortsteilgruppe. Diese lud am vergangenen Mittwoch zum ersten gemeinsamen After-Work-Cleanup rund um den Vegesacker Bahnhof ein.
Der Einladung ist ein bunter Mix aus Freiwilligen gefolgt. Darunter einige erfahrene „Aufräumer“, aber auch viele Neulinge, die an diesem Nachmittag das erste Mal eine Sammelzange in der Hand haben. Darunter Nayana Upadhyay aus Nepal. Die Studentin der Jacobs University hatte von einer Nachbarin von der Aktion erfahren und beschlossen, sich zu beteiligen. Sie wolle etwas für ihr zu Hause auf Zeit tun, erklärt sie. Grundsätzlich bescheinigt sie ihrem Wohnort jedoch einen recht sauberen Zustand. Besonders im Vergleich zu Kanada, wo sie den Sommer über war. Dort sei Plastik ein riesiges und überall sichtbares Problem.

Nicht das erste Mal, aber im Gegensatz zu anderen noch recht frisch, an der Zange ist Alessia Argiolas. „Ich war schon beim Nachhaltigkeitstag dabei, da gab es auch eine Müllsammelaktion“, berichtet die Vegesackerin. Ihren Einsatz begründet sie damit, dass sie soziales Engagement wichtig finde und für andere ein gutes Vorbild sein möchte. Dem Argument, dass an den aufgeräumten Bereichen wenige Tage später wieder Abfall liegen werde, begegnet sie mit Gelassenheit. „Irgendwo muss man doch anfangen. Es gibt keinen vernünftigen Grund nicht mitzumachen, nur weil morgen vielleicht alles wieder genauso aussieht“.

Die Gruppe sammelte Müll in Vegesack ein.
Alexa Rasch ist ein engagierter Teil der Clean up your City Initiative. Sie erklärt, dass es bei den Aufräumaktionen um mehr gehe als ums Müllsammeln. „Wir wollen das Problem sichtbar machen und Menschen direkt erreichen“. Tatsächlich werden die Aufräumer immer wieder von Passanten angesprochen. Die knapp 20 Personen, die mit Zangen, Bollerwagen und Mülleimern bewaffnet um den Bahnhofsplatz und das Museumshavengelände ziehen, machen neugierig. Besonders Raschs Kippensauger sorgt für Aufmerksamkeit. Er sieht aus wie ein etwas kleinerer Laubsauger, nimmt aber nur Zigarettenstummel auf. Speziell dafür wurde er von einem Start-up aus dem Taunus entwickelt. „Mit dem Sauger sammele ich in einer Stunde so viele Kippen, wie ich sonst in zwei Wochen mit der Hand gesammelt habe“, berichtet Rasch. Die gebrauchten Filter verarbeitet sie zu einem Kunstobjekt. Bereits 2020 entstand dabei aus 3000 gesammelten Zigarettenkippen ein Kleid. Darüber hinaus arbeitet die Künstlerin an einem Objekt, das aus weggeworfenen Capri Sonnen bestehen soll. „Die sind die Pest, da sie nicht recycelt werden können. Dadurch, dass sie so leicht sind, fliegen sie außerdem überall hin. Wer mit offenen Augen durch die Gegend geht, findet sie wirklich überall“, erklärt Rasch.

Taschenaschenbecher sollen helfen, Kippen nicht auf der Straße zu entsorgen.
Nach knapp zwei Stunden findet sich die Gruppe vor den Recker Figuren wieder zusammen. Mit einigen geübten Handgriffen wird der gesammelte Müll zwecks Bestandsaufnahme zusammengestellt. Das Ergebnis: knapp 2000 Zigarettenkippen, 39 Capri Sonnen und sechs volle Bremer Müllsäcke. Das entspricht einer Menge von fast 19 Kilogramm Müll, erklärt eine der Organisatorinnen Katja Butgereit. Der exotischste Fund des Tages: ein Wischmopp. Darüber hinaus berichten viele Teilnehmer von Gesprächen mit Passanten. Fragen wie „Warum macht ihr das?“, waren dafür oft der Ausgangspunkt. So berichtet Anne Köhler von einem jungen Mann, der ihr erklärte, dass filterlose Zigaretten besser für die Umwelt seien. Köhler eröffnete ihm, das auch diese Nikotin enthalten, welches ins Grundwasser gelangt und Tiere vergiftet, die sie fressen. „Man sah richtig, wie es in ihm arbeitet“, berichtet die Grohnerin. „Solche Begegnungen sind es, die wichtig sind“, erklärt Katja Butgereit. „Wenn wir dadurch nur eine Person zum Umdenken bringen und diese wiederum eine weitere Person, dann haben wir schon viel erreicht“.