Gerd-Rolf Rosenberger kniet bei sommerlicher Hitze auf einer kleinen, grünen Matte an der Uthoffstraße 68 vor einem schlichten Bremer Haus und poliert den Stolperstein des promovierten Philosophen Martin Meiners, der hier vor 143 Jahren geboren wurde. Es ist der 47ste von 50 Stolpersteinen, die der 69-Jährige Blumenthaler alle drei Monate während seiner vierstündigen Tour durch den Bremen Norden auf Hochglanz bringt. Knapp fünf Minuten benötigt er für einen Stein, sofern dieser nicht von Kriminellen verunstaltet wurde.
Erst Anfang Juni haben Unbekannte zwei Gedenksteine in der Reeder-Bischoff-Straße mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmiert. Entsetzt zeigte sich darüber auch Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte: "Ich verurteile diesen widerwärtigen Akt des Vandalismus scharf. Er zeigt, wie wichtig es ist, gegen jegliche antisemitischen und faschistischen Tendenzen vorzugehen." Gerd-Rolf Rosenberger kann dem nur zustimmen und erzählt: "Gott sei Dank waren die Haken-Kreuze und SS-Runen nur aufgemalt und nicht eingeritzt, wir konnten sie schnell wegputzen."
Weggeputzt hat er inzwischen auch den Schmutz vom Stolperstein für Martin Meiners. Rosenberger kennt dessen Geschichte genau und fasst einige Eckdaten zusammen. Im Internet können Interessierte alle Details nachlesen. Der 1878 geborene Lehrer für Deutsch, Englisch, Französisch und Latein litt laut Personal-Akte der Bremer Oberrealschule an der Dechanatstraße seit 1900 an Schizophrenie mit schweren Anfällen von Verfolgungswahn. Später wurde er daher entmündigt und lebte in verschiedenen Pflegeeinrichtungen.
Während der Nazi-Herrschaft wurde Martin Meiners – ebenso wie 114 weitere Patienten – am 13. August 1942 – in die Landesheilanstalt Hadamar verlegt. Hier starb er einen Monat später im Alter von 70 Jahren in Folge mangelnder Pflege und hochgradiger Unterernährung. Stellvertretend für die zahlreichen Opfer der „Euthanasie" wurde dem Vegesacker inzwischen auch eine Straße im Ortsteil Aumund-Hammersbeck gewidmet.
Gerd-Rolf Rosenberger schnappt sich die Polierpaste, den Lappen und sein Rad. Weiter geht es zum nächsten Stolperstein. "Man soll ruhig drauf treten, gewissermaßen darüber stolpern", sagt der Rentner. Dabei werde der Stein auch blank poliert. Es gäbe aber auch Menschen, die sich scheuen, auf die Steine zu treten, weiß Rosenberger. Wichtig sei, dass man sie zur Kenntnis nehme und die Inschrift lese. Anfangs hat der eingefleischte Kommunist mit seinem Mitstreiter nur die Steine der Genossen poliert, die im Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft ihr Leben verloren haben. "Aber dann haben wir gemerkt, dass die übrigen Steine nicht gereinigt wurden, also haben wir das ab 2012 übernommen."
Leider gebe es immer noch Menschen, die nicht wissen, was Stolpersteine sind. Umso wichtiger sei die Thematisierung in der Schule, findet Rosenberger und plädiert dafür, Schülerinnen und Schüler benachbarter Schulen als Paten zur regelmäßigen Reinigung zu verpflichten. Sinnig wäre es auch, wenn Anwohner die Pflege übernehmen. "Es ist nicht gut, dass das aktuell alte Leute machen", findet der 69-Jährige, fügt aber sofort hinzu: "Wir haben das immer mit Herzblut gemacht, und ich werde das sicher weitermachen, solange ich kann."