Schüleraustausch, die Unterbringung in Gastfamilien, Ausprobieren des Erlernten in einer fremdsprachigen Umgebung mit eigener Kultur – all diese Erfahrungen bleiben heranwachsenden Fremdsprachenschülern der „Generation Corona“ derzeit größtenteils verwehrt. Für die Schulen oft ein Ärgernis: „Wir hätten die entsprechenden Partner und auch das Budget, aufgrund der geltenden Reisebeschränkungen derzeit jedoch nicht die Möglichkeit“, erklärt Kathrin Borges-Postulka, Schulleiterin der Gerhard-Rohlfs-Oberschule.
Um den Spanischlernenden der achten bis elften Jahrgangsstufen dennoch eine möglichst gleichwertige Erfahrung bieten zu können und die Möglichkeit zu eröffnen, die zu erlernende Fremdsprache direkt „am lebenden Objekt“ anwenden zu können, ersannen Schulleitung, Lehrkräfte und eine Vielzahl Kooperationspartner das interdisziplinäre Sprachdidaktikprojekt „Total Wert“. Seit September bestand der Schulausklang für die etwa 30 Spanisch lernenden der beteiligten Jahrgänge an jedem zweiten Freitagnachmittag in ausserschulischen Projektexkursionen. Die führten sie unter anderem zum Instituto Cervantes, dem Hochschulchor „IntoNation“, der Stadtbibliothek und in die Kunsthalle, um sich hier an unterschiedlichen Projekten zu beteiligen.
Ensprechend will Borges-Postulka das Projekt nicht als reinen Ersatz für entgangene Auslandsaufenthalte verstanden wissen: „Anstatt in einer fremden Stadt unternahmen die Teilnehmer die Exkursionen eben innerhalb Bremens und lernten neben der spanischen Sprache selbst auch deren Poesie und Kultur kennen, alles unter dem Dach der Digitalisierung."
Schließlich entwickelten die Schüler auf den ihnen zur Verfügung stehenden I-Pads neben Plakaten und Objekten auch kleine Powerpointpräsentationen. Zudem vertonten sie in Zusammenarbeit mit dem Hochschulchor „IntoNation“, der ebenso wie das schuleigene Chorprojekt „ThinkMusic“ von Julio Fernández und Mikoj Kapala geleitet wird, Gedichte von Gloria Fuertes und dem chilenischen Dichter Nicanor Parra.
Neben der spanischen Sprache zogen sich vor allem die Werte der „Agenda 2030“ der Vereinten Nationen als inhaltlicher roter Faden durch das gesamte Projekt. Exemplarisch behandelt wurden in interdisziplinären Projektbestandteilen auch deren Hauptziele wie Nachhaltigkeit, gesellschaftlicher Wohlstand, Frieden und Menschenwürde. „Die teilnehmenden Schüler sind schon bald junge Erwachsene. Dementsprechend halten wir es für wichtig, sie in diesem Projektrahmen mit den Zielen der Agenda 2030 vertraut zu machen in der Hoffnung, dass sie sich auch später an diese erinnern werden“, erklärt dazu Mila Crespo Picó, Direktorin des Bremer Instituto Cervantes.
Allzu tiefgehend und differenziert wurden Thematiken wie Armut, soziale Ungleichheit, Umwelt- und Klimaschutz in den kurzen Schülerpräsentationen im Rahmen der Projektabschlussfeier am vergangenen Freitag zwar nicht behandelt; ein geschärftes Bewusstsein der teilnehmenden Schüler für derartige Themen ließ sich jedoch ebenso deutlich erkennen wie fremdsprachliche Kompetenzen.
Neben kurzen, bebilderten Schülervorträgen zu genannten Themen präsentierte Julio Fernandez auch die Ergebnisse der musikalischen Teilprojekte. Die stellten die Gedichte Parrs und Fuertes elektronischen Hip Hop-Beats gegenüber, welche von den teilnehmenden Schülern ebenso selbst entwickelt wurden wie auch die visuellen Kurzvortragspräsentationen.
So stand am Freitag trotz der tiefgehenden behandelten Thematiken ebenfalls eine gesellige Abschlussfeierstunde der Teilnehmenden des interdisziplinären und jahrgangsübergreifenden Projekts im Fokus. Sogar kulinarische Aspekte der Sprachdidaktik wurden zutage gefördert: „Wir haben den ganzen Vormittag über Tapas gemacht“, berichtet Spanischlehrerin Maria Suarez mit einem Verweis auf das reichhaltig gedeckte Büfett vom Abschlusstag des dreimonatigen Projekts. Das Projekt selber endete mit der feierlichen Ausgabe entsprechender Teilnahmezertifikate. Die Inhalte und Ziele der Agenda 2030 werden auch nach dem Projektabschluss weiterhin Bestandteile des Unterrichts darstellen, so Suarez.