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Kapitänsregel Was halten Nordbremer Schiedsrichter, Trainer und Spieler davon?

Ab sofort wird die Kapitänsregel auch auf den Plätzen in der Region angewendet. Die Sportredaktion fragte bei Spielern, Trainern und Schiedsrichtern nach, was sie von der Einführung der Kapitänsregel halten.
26.07.2024, 16:33 Uhr
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Von Jens Pillnick Rainer Jüttner

Gehören die so genannten Rudelbildungen von den Eliteklassen bis zur Kreisklasse mit der Einführung der Kapitänsregel (siehe unten) auf den Fußballplätzen der Vergangenheit an? Die Beobachtungen bei der Europameisterschaft lassen darauf schließen. Bei dem Event in Deutschland durften sich erstmals nur noch die Mannschaftskapitäne an die Schiedsrichter wenden und ihren Unmut äußern. Andere Spieler, die in die Diskussion mit dem Unparteiischen gingen, wurden verwarnt. Ab sofort wird die Kapitänsregel auch auf den Plätzen in der Region angewendet – ist bindend für alle Spiel- und Altersklassen. Die Sportredaktion fragte bei Spielern, Trainern und Schiedsrichtern nach, was sie von der Einführung der Kapitänsregel halten.

Mattis Wolf: Als aufstrebender Schiedsrichter begrüßt der 19-Jährige die neue Kapitänsregel. „Wir haben ja bei der Europameisterschaft gesehen, wie gut sie funktioniert und sie wird auch in allen anderen Ligen funktionieren“, sagt der Blumenthaler. Natürlich hat auch er bereits Situationen erlebt, in denen er von diskutierenden Spielern umringt war. „Der Austausch mit dem Kapitän sorgt natürlich für viel mehr Ruhe, als zehn Leute, die um Schiedsrichter herumstehen und auf ihn einreden“, sagt Wolf. Entscheidend für ihn ist vor allem die klare und einheitliche Auslegung. „Wenn dem jeweiligen Kapitän die Situation und die Entscheidung erklärt wird, sorgt das natürlich für mehr Transparenz und auch für viel mehr Verständnis bei den Spielern. Wolf, der im vergangenen Jahr bereits in den Talentkader Bremen und als Assistent in die B-Junioren Bundesliga aufgestiegen war, rückte gerade erst als Assistent in die DFB-Eliteliga der A-Junioren auf. Der Nordbremer wurde im vergangenen September als Nachwuchsschiedsrichter des Jahres im Kreis Bremen-Nord ausgezeichnet. Bislang hat er zwei Testspiele geleitet, in denen die neue Regel zur Anwendung kam. Sowohl in der Partie ESC Geestemünde gegen Blau-Weiß Bornreihe als auch im Spiel Buntentor gegen Bassen gab es keinerlei Probleme. „In diesen Tests gab es natürlich noch nicht die großen Aufreger, aber ich hatte den Eindruck, dass die Regel bei den Spielern gut ankommt, was mir einige auch in Gesprächen bestätigt haben“, sagt Wolf. Eine Eingewöhnungszeit wird es aus Sicht der Schiedsrichter nicht geben. „Laut DFB soll die neue Regel konsequent befolgt werden, damit sie nicht im Sande verläuft“, erklärt Mattis Wolf. Auf diskussionsfreudige Trainer hat die Kapitänsegel allerdings keinen Einfluss. Nur soviel: „Der DFB hat vorgegeben, generell strenger gegen Unsportlichkeiten vorzugehen. Die Konsequenz ist den Schiedsrichtern aber nach wie vor selbst überlassen“, sagt Mattis Wolf.

Julian Kubicek: „Aus unserer Sicht ist die neue Regel richtig geil“, sagt der neue Cheftrainer des Landesligisten 1. FC Burg. Dieser Satz mag angesichts der Flut an Gelben Karten, die die Burger in der vergangenen Saison kassierten, ein bisschen skurril anmuten. Doch gerade weil die Nordbremer mit 80 Verwarnungen in der Fairnesstabelle auf dem letzten Platz der Liga stehen, musste dringen Einhalt geboten werden. „Es darf nicht sein, dass es einige Spieler gab, die gleich mehrere Gelbsperren absitzen mussten, wobei etliche Karten wegen Meckerns kassiert wurden“, sagt Kubicek. Folglich wollen die Burger künftig an ihrem Image arbeiten. „Wir werden in dieser Saison anders auftreten, auf und neben dem Platz und durch die neue Regel wird da dem ein oder anderen Spiel jetzt ein Riegel vorgeschoben“, sagt der 34-Jährige. Mit Sergej Awik haben die Burger ihren bisherigen Kapitän im Amt bestätigt. Für Kubicek eine gute Wahl. „Sergej ist zu einem Ruhepol geworden“, sagt sein Coach, womit der 30-Jährige exakt dem Anforderungsprofil eines Mittlers zwischen Schiedsrichter und Mannschaft entspricht. Bislang scheint die neue Kapitänsregel bei den Burgern angekommen zu sein. „Die Spieler wollen ihren schlechten Ruf loswerden. Wir haben in bislang drei Testspielen erst eine Gelbe Karte kassiert, und die wegen Foulspiels“, sagt Kubicek.

Tyrese Voß: „Die Kapitänsregel wird viele Rudelbildungen vermeinen, aber sie nicht komplett verhindern“, so die Einschätzung von Tyrese Voß, der in der Saison 2023/24 Spielführer des Blumenthaler SV in der B-Junioren-Bundesliga war und in der neuen Spielzeit für die BSV-A-Junioren in der Regionalliga Nord auflaufen wird. Und der 17-Jährige rechnet auch damit, dass die zum Fußball gehörenden Emotionen weiterhin für verbale Bekunden richtig Schiedsrichter sorgen werden. „Wenn der Schiedsrichter eine strenge Linie fährt, wird es eventuell mehr Gelbe Karten geben“, glaubt der Mittelfeldspieler, der die Veränderung nicht so schlecht findet, aber mit Anlaufschwierigkeiten rechnet: „Es ist von klein auf eingebrannt, dass man seine Meinung äußern darf.“ Die Rolle des Kapitäns wird nach Einschätzung von Tyrese Voß mit der Kapitänsregel eine Veränderung erfahren und über den Motivator, das Bindeglied zum Trainer und über den Ansprechpartner für die Mitspieler hinausgehen: „Es ist zum Vorteil, wenn der Kapitän gut argumentieren und kommunizieren kann.“

Jan-Philipp Heine: „Die Diskussionen mit den Schiedsrichtern bis hin zu Spielabbrüchen haben ja in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen;: Darum finde ich diese neue Regel sehr gut. Die Frage ist nur, wie schnell kann das umgesetzt werden“, sagt der Spielertrainer des Landesligisten SV Grohn. Natürlich wurde auch schon im Mannschaftskreis der Nordbremer darüber gesprochen, doch noch haben sich die Grohner angesichts des vollen Vorbereitungsplans nicht intensiv damit beschäftigt. Das wird sich aber in Kürze ändern. Im Rahmen eines Trainingsabends wird dann nämlich Mathias Kisser, Schiedsrichter und Sohn vom Grohner Betreuer Rolf Kisser, Regelneuerungen und darunter auch die Kapitänsregel, vorstellen. Für Jan-Philipp Heine ist das sehr relevant. „Dann hört endlich die viele Sabbelei auf und jeder kann sich 90 Minuten lang auf Fußball konzentrieren. Wir haben viele Gelbe Karten für Meckereien kassiert. Für uns ist das schon ein wichtiges Thema. Damit müssen sich einige Spieler intensiv auseinandersetzen“, sagt er. Noch haben die Grohner keinen Kapitän gewählt, aber Heine räumt ein, dass bei der Suche auch schon die neue Regel beachtet werden sollte. „Der Kapitän soll ja der verlängerte Arm des Trainers auf dem Spielfeld sein und die Mannschaft durch seine Art unterstützen. Und da spielt natürlich auch eine Rolle, ob er sich vernünftig mit dem Schiedsrichter auseinandersetzen kann.“

Christian Böhmer: Der 35-jährige Innenverteidiger ist seit Jahren Kapitän des Bremen-Ligisten SG Aumund-Vegesack und geht davon aus, dass er es auch in der kommenden Spielzeit 2045/25 sein wird. Mit der Kapitänsregel hat sich seiner Meinung nach das Anforderungsprofil an den Spielführer geändert: „Es wird jemand sein, der sich auszudrücken und zu kontrollieren weiß.“ Soll Christian Böhmer die Einführung der Kapitänsregel bewerten, zeigt sein Daumen ganz klar nach oben: „Die EM hat gezeigt, dass sie sinnvoll ist. Es geht darum, zu vermeiden, dass sich fünf Leute brüllend auf den Schiri stürzen. Die Regel soll auch für einen respektvolleren Umgang mit den Schiedsrichtern sorgen.“ Darauf, wie die Unparteiischen die Regel im Detail auslegen, ist der Defensivspieler gespannt: „Ein Kommentar oder ein Wortwechsel im Vorbeigehen sollte möglich sein.“ Völlig geräuschlos werde die Einführung nicht über die Bühne geben. Christian Böhmer sieht „viele Kandidaten, die einen Moment brauchen werden, um sich daran zu gewöhnen.“ Die persönliche Bestrafung durch Gelbe Karten und den daraus resultierenden Sperren werde aber Wirkung zeigen.

Zur Sache

Die Kapitänsregel kurz erklärt

Dass die Kapitänsregel in den gesamten deutschen Spielbetrieb übernommen wird, ist eine gemeinsame Entscheidung von der DFB Schiri GmbH, dem DFB und der DFL. Die Regel beinhaltet die Anweisung, dass sich nur der Mannschaftskapitän beziehungsweise die Mannschaftskapitänin an den Schiedsrichter oder die Schiedsrichterin wenden darf, um eine wichtige Entscheidung erklärt zu bekommen.

Die Kapitäne sind zudem dafür verantwortlich, dass ihre Mitspieler und Mitspielerinnen die Unparteiischen respektieren, Abstand halten und sie nicht bedrängen. Ein Spieler, der die Rolle seines Kapitäns ignoriert, beim Referee reklamiert oder sich respektlos verhält, wird verwarnt. Wenn der Torwart des Teams das Kapitänsamt innehat, wird vor dem Spiel ein Feldspieler bestimmt, der den Schiedsrichter ansprechen kann, falls sich am anderen Ende des Spielfeldes eine strittige Szene ereignet. Die Unparteiischen werden ihrerseits dazu ermutigt, sich im Dialog mit den Kapitänen auszutauschen, um eine respektvolle Atmosphäre zwischen allen Parteien zu schaffen und eine Vertrauensbasis aufzubauen.

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