Geduldig sitzt Susi Ranitz hinter ihrem Tisch nahe der Volksbank-Filiale in der Fußgängerzone und formt Luftballontiere – stundenlang, Dutzende, Hunderte. Die Schlange der Kinder vor ihr wird selten kürzer: Meistens warten fünf bis sechs Kinder am Stand, um ihre jeweilige Wunschfigur als Souvenir vom diesjährigen Vegefest mitnehmen zu können.
„Ich habe mich natürlich bereits gestern vorbereitet und Hunderte Ballons aufgeblasen – gereicht hat es trotzdem nicht: Ich musste heute noch mal nachlegen", sagt Ranitz. Sie geht davon aus, allein am ersten Tag des Vegefestes zwischen 600 und 700 Ballontiere modelliert zu haben. Ranitz ist das fünfte Mal bei der Veranstaltung in der Vegeacker Fußgängerzone dabei.
Und nicht die einzige Ballonkünstlerin auf dem Festareal zwischen dem Sedanplatz und dem Botschafter-Duckwitz-Platz, der an diesem Wochenende ganz im Zeichen der Kinderunterhaltung steht: Auf der Freifläche gibt es eine Hüpfburg, Gesellschaftsspiele im XXL-Format, Aufführungen des belgischen Seifenblasenkünstlers Elias alias "Bubbles for Fun" – und einen Berufskollegen von Ranitz. Marvin Ohmstedt heißt der, kommt aus Osterholz-Scharmbeck und formt nicht nur Ballons, sondern zaubert auch. Für seine Show wird er zum "Großen Marvinio".
Vor den Schaufenstern des Modehauses Leffers tritt derweil das bekannte Bremer Retro-Revueduo "Charles und Erika" auf. Die Künstler Jan Fritsch und Uli Baumann inszenieren sich als lebende Jukebox im Stil einer TV-Show der 70er-Jahre: Wirft ein Besucher eine Münze in den vorgesehenen Schacht, wird ein eigens angefertigter Zufallsgenerator im Schaufenster aktiviert, der daraufhin eine von insgesamt acht Kategorien auswählt, aus der das Duo eine Aufgabe bewältigen muss.
Nicht alles ist dabei völlig spontan: "Dass wir nicht ganz unvorbereitet sind, sieht man ja", erklärt Baumann alias "Erika" und deutet auf die bereitstehenden Requisiten. „Wir haben diese Show ursprünglich während des Lockdown als eine Alternative zu unseren bisherigen Bühnenprogrammen konzipiert. Sie besteht halb aus solider Vorbereitung und halb aus Improvisation plus spontaner Interaktion mit dem Publikum.
Die Allround-Artistin Silke Schirok zählt ebenso zu den regelmäßigen Show- und Walk-Acts auf dem Vegefest wie die Hamburger Vollblutartistin Ina Queiß. Die eine zeigt Hula-Hoop-Kunststücke, die andere fährt als "Bikerina" im pinkfarbenen Prinzessinendress auf dem Einrad. Dabei verteilt sie glitzernde Präsente an das junge Vegefest-Publikum und führt Akrobatik-Nummern auf. Queiß ist mehrfache Rekordhalterin im Einradfahren.
Zwischendurch wird es etwas lauter in der Fußgängerzone: Obwohl das Unplugged-Trio "Rumbacoustix" ausschließlich Cajon, Gitarre und Saxofon spielt, mangelt es der Musik der Künstler aus dem Frankfurter Raum keineswegs an durchdringenden Tonlagen.
An mangelndem Interesse kann sich dagegen das zweiköpfige Team der "Waffle-Lovers" nicht beklagen, das interessierte Besucher von seinem mobilen "Waffle-Bike" mit frischgebackenen belgischen Waffeln versorgt.
"Gegen Mittag waren bereits mehr als 300 Waffeln verteilt", weiß Lena Köster, die mit ihrer Kollegin Swetlana Holzmann zum zweiten Mal das Vegefest im Namen des Vegesack Marketing organisierte – diesmal unter etwas weniger suboptimalen Voraussetzungen als noch im Vorjahr.
„Natürlich gibt es wegen Corona nach wie vor Auflagen, die eingehalten werden müssen. Diese gelten jedoch überwiegend für die Bereiche hinter den Kulissen und in Innenräumen, sodass die Festbesucher hiervon wenig mitbekommen", sagt Köster. In dieser Hinsicht loben die beiden jungen Frauen, die vor ihrem Wechsel nach Vegesack Berufserfahrungen in der Event- und Kulturbranche sammelten, mehrfach die freundliche und hilfsbereite Zusammenarbeit mit dem zuständigen Ordnungsamt.
Zwar ist nach Kösters Worten in diesem Jahr wieder etwas mehr möglich und auch die Stimmung der Festbesucher gelöster und lockerer als noch im Vorjahr. Dennoch gab es für sie und ihre Kollegin bei der Programmplanung immer wieder klare Auswahlkriterien wegen Corona zu berücksichtigen: "Außer auf inhaltlicher Qualität und familientauglicher Vielfalt haben wir darauf geachtet, Künstler zu engagieren, um die herum sich nicht allzu große Menschentrauben bilden – und die ihre Darbietung im Zweifelsfall auch mal kurzfristig unterbrechen können, sollte der Zulauf einfach zu groß werden", erklärt Köster.