Ute Gintner-Mann ist eine engagierte Frau. Das hat sich inzwischen so herumgesprochen, dass sie regelmäßig Anrufe erhält, erzählt die Vegesackerin. Wer gut erhaltene Kleidung, Bettwäsche, Handtücher oder Schuhe abzugeben hat, wendet sich an die 77-Jährige, die sich daraufhin mit ihrem Auto auf den Weg macht und die Kleiderspenden abholt. Sie bringt sie anschließend zur Kleiderbörse "Jacke wie Hose", eine Einrichtung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in der Weserstraße in Vegesack. Dort ist dienstags zwischen 15 und 18 Uhr Verkaufstag. Menschen – auch mit kleinem Geldbeutel – können in dieser Zeit gut erhaltene Kleidung zu günstigen Preisen kaufen. "Die Einnahmen", berichtet Ursula Fritzsche, die sich bei der Kleiderbörse ehrenamtlich engagiert, "spenden wir an das Hospiz Lilge-Simon-Stift." Ein Viertel des Erlöses spende die Kleiderbörse zudem für die Kinder im Frauenhaus.
Von dem Engagement der Kleiderbörse und deren "nicht unbeachtlichen finanziellen Spenden" sei sie "tief beeindruckt", sagt Ute Gintner-Mann. Deswegen mache es ihr auch so viel Freude, all die Kleiderspenden einzusammeln. Dafür sei sie rund um Bremen-Nord und bis Wasserhorst unentgeltlich mit dem Auto unterwegs. Im Monat, berichtet sie, verbrauche sie dafür "mit Sicherheit eine halbe Tankfüllung". Sie erzählt das, weil ihre Freude an der Sammelei einen Knacks bekommen hat. Als sie dieser Tage wieder eine große Menge Kleidung und Bettwäsche bei "Jacke wie Hose" ablieferte, heftete an der Scheibe ihres Wagens ein "Knöllchen".
Schwere Säcke und Kartons
Die "Mitteilung über den Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften" nennt konkret "Parken im absoluten Halteverbot auf dem Gehweg". Ute Gintner-Mann bestreitet nicht, dass sie vor der Kleiderbörse auf dem Gehweg geparkt hat. "Für zehn, fünfzehn Minuten", sagt sie. Für die Zeit, die sie brauche, um alles zu entladen. Behindert habe sie in dieser kurzen Zeit noch niemanden. "Ich parke immer dort, weil ich es anders gar nicht schaffe, die oft sehr schweren Säcke und Kartons der Spenden dort abzugeben." Lange Wege könne sie aus gesundheitlichen Gründen nicht zurücklegen und "seit fast zwei Jahren" parke sie nun schon zum Entladen auf dem Gehweg, ohne dass das beanstandet worden sei. Die Durchfahrt in der Weserstraße sei dadurch nicht eingeschränkt. Auch Krankenwagen hätten im Notfall freie Fahrt.
Die Vegesackerin fühlt sich für ihr Engagement bestraft und fragt: "Wo bleibt die Menschlichkeit?" Die müsse man doch zeigen dürfen. "Auch wenn für kurze Zeit Paragrafen überschritten werden." Für einen guten Zweck wohlgemerkt. Für solch einen Fall müsse es ihrer Ansicht nach doch Ausnahmen geben. Das Schreiben von der Polizei Bremen nehme ihr jedenfalls die Freude am Kleidersammeln. Die Alternative wäre, sich ganz zurückzuziehen und "alles Soziale auf Eis zu legen".
Bei der Kleiderbörse freut man sich über Ute Gintner-Manns Engagement. Man wolle aber keinen Ärger haben, betont Ursula Fritzsche, die weiß, dass es "schwierig ist, in der Weserstraße zu parken". Aber ein Halteverbot sei nun mal ein Halteverbot. Zum Ausladen der gesammelten Kleidung könne die Vegesackerin auf der gegenüberliegenden Straßenseite kurz halten, lautet der Vorschlag, um keine "Knöllchen" zu riskieren. "Wir kommen dann raus und helfen beim Auspacken."
Auch wenn Ute Gintner-Mann sich Ausnahmen wünscht – es gibt sie nicht, wie Rose Gerdts-Schiffler, Pressesprecherin des Innensenators, vom Ordnungsamt erfahren hat. Es sei nicht zu kontrollieren, ob jemand ehrenamtlich oder privat widerrechtlich parke. Hebammen könnten dann zum Beispiel immer argumentieren, dass sie schnell zu einer Patientin müssten. "Auch wenn es im Einzelfall bedauerlich ist", sagt die Pressesprecherin, "die Straßenverkehrsordnung gibt keinen Spielraum."