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Individuelle Krebstherapie "Wir behandeln auf höchstem Standard"

Das Klinikum Bremen-Nord kooperiert bei der Behandlung von Krebserkrankungen mit der Universitätsklinik Tübingen. Diese untersucht das Tumor-Gewebe auf 766 Gene, um zu einer individuellen Therapie zu kommen.
12.10.2021, 12:00 Uhr
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Von Patricia Brandt

Herr Plentz, die Diagnose Krebs ist ein Schock. Sind die Heilungschancen heute besser als vor zehn Jahren? 

Es hat sich im onkologischen Bereich der Humanmedizin sehr viel verändert – im positiven Sinne. Die Chancen und Aussichten auf Veränderungen sind besser geworden. Von Heilung zu sprechen, finde ich aber noch schwierig. Gleichzeitig sind Therapien durch das vermehrte Wissen auch sehr viel komplizierter geworden. Wenn sich zum Beispiel zwei Nachbarn auf der Straße treffen und beide haben Darmkrebs, ist das nicht immer miteinander zu vergleichen. Bei Darmkrebs unterscheidet man zum Beispiel auch zwischen rechts- und linksseitigem Darmkrebs. Die anatomische Position spielt bei der Behandlung also auch eine Rolle.

Sie haben mal gesagt, der Krebs ist angreifbarer geworden. Was genau meinen Sie damit?

Die Tumor-Zellen können bei jeder Krebserkrankung anders sein. Wichtig ist, dass jeder Fall individuell therapiert werden kann. Es geht um eine personalisierte Krebstherapie. Um die Patientenfälle zu besprechen, haben wir eine Tumor-Konferenz, ein Tumor-Board, eingerichtet. Da sitzen – zumindest virtuell - viele Spezialisten nebeneinander und überlegen, was zu tun ist. Eine Säule der Behandlung ist die Operation. Leider gibt es Tumor-Stadien, bei denen eine OP nicht mehr erfolgreich ist. Eine weitere Säule ist die Chemotherapie und eine weitere die Immuntherapie, bei der im Abstand von mehreren Wochen eine Infusion gegeben wird. Die meisten Therapien können ambulant durchgeführt werden. Eine der Fragen des Europäischen Krebskongresses, den ich virtuell besucht habe, war, ob man Immuntherapien mit anderen Substanzen kombinieren kann. Viele neue Kombinationstherapien sind aber noch unverstanden.

Inwiefern wird die Krebstherapie personalisiert?

Für die meisten Krebserkrankungen gibt es Leitlinien zur Behandlung. Bei der molekularen Tumor-Analyse kann es aber passieren, dass wir Tumor-Veränderungen finden, die noch unbekannt sind. Bei der molekularen Tumor-Analyse geht man also über die bekannten Marker hinaus: In Kooperation mit der Universitätsklinik Tübingen untersuchen wir das Tumorgewebe auf insgesamt 766 Gene. Wir machen also weit mehr als eine Standard-Analyse. Wir behandeln Patienten im Klinikum Bremen-Nord beziehungsweise in der Geno auf dem höchsten Standard, vergleichbar mit Krebszentren in den USA. Diesen Fortschritt bekommt der Patient in der Regel gar nicht mit.

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Wie viele Patienten werden jährlich in der onkologischen Station in Bremen-Nord behandelt, bei wie vielen wird eine molekulare Tumor-Analyse vorgenommen?

Die jährliche Zahl variiert stark und ist zuletzt durch Covid19 stark beeinflusst worden. Alle Patienten, welche sich für eine Standardtherapie qualifizieren, sollten auch eine molekulare Tumor-Analyse erhalten.

Was für Vorteile bringt das für den Patienten?

Vereinfacht gesagt: Wenn ich weiß, welche Veränderungen der Tumor des Patienten hat, so kann ich mit dem richtigen „Schlüssel“ auch das richtige „Schloss“ aufschließen. Für den Patienten bringt die personalisierte Krebstherapie den Vorteil, dass die Wirkung besser wird und Nebenwirkungen durch ungeeignete Therapien vermieden werden können.

Welche Gefahren bestehen für Patienten?

Es gibt unterschiedliche Empfehlungsgrade bei den Therapien. Wenn man mit einer Therapie grundsätzlich gute Erfahrung zum Beispiel bei Blasenkrebs gemacht hat, wird man sie vielleicht auch bei Bauchspeicheldrüsenkrebs einsetzen können. Der Empfehlungsgrad einer Therapie hängt letztlich von Studienergebnissen, aber auch vom Allgemeinzustand und Blutwerten des Patienten ab. Einzelne Fallreports führen in der Regel zu keinem neuen Therapiestandard.

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Bezahlt die Kasse eine individuelle Krebstherapie?

Möglicherweise entspricht die Therapie noch nicht dem Standard. Dann müssen wir einen Antrag bei der Krankenkasse stellen. Mit einer Empfehlung eines molekulares Tumor-Boards ist die Ablehnungsquote deutlich niedriger und wird häufig für zunächst zwei bis Monate bewilligt, um das Therapieansprechen, der häufig sehr teureren Substanzen zu beurteilen.

Das Klinikum bietet in diesem Herbst Telefonsprechstunden zu verschiedenen Gesundheitsthemen an. Wie helfen Sie hier Patienten?

Die Telefonsprechstunde haben wir auch letztes Jahr angeboten. Jedes Thema wird unterschiedlich angenommen. Am meisten Anrufer erhalten wir immer zu Erkrankungen der Leber, da haben die meisten offenbar Sorgen. Bei unserem onkologischen Thema haben sich die meisten Anrufer erkundigt, die betroffene Angehörige haben. Da lag der Fokus auf der Frage, ob die Ärzte wohl alles richtig machen.

Das Interview führte Patricia Brandt

Zur Person

Ruben R. Plentz

Ist Chefarzt im Klinikum Bremen-Nord. Der 47-jährige Familienvater stammt gebürtig aus Hannover und war bis 2017 Geschäftsführender Oberarzt in der Uniklinik Tübingen.

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