Vegesack. 1,35 Millionen Euro hat Immobilien Bremen (IB) für den Abriss der Fassade des Vegesacker Gymnasiums beantragt. Grund dafür ist unter anderem die Corona-Verordnung. Lüften ist in den Klassenzimmern derzeit schlecht möglich. Dass die Abrissbirne rollen soll, hält der damalige Architekt des Schulbaus indes für unnötig.
„20-5-20“, lautete im vergangenen Herbst die Devise der Bremer Bildungsbehörde. Nach jeweils 20 Minuten sollte fünf Minuten stoßweise gelüftet werden, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu minimieren. Doch nicht an allen Bremer Schulen ist Stoßlüften möglich. Als Problemfälle gelten hier vor allem das Vegesacker Gymnasium an der Kerschensteiner Straße und das benachbarte Schulzentrum.
Beim Schulzentrum handelt es sich um innen liegende Räume, die nur über eine Dachluke zu belüften sind. Allerdings nur bei gutem Wetter: Bei Regen schließt sich die Luke automatisch. Während IB beim Schulzentrum nun „eine Notlösung“ gefunden zu haben scheint, die dafür sorgt, dass die Fenster nicht automatisch schließen, ist das Problem am Gymnasium größer: Die Fassade mit dem auffällig gelben Sockel war aus architektonischen Gründen beim Bau 2006 nur mit Lüftungsschlitzen versehen worden. „Diese lassen sich nur kippen, nicht weiter öffnen“, so IB-Sprecher Peter Schulz. „Wir müssen die Fassade aufgrund der Vorschriften neu bauen und planen", hieß es deshalb im vergangenen November. Zudem müsse der Architekt mit der Erneuerung der Fassade einverstanden sein.
Ein knappes Jahr später hat Bremen Co2-Ampeln angeschafft und Luftreinigungsgeräte und hat Viktor Lawrenz von Immobilien Bremen in seinem Büro an der Theodor-Heuss-Allee 35 Aktenordner gewälzt. „Um zu prüfen, ob es ein Verschulden auf Planungsseite gibt“, erläutert Lawrenz. „Aber das hat sich nicht bestätigt.“
Hintergrund der Umbauten sind Arbeitsstättenrichtlinien, die seit 2006 extrem verschärft worden seien. „Nach den geltenden Vorschriften hat der Architekt alles richtig gemacht“, betont Lawrenz. Dass die Richtlinien der Arbeitsstättenverordnung nicht eingehalten werden, sei bereits 2018 bei einem Rundgang des Gesundheitsamtes festgestellt worden, nachdem es in drei Räumen Probleme mit der Akustik gab.
Das Geld für den Abriss der Ost- und Westfassade ist inzwischen beim gemeinnützigen Verein Bremer Fond beantragt. Bei Immobilien Bremen tut man sich unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten dennoch schwer, Teile des Bauwerks einreißen zu lassen. Selbst bei einer Förderzusage. „Das ist das Worst-Case-Szenario, das wir versuchen, zu umgehen“, sagt Lawrenz. Denn das Gebäude stammt aus dem Jahre 2006 und sei damit fast neuwertig. „Das ist ein modernes Gebäude – von der Definition her.“ Außerdem sei klar: Wenn die Abrissbirne anrückt, könnten die Schüler nicht im Gebäude bleiben. „Dann werden wir uns über eine Interimslösung in Form von Mobilbauten unterhalten.“ Mit einer Fertigstellung vor 2023 rechnet bei IB niemand.
Am liebsten würde Viktor Lawrenz nur einzelne Fensterflügel austauschen. Ob sich der Fassadenabriss noch verhindern lässt, könne aber erst im Rahmen der vertiefenden Planung beantwortet werden. Optimal wäre es, den damaligen Architekten zu betrauen, um Probleme mit dem Urheberrechtsschutz für die Fassade rechtssicher zu umgehen, meint Lawrenz. Einen Kontakt zwischen IB und dem Büro habe es bisher aber nicht gegeben, weil nicht klar ist, „wie erheblich“ die Umbauten sein werden.
Für den Architekten Stefan Feldschnieders vom Bremer Büro Feldschnieders und Kister kommt die Nachricht vom Fassadenabriss deshalb überraschend: „Ich habe überhaupt keine Infos.“ Es irritiert ihn, dass sich IB so lange mit dem Gymnasium beschäftigt hat, ohne einmal mit ihm als Planer zu sprechen. Denn noch heute ist Stefan Feldschnieders von seinem Schulbau überzeugt. Zwar änderten sich Standards für Schulbauten, doch: „Ich glaube nicht, dass die Fassade nach 15 Jahren weg muss. Wir waren damals sehr stolz auf die Holz-Alu-Konstruktion. Die lässt sich sicher anpassen.“ Auch ein bisher fehlender Sonnenschutz ließe sich leicht nachrüsten.
Darüber wäre auch Schulleiterin Heike Ohler froh. Sie hofft, dass alle Mängel schnell behoben werden. Handlungsbedarf sieht sie ebenfalls beim nicht vorhandenen Sonnenschutz. In heißen Sommern passiere es in dem Vegesacker Gymnasium schon mal, dass drinnen 30 Grad gemessen werden – wenn draußen 25 Grad vorherrschen.