„Ich muss mich schon beim Frühstück einschränken, wenn ich zum Beispiel für einen Apfel jetzt einen Euro zahlen muss. Die gegenwärtigen Preissteigerungen kosten mich 80 bis 100 Euro im Monat mehr“, sagt ein Student, der an der Uni Bremen Politikwissenschaft studiert. Er ist Teilnehmer an einer Demonstration, bei der sich auf dem Sedanplatz in Vegesack, direkt vor dem Supermarkt, ein breites Bündnis versammelt hatte, um gegen Preiserhöhungen zu demonstrieren.
An der Kundgebung beteiligten sich Organisationen wie „Die Linke“, die Stadtteilgewerkschaft „Solidarisch in Gröpelingen“, die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) – Bund der Antifaschisten“, aber auch Vertreter von „Friday for Future“. Knapp 100 Teilnehmer kamen zusammen, darunter Betroffene, die ihre finanziellen Nöte in kurzen Statements zum Ausdruck brachten.
Corona und Ukraine-Krieg nicht allein verantwortlich
Mehrere Redner auf der Kundgebung betonten, dass Corona und Ukraine-Krieg allein nicht für die Inflation verantwortlich seien. So hätte es schon vor Jahren erhebliche Preissteigerungen zum Beispiel beim Mais in Südamerika gegeben – verantwortlich für die gestiegenen Preise in vielen Bereichen seien vor allem Großkonzerne, Investmentfonds und Immobilienspekulanten – die Preiserhöhungen seien im Wesentlichen Profiterhöhungen, lautet der Tenor der Redner auf der Kundgebung.
Auch ein Vertreter der „Friday for Future“-Bewegung, der namentlich nicht genannt werden möchte, ist als Betroffener bei der Kundgebung dabei. Obwohl er sparsam lebe und wenig Energie verbrauche, merke er die Preissteigerungen am eigenen Leib, zum Beispiel beim Kochen.
Er verweist auf den Zusammenhang von Hunger vor allem im globalen Süden infolge der gestiegenen Lebensmittelpreise mit steigendem Luxus und Überfluss bei wenigen Reichen, und fordert mehr Klimagerechtigkeit: „Die arme Bevölkerung muss derzeit austragen, was durch den hohen Energie- und Ressourcenverbrauch in industrialisierten Ländern an Klimaschäden verursacht wird – und die Preissteigerungen weltweit verschärfen die Probleme noch.“
Tobias Helfst vom Bremer Bündnis gegen Preiserhöhungen stimmt dem zu. "Es sind Unternehmen, die die Krise für sich nutzen und noch weiter die Preise erhöhen. Damit muss Schluss sein, eine Preisbremse muss dringend her. Da die Politik nicht handelt, gehen wir auf die Straße“, sagt Helfst.
„Viele Menschen mit geringem Einkommen und solche, die Transferleistungen beziehen – zum Beispiel Arbeitslose, Studenten oder Rentner – wissen angesichts der gegenwärtigen Preissteigerungen nicht mehr, wie sie finanziell über die Runden kommen“, so Helfst. Mit diesem Bündnis hat sich in Bremen ein Zusammenschluss gebildet, der den Protest gegen die Kostenexplosionen in vielen Bereichen auf die Straße tragen will. „In vielen anderen Ländern wie Ecuador oder Sri Lanka haben sich bereits Protestbewegungen gebildet“, stellt Tobias Helfst fest. „Immer mehr Menschen in Bremen droht, sich ihr Leben nicht mehr leisten zu können. Ob Lebensmittel, Heizung, Benzin oder die Miete, die Preise erreichen Rekordhöhen“, sagt Helfst, der beruflich in der Beratung des Bremer Erwerbslosenverbands tätig ist.
Herbert Thomsen, ebenfalls beim Bremer Erwerbslosenverband tätig, schätzt, dass etwa ein Viertel der Bewohner in Bremen im Bereich der Grundsicherungsleistungen leben. „Und viele von ihnen sagen, dass das Geld am Ende des Monats nicht reicht“, sagt Thomsen und fordert die Bürger dazu auf, zu stören und auf die Straße zu gehen.
Doris Achelwilm vom Bremer Landesvorstand der Linken prophezeit einen „heißen Herbst“, was die weitere Preisentwicklung betrifft. „800 Millionen Menschen auf der Welt sind vom Hunger bedroht – die Preise müssen runter“, sagt sie und vertritt die Auffassung, das Geld von Besserverdienenden stehe allen zu: „Wir müssen es von ihnen zurückfordern.“