Wer vor Krieg oder Verfolgung fliehen muss, wer seinem Land den Rücken kehrt, alles zurücklassen muss und schließlich nur mit dem Nötigsten in Sicherheit ankommt, braucht zunächst einmal eines: Ruhe. Die konnten die Geflüchteten, die bisher im Flügel A der Erstaufnahmeeinrichtung an der Lindenstraße in Vegesack untergebracht waren, kaum finden. "Diesem Anspruch ist der Flügel A in seiner ursprünglichen Bauweise nicht gerecht geworden", räumt Bremens Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) ein. Um im nächsten Satz aber auch ihre Freude auszudrücken. Nämlich darüber, dass diese Zeiten nun vorbei sind.
Vor einem Dreivierteljahr begann in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete der Umbau des ursprünglich als Notunterkunft eingerichteten Flügels A im einstigen Verwaltungsgebäude der Vulkan-Werft. Das wurde 1975 errichtet und blieb seit der Vulkan-Pleite im Jahr 1997 ungenutzt. Bis der Verwaltungsbau im Winter 2015/16 angesichts der Flüchtlingszahlen "in größter Eile entkernt, umgebaut und im April 2016 mit ursprünglich 450 Notplätzen in Betrieb genommen wurde", sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin. Charakteristisch für solche Unterkünfte seien die nach oben offenen Kabinen. Die Wände der einzelnen Räume hörten in Türhöhe auf, schildert Einrichtungsleiter Matthias Wolf, wie es in den Etagen eins bis vier des Flügels A vor dem Umbau aussah.
Höhere Umbaukosten
Nun präsentierte sich der Senatorin ein völlig neues Bild. Statt der offenen Kabinen gibt es auf den Etagen jetzt geschlossene Zimmer. Auch wenn letzte Malerarbeiten noch zu leisten und die Räume noch einzurichten sind, konnte sich Claudia Schilling bei ihrem Besuch in der Einrichtung von einer "unheimlichen Verbesserung" überzeugen. Weil die Menschen, die hier einziehen, jetzt mehr Privatsphäre haben werden, hebt sie beim Rundgang hervor. Ebenso positiv bewertet die Senatorin "das offene Raumkonzept". Durch Verbindungstüren lassen sich mehrere Räume zusammenfassen. Das ermöglicht Familien die gemeinsame und bedarfsgerechte Unterbringung. "Bisher haben alle Familienmitglieder einen großen Raum gemeinsam genutzt", berichtet Uwe Eisenhut, Fachbereichsleiter der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Sie kümmert sich in der Erstaufnahmeeinrichtung um die Betreuung. Jetzt können Familienmitglieder mehrere Räume nutzen und sich auch mal zurückziehen.
Der Umbau war eigentlich schon für das Frühjahr 2022 geplant, berichtet Bernd Schneider. Aber der Ukraine-Krieg und der damit entstandene Bedarf an Räumen für Geflüchtete legte die Pläne erst mal auf Eis. Allein im März 2022 habe Bremen annähernd 4000 Menschen in seinen Einrichtungen neu aufnehmen müssen. Und "die Zugangszahlen blieben auch in den Folgemonaten hoch", sagt der Pressesprecher. Mit dem verschobenen Umbaubeginn seien auch die Baukosten gestiegen – von den geplanten drei Millionen auf fünf Millionen Euro.
Der Umbau erstreckt sich vom Erdgeschoss, wo der Bürotrakt erneuert wurde, bis zum vierten Obergeschoss. Neben den halbhohen Leichtbauwänden haben die Handwerker auch die Türen und die Böden entfernt. Stattdessen haben sie raumhohe Trockenbauwände eingebaut, die Decken abgehängt und strapazierfähige Vinylböden verlegt. "Neu sind auch die Elektro-Installationen und die Lüftungstechnik", sagt der Sprecher. Eine elektronische Schließanlage ersetzt zudem das analoge Schließsystem mit Schlüsseln. 47 Räume von unterschiedlicher Größe – vorwiegend Ein- bis Zwei-Personen-Zimmer – sind so auf jeder Etage entstanden, erzählt der Einrichtungsleiter. Auch Gemeinschaftsräume zählen dazu. Knapp 300 Plätze gebe es nun in Flügel A. Mitte April können die ersten Geflüchteten einziehen.
Zahl der Plätze ist gesunken
Sie sind ebenso in Flügel B untergebracht, der seinerzeit schon mit einem größeren Zeitaufwand mit abgeschlossenen Räumen ausgestattet wurde. In beiden Flügeln gibt es Sanitäranlagen, die gemeinschaftlich genutzt werden. Ebenso Räume, die mit Waschmaschinen und Trocknern ausgestattet sind. Wegen des neuen Raumkonzepts und weil auch zusätzliche Büroräume eingerichtet wurden, sinkt die Zahl der Plätze in der Erstaufnahme von ursprünglich 750 auf höchstens 650. "Für uns steht die Lebensqualität im Vordergrund", sagt die Senatorin. "Ich bin froh, dass wir die Räume jetzt mit einem für die Erstaufnahme angemessenen Standard in Betrieb nehmen können", betont Claudia Schilling. "Die Aufenthalts- und Wohnqualität insgesamt ist deutlich besser geworden – wenn auch längst nicht vergleichbar mit einer eigenen Wohnung."
Aber Wohnungen lassen sich schwer finden. Auch die Container vor dem Gebäude werden weiterhin genutzt, sagt der Einrichtungsleiter. "Sie werden regulär belegt." Gleichwohl seien Leichtbauhallen nicht die Lösung. Eigentlich, so wurde es beim Besuch der Senatorin in Vegesack deutlich, werde eine weitere Erstaufnahmeeinrichtung benötigt.

Einrichtungsleiter Matthias Wolf und Sozialsenatorin Claudia Schilling
beim Gang durch die umgestalteten Räume.