Grohn. Wenn der Vegesacker BMX-Club ein Rennen ausrichtet, dann kocht der Oeversberg. Rund 1000 Menschen wuseln über das Vereinsgelände an der Friedrich-Humbert-Straße: Radsportler, die im Minutentakt am Starthügel auf die Bahn gehen, mitgereiste Eltern und Fans, die ihre Favoriten frenetisch anfeuern, Laufpublikum, das vom lebendigen Treiben angezogen am Streckenrand stehen bleibt und die Verfolgungsjagden, Überholmanöver auf engstem Raum sowie die waghalsigen Sprünge fasziniert verfolgt.
Abseits der Piste finden sich die BMX-Begeisterten zusammen, um zu fachsimpeln, Freundschaften zu pflegen oder sich am immer reichlich bestückten Büfett zu stärken. „Wenn wir ein Rennen veranstalten, dann ist das auch immer eine Werbung für unseren Verein“, weiß Trainer Thomas Duckhorn, der seine Liebe zum BMX-Race als Zehnjähriger entdeckte und auch jetzt mit 48 Jahren noch immer zu den besten BMX-Fahrern in der deutschen Seniorenklasse gehört.
Gemeinschaftssinn ist nicht nur bei der Vorbereitung und Durchführung solcher Großveranstaltungen gefragt, sondern auch im ganz normalen Vereinsalltag. BMX ist ein Familiensport, der ohne das Engagement der Eltern und Angehörigen nicht funktionieren würde. Fahrdienste zu den zahlreichen Rennen, bei denen die Radsportler vom Oeversberg an den Start gehen, sind dabei nur ein Aspekt.
Während der Saison von Ende März bis Mitte Oktober sind die BMX-Sportler fast jedes Wochenende unterwegs. Dann stehen die Nord- und Beginners-Cup-Serie, Bundesligaläufe sowie nationale und internationale Titelkämpfe bis hin zu den Weltmeisterschaften auf dem Programm. Werden Europa- oder Weltmeisterschaften in gut erreichbarer Nähe durchgeführt, dann „opfern“ ganze Familien gern ihren Urlaub, um als Teil des Oeversberg-Teams hochkarätigen Sport aktiv mitzuerleben.
Bei derartigen Gemeinschaftsausflügen schafften es in jüngerer Vergangenheit mit Ian Henke 2019 bei den Boys 10 in Zolder/Belgien und Luna Stein bei den Girls 11 2011 in Kopenhagen zwei Talente vom Vegesacker BMX-Club bis ins Weltmeisterschaftsfinale. Mit DM-Titeln und Topergebnissen in der Bundesliga glänzten darüber hinaus Fahrer wie Philip Mühlner, Klaas Jachens und Sebastian Nötzel.
„Gerade für die Kinder sind die internationalen Rennen immer ein ganz besonderes Erlebnis. Verständigungsprobleme mit Sportlern aus anderen Ländern gibt es nicht. Sie unterhalten sich mit Händen und Füßen“, berichtet Thomas Duckhorn. Und so mancher Kontakt zu dort getroffenen Gleichgesinnten werde noch heute gepflegt.
Neben dem Training, bei dem besonders viel Wert auf die gute Ausbildung des Nachwuchses gelegt wird, sind Arbeitsdienste ein fester Bestandteil des Vereinslebens. Die Bahn am Oeversberg ist seit rund 40 Jahren eine ewige Baustelle (siehe Infokasten). Durchschnittlich einmal im Monat trifft man sich zur Bahn- und Geländepflege sowie für Instandsetzungsarbeiten. „Da helfen alle mit“, teilt Thomas Duckhorn stolz mit. „Witzig ist, dass die Kleinsten immer mit den schwersten Geräten wie dem Rüttler oder Rasenmäher arbeiten wollen“, erklärt Jens Mühlner, der zweite Vorsitzende des Vereins. Weniger beliebt sei bei den Nachwuchssportlern hingegen das Unkrautzupfen.
Viel unnötige Mühe bereitet das Ausbessern von Spurrillen. Da das Gelände nicht eingezäunt ist, müssen sich die Klubmitglieder immer wieder mit dem Thema Vandalismus befassen. Dass es sich bei der Hindernisbahn um ein Vereinsgelände, das nur mit BMX-Rädern befahren werden darf, handelt, interessiere die Eindringlinge nicht. Das entsprechende Hinweisschild werde einfach nicht beachtet. „Da wird mit Motorrädern über die Bahn gefahren, oder Familien radeln mit ihren Hollandrädern über die Piste und beschädigen dabei die Kuppen der Hindernisse. Richtig übel ist es, wenn Menschen mit Autos oder Quads über die Bahn heizen. Auch das ist schon passiert“, bedauert Jens Mühlner kopfschüttelnd. Zudem gilt es regelmäßig, Hinterlassenschaften wie Sperrmüll oder Glasscherben aufzuspüren und zu entsorgen. Gute Laune herrscht bei den Einsätzen trotzdem, denn schließlich wird die zu erledigende Arbeit als Gemeinschaftsaufgabe gesehen.
Jetzt während des Lockdown sei genau die richtige Zeit für Instandsetzungsarbeiten, findet Jens Mühlner etwas Positives an der Situation. Trainingsbetrieb ist nur in geringem Maße möglich. Bislang hätten alle Mitglieder die Auflagen und Einschränkungen, die durch die Corona-Pandemie nötig sind und waren, tapfer mitgetragen. Vereinsaustritte habe es keine gegeben. Ganz im Gegenteil: „Es gab sogar etliche Anfragen von Interessierten, wann wieder Probetraining angeboten werden kann“, berichtet er.
Derzeit drehen die Radsportler einsam ihre Runden. „Da BMX als Individualsportart gilt, ist ein eingeschränktes Training mit jeweils zwei Personen gleichzeitig auf der Bahn erlaubt“, sagt Thomas Duckhorn. Die Trainingszeiten können digital gebucht werden. „Das wird gut ausgenutzt. Doch wir alle sehnen uns danach, dass es bald wieder richtig losgeht“, teilt Jens Mühlner mit.
Deutsche BMX-Premiere auf dem Oeversberg
Die Bahn des Vegesacker BMX-Club zählt zu den ältesten BMX-Pisten der Republik. Seit dem ersten offiziellen BMX-Rennen in Deutschland 1982 auf dem Oeversberg wurde sie immer wieder erneuert und erweitert. Die größten Baumaßnahmen waren im Vorfeld der deutschen Meisterschaften fällig, die der Verein im September 2008 ausrichtete. Da wurde die Strecke internationalen Standards angepasst und dabei mit deutlich mehr und anspruchsvolleren Hindernissen versehen. Auch die Kurven wurden neu gestaltet. Beim Großprojekt wurden mehr als 1000 Kubikmeter Material bewegt.
Auch danach gingen die Arbeiten an der Bahn weiter. Bereits ein Jahr später standen die Erneuerung des Belags und Renovierung des Starthügels auf dem Programm, 2011/2012 die Pflasterung der ersten und zweiten Kurve. Danach (2012/13) verwirklichten die Radsportler den Komplettumbau des Starthügels (Erhöhung, neue Pflasterung und Einbau eines Bensink-Gates). Weitere Baumaßnahmen waren der Neubau der dritten Geraden (2013), der teilweise Neubau der zweiten Geraden (2015), die Neugestaltung der Zielgeraden (2016), der Umbau der vierten Kurve (2017), die Erweiterung der Zielgeraden sowie die Pflasterung der dritten und vierten Kurve (2018).
Heute stehen Sportlern, Mitgereisten und Zuschauern bei Rennveranstaltungen neben der etwa 400 Meter langen Bahn feste Sanitäranlagen sowie Freiflächen zum Campen und Parken zur Verfügung.
Weitere Informationen
Vegesacker BMX-Club
Sportanlage: Friedrich-Humbert-Straße 24
Gegründet: 1983
Mitglieder: 80
Vorsitzender: Oliver Bentje
Trainerteam: Thomas Duckhorn, Justin Duckhorn, Philip Mühlner. Für spezielle Trainingseinheiten kann Landestrainer Kristaps Vekša gebucht werden
Web-Site: www.bmx-bremen.com
Email-Kontakt: racingbmxbremen@gmail.com