Ein Ehepaar schaut aus dem Fenster auf die Straße. Dort hält eine grölende Menschenmenge Schilder in die Höhe, auf denen Botschaften wie „Merkel muss hängen“ und „Deutschland den Deutschen“ zu lesen sind. Kommentar des Ehepaars: „Schlimm, wie die Leute in aller Öffentlichkeit ihre Notdurft verrichten.“ Die Szene hat der Werbetexter Kai Flemming gezeichnet. Der Cartoonist veröffentlicht regelmäßig in der Frankfurter Rundschau – und war jetzt mit drei weiteren und Künstlern für eine Signierstunde in der Vegesacker Havengalerie zu Gast.
Unter dem Motto „Satire gegen Rechts“ zeigt die Galerie 79 Cartoons und Texte von 24 Künstlern aus der gleichnamigen Anthologie, erschienen im Lappan Verlag. Neben Kai Flemming sind für die Besucher der Havengalerie auch Katharina Greve, Ruth Hebler und André Sedlaczek gekommen. Ihre Arbeiten sind in der Ausstellung zu sehen.
Im Ankündigungstext der Ausstellung, die bereits im Frühjahr hätte starten sollen, heißt es, dass Vergleiche von Querdenkern mit Widerstandskämperinnen wie Sophie Scholl eine Positionierung gegen rechtes Gedankengut erfordern. „Das zeigt, wie wichtig es ist, dass die Thematik ins Bewusstsein kommt. Wenn man das humoristisch behandelt, ist es eingängiger als ernsthafte Abhandlungen, die nur traurig machen“, sagt Ausstellungsmacherin Dijana Nukic.
So spricht eine Frau auf einer Party ein Ehepaar an: „Ihr konvertiert zum Judentum? Warum?“ Antwort: „Wir wollen auch Teil dieser Weltverschwörung werden!“ Dieses Werk stammt von Katharina Greve, einer Künstlerin aus Berlin, die unter anderem im Satiremagazin „Titanic“ sowie in „Das Magazin“ und dem „Tagesspiegel“ veröffentlicht. Seit 2004 zeichnet sie ernsthaft, wie sie sagt. Ihren Stil bezeichnet sie als reduziert. Besonders bekannt ist Greve für die Figur der Cousine des Kleinen Prinzen, die kleine dicke Prinzessin Petronia.
Motivation für politische Statements durch Cartoons, Comics und Karikaturen gebe es genug, sagt Kai Flemming: „Das ist ein Weg, seine Wut loszuwerden. Die Rechten sind lächerliche Menschen mit lächerlichen Gedanken, also kann man sie nur lächerlich machen.“ Die ausgestellten Arbeiten lassen viele Lacher zu. Bei manchen bleibt einem aber auch das Lachen im Halse stecken.
„Die Künstler bringen unerschiedliche Sachverhalte konzentriert auf den Punkt. Das ist eine große Kunst“, sagt Dijana Nukic. Diese große Kunst lockt einige Interessierte zur Signierstunde. Stephan Behrndt aus Rotenburg war bereits zweimal in der Havengalerie und ist über die sozialen Medien vernetzt. „Das ist eine sehr gute Ausstellung“, lobt er, während Kai Flemming ihm eine Buchausgabe signiert.
Auf einer Bank hat André Sedlaczek Platz genommen. „Hier sind wirklich die ganzen Wände vollgehängt, das habe ich so auch noch nicht oft gesehen. Es zeigt das Herzblut und Engagement der Veranstalterin“, so der Cartoonist aus Detmold, der für das Satiremagazin Eulenspiegel zeichnet und nach 2018 zum zweiten Mal in der Havengalerie zu Gast ist. Sein Arbeitsprozess beginnt im Büro, wo Computer, Papier und Stifte auf den Einsatz warten. „Das Equipment ist bereit, und die Idee kommt auf dem Weg zum Schreibtisch."