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Klassiker und Neuheiten Vegesacker Markt bietet fast 20 Spiele

Jahrmarktklassiker wie Entenangeln, Dosenwerfen und Luftballonpfeilwurf und Neuheiten wie das Kugelstechen erfordern Zielsicherheit, Geschicklichkeit und Glück.
01.09.2019, 18:34 Uhr
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Von Christian Pfeiff

Vegesack. „Du stichst da oben rein und dann kommt da unten eine Kugel raus. Die Kugeln haben je nach Farbe verschiedene Punktzahlen, die zum Schluss zusammengezählt werden“, erläutert die Standbetreiberin die Regeln des „Kugelstechens“ – nicht zum ersten Mal am Eröffnungstag des Vegesacker Marktes. „Wenn man zum ersten Mal mit einem solchen Angebot auf einem Markt dabei ist, muss man es eben sehr häufig erklären“, weiß die Neu-Bremerin, die sich lediglich als Franzi vorstellt.

„Der Stand gehört eigentlich meinem Freund, der hier auch einen Zuckerwattestand betreibt. Wir sind im ersten Jahr gemeinsam unterwegs. Deshalb ist mein Nachname auch gar nicht so wichtig – vielleicht ändert der sich nach einigen Jahren Fernbeziehung ohnehin demnächst“, sagt die junge Frau lächelnd, während sie Kugeln einsammelt.

Das Spielkonzept, bei dem Teilnehmer durch einen Papierschutz blindlings nach verschiedenfarbigen Kugeln und somit unterschiedlichen Punktzahlen stechen, hat sie aus Leipzig mitgebracht. Im Osten Deutschlands ist das Spiel sehr beliebt, im Norden dagegen noch weitgehend unbekannt. „Dort sind auch meine Eltern mit einer solchen Spielbude als Schausteller unterwegs. Mein Freund und ich versuchen nun den gemeinsamen Schritt in die Unabhängigkeit.“

Umgeben von lautstark dröhnenden und mit discotauglichen Lichteffekten ausgestatteten Fahrgeschäften, Imbiss- und Süßigkeitenständen, die betörende Düfte verströmen, fahrenden Händlern und urigen Schankwirtschaften, stechen die vielen Geschicklichkeits- und Glücksspiele bei einem Besuch des Vegesacker Herbstmarkts vielleicht nicht unmittelbar auf den ersten Blick ins Auge. Sie sind aber bei genaueren Hinsehen dennoch prägend für dessen Charakter: Fast zwanzig Stück sind es, die bis zum kommenden Mittwoch auf den beiden Marktplätzen sowie in der Straße Achterrut zum Spielen einladen.

Bei den meisten Angeboten handelt es sich um altgediente Jahrmarktklassiker: Losbuden, Glücksräder und Schießstand fehlen ebenso wenig wie Fadenziehen und Fischangeln. Klassiker wie Entenangeln, Dosenwerfen und Luftballonpfeilwurf sind sogar gleich mehrfach und bisweilen in verschiedenen Varianten vertreten. Hinzu kommen einige Münzspielgeräte.

Wie Franzi entstammen die meisten Standbetreiber Schaustellerfamilien, die schon seit mehreren Generationen auf dem Rummel im Einsatz sind. Einige sind mittlerweile selbst zu Vegesacker Marktveteranen avanciert: „Ich bin seit über 25 Jahren dabei, immer mit verschiedenen Spielen, Ausschank oder Speisen – immer je nachdem, woran gerade Bedarf besteht; schließlich dürfen es ja nicht zu viele gleiche Angebote auf einem Markt sein“, weiß Hubertus Kalesso, der auf dem Aumunder Marktplatz in einer Luftballonpfeilwurfbude zu finden ist. „Wir sind ein Familienbetrieb und sind hier auch mit einem Tütenangelspiel und einem Entenangeln vertreten. Ein einziger Stand auf dem Vegesacker Markt rechnet sich heutzutage nicht mehr“, erklärt der Schaustellerveteran.

Wie in seinem Fall ziert derselbe Familienname recht häufig gleich mehrere Stände und Wagen, auch im Falle der Familie Reimer, die seit knapp fünf Jahren zu den Schaustellern auf dem Vegesacker Markt zählt: „Wir haben hier jemanden abgelöst, der sein Geschäft aufgegeben hat“, erklärt Oberhaupt Kareno Reimer an der großen Losbude auf dem Sedanplatz, während weitere Familienmitglieder eine weitere, kleinere Losbude sowie einen Dosenwurfstand betreuen.

Kaum ein Standbetreiber kalkuliert mit nennenswerten Gewinneinkünften, die Frage nach der Motivation wird unabhängig voneinander oft mit einem Verweis auf die Familientradition beantwortet: „Man wird da rein geboren und macht es dann selber weiter, und dann gibt es eben gute Jahre und schlechte – in denen ist die Erbsensuppe dann eben etwas dünner“, erklärt Kareno Reimer lächelnd.

Genau diese Tradition scheint es jedoch zu sein, die auch viele Marktbesucher zu schätzen wissen: Über mangelndes Interesse können sich die meisten Standbetreiber zumindest am Eröffnungstag nicht beklagen, sofern ihr Standort nicht ungeahnte Nachteile birgt: „Die Leute stehen meistens mit dem Rücken zu mir, das ist natürlich keine allzu günstige Ausgangslage“, konstatiert Hendrik Kortekamp, dessen Milchkannenwurfspiel nur einen schmalen Durchgang vom gegenüberliegenden, ebenso großen wie lautstarken Fahrgeschäfts entfernt steht.

Hauptzielgruppe der Spielangebote sind naturgemäß vor allem Kinder und Familien: „Meine Töchter sind mittlerweile zu alt für das Kinderkarussell und wollten in diesem Jahr unbedingt mal Pfeilwurf ausprobieren“, kommentiert der Vater einer vierköpfigen türkischen Familie aus Blumenthal den Einsatz des Nachwuchses an Kalessos Luftballonspiel. Den Familiennamen möchte er ungern in der Zeitung lesen, „wir kommen aber jedes Jahr hierher“, versichert er lächelnd.

Die kleinen Sachpreise weisen selten mehr als Symbolcharakter auf. Für die wenigsten Kunden ist das, was es zu gewinnen gibt, aber wirklich von Belang. Wurf- und Zielspiele sind bei Kindern offensichtlich nach wie vor ebenso beliebt wie bei größeren Besuchergruppen. Und Geschicklichkeitsspiele fordern die Teilnehmer darüber hinaus noch in weiteren Fähigkeiten heraus. „Das trainiert auch die motorischen Fähigkeiten“, befindet eine junge Tante, die ihren dreijährigen Neffen tatkräftig beim Entenangeln unterstützt. Für den jährlichen Marktbesuch gelten bei den beiden feste Regeln: „Er darf sich jeweils zwei Spiele und ein Getränk aussuchen und entscheidet sich meistens fürs Angeln“, sagt die junge Frau und nimmt mit ihrem Neffen dessen Preis entgegen, bevor beide wieder im Getümmel des Marktes verschwinden.

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